Выбрать главу

»Was soll denn das? Ein Dreikäsehoch? Das ist ja haarsträubend!« Julián, der um die öffentliche Bedeutung des Mannes wußte, von ihm aber überhaupt nicht eingeschüchtert wurde, antwortete:

»Señor Aldaya, viele Haare, die sich sträuben könnten, haben Sie nicht, dieser Scheitel sieht aus wie die Plaza de las Arenas, und wenn wir Ihnen nicht schnellstens eine Garnitur Hüte anfertigen, wird man Ihre Schädeldecke mit dem Stadtplan von Barcelona verwechseln.« Bei diesen Worten glaubte Fortuny zu sterben. Aldaya faßte Julián gelassen ins Auge und begann dann zu aller Erstaunen zu lachen, wie er es sei Jahren nicht mehr getan hatte.

»Dieser Ihr Junge wird es weit bringen, Fortunato«, sagte Aldaya, der sich den Namen des Hutmachers nicht merken konnte.

Don Ricardo Aldaya, so stellte sich heraus, hatte es satt, daß ihn alle fürchteten, ihm um den Bart gingen und sich vor ihm auf den Boden legten wie Fußabstreifer. Er verachtete Arschkriecher, Angsthasen und alle, die irgendeine körperliche, geistige oder moralische Schwäche zeigten. Als er auf diesen einfachen Jungen traf, kaum ein Lehrling, der die Dreistigkeit und Schlagfertigkeit hatte, ihn auf den Arm zu nehmen, wurde ihm klar, daß er tatsächlich den idealen Hutladen gefunden hatte, und er verdoppelte seine Bestellung. Bereitwillig kam er in dieser Woche täglich zu seiner Sitzung, um sich von Julián Maß nehmen und Modelle anprobieren zu lassen. Antoni Fortuny war erstaunt, als er sah, wie sich einer der wichtigsten Männer der katalanischen Gesellschaft bei den Scherzen und Geschichten vor Lachen bog, die ihm dieser Sohn erzählte, der ihm unbekannt war, mit dem er nie sprach und der seines Wissens noch nie Sinn für Humor an den Tag gelegt hatte. Am Ende dieser Woche nahm Aldaya den Hutmacher beim Schlafittchen und zog ihn in eine Ecke zum vertraulichen Gespräch.

»Hören Sie zu, Fortunato, dieser Ihr Sohn ist ein Talent, und Sie lassen ihn hier in diesem Saftladen versauern und verstauben.«

»Das ist ein gutes Geschäft, Don Ricardo, und der Junge zeigt eine gewisse Begabung, obwohl es ihm an Benehmen fehlt.«

»Dummes Zeug. Auf welche Schule schicken Sie ihn?«

»Nun, also, er geht auf die…«

»Das sind Tagelöhnerfabriken. Wenn man das Talent, das Genie in der Jugend nicht fördert, verkümmert es und zehrt den auf, der es besitzt. Man muß es in die richtigen Bahnen lenken, es unterstützen. Verstehen Sie mich, Fortunato?«

»Sie täuschen sich in meinem Sohn. Von einem Genie hat er nicht das geringste. In Geographie kommt er mit Ach und Krach auf ein Genügend… Die Lehrer sagen mir, er ist ein Windbeutel, der sich sehr schlecht benimmt, genau wie seine Mutter, aber hier wird er wenigstens immer einen ehrenwerten Beruf haben und…«

»Fortunato, Sie langweilen mich. Noch heute werde ich mich mit dem Vorstand der San-Gabriel-Schule treffen und werde sagen, man soll Ihren Sohn in dieselbe Klasse aufnehmen, in der mein Erstgeborener ist, Jorge. Weniger wäre erbärmlich.«

Fortuny machte Augen wie Wagenräder.

»Aber, Don Ricardo, ich könnte ja nicht einmal die Kosten…«

»Niemand hat gesagt, Sie brauchen auch nur einen Heller zu bezahlen. Um die Erziehung des Jungen kümmere ich mich. Sie, als Vater, brauchen nur ja zu sagen.«

»Ja, selbstverständlich, aber…«

»Also kein weiteres Wort mehr. Immer vorausgesetzt natürlich, Julián ist einverstanden.«

»Er wird tun, was man ihm befiehlt, versteht sich.«

In diesem Augenblick schaute Julián mit einem Modell in der Hand zur Tür des Hinterraums herein.

»Don Ricardo, wenn Sie so gut sein wollen…«

»Sag mal, Julián, was hast du heute nachmittag vor?« fragte Aldaya.Julián schaute abwechselnd zu seinem Vater und zum Industriellen.

»Nun, hier im Laden meinem Vater zu helfen.«

»Abgesehen davon.«

»Ich wollte eigentlich in die Bibliothek von…«

»Du magst Bücher, was?«

»Jawohl.«

»Zu Hause habe ich eine Bibliothek von vierzehntausend Bänden, Julián. Als junger Mensch habe ich viel gelesen, aber nun habe ich keine Zeit mehr. Meinen Sohn Jorge bringen keine zehn Pferde in die Bibliothek. Die einzige zu Hause, die denkt und liest, ist meine Tochter Penélope, so daß eigentlich all diese Bücher für die Katz sind. Möchtest du sie sehen?« Julián brachte kein Wort heraus und nickte. Der Hutmacher verfolgte die Szene unruhig. Alle Welt wußte, daß Romane für Frauen und für Leute waren, die nichts zu tun hatten.

»Fortunato, Ihr Sohn kommt mit mir, ich will ihn meinem Jorge vorstellen. Keine Bange, später bringen wir ihn wieder nach Hause. Sag mal, mein Junge, bist du schon einmal in einen Mercedes eingestiegen?« Daraus schloß Julián, daß das der Name dieses kaiserlichen Stücks war, das der Industrielle zur Fortbewegung gebrauchte. Er schüttelte den Kopf.

»Dann wird es aber allmählich Zeit. Es ist wie in den Himmel fahren, nur braucht man nicht zu sterben dabei.« Antoni Fortuny sah sie in dieser gewaltigen Luxuskarosse davonfahren, und als er in seinem Herzen suchte, verspürte er nur Trauer. Beim Abendessen mit Sophie (die ihr neues Kleid und die neuen Schuhe trug und kaum noch Male und Narben zeigte) fragte er sich, worin er sich diesmal geirrt hatte. Genau dann, als Gott ihm einen Sohn zurückgab, nahm Aldaya ihn ihm wieder weg.Noch nie war Julián über die Diagonal hinausgekommen. Diese aus Alleen, alten Stammsitzen und auf eine Stadt wartenden Palästen bestehende Linie war eine verbotene Grenze. Oberhalb der Diagonal lagen geheimnisvolle, reiche, legendenhafte Weiler, Hügel und Orte. Während sie sie überquerten, erzählte ihm Aldaya von der San-Gabriel-Schule und von neuen Freunden, die er haben würde.

»Und du, Julián, was ist denn dein Ziel? Im Leben, meine ich.«

»Ich weiß nicht. Manchmal denke ich, ich möchte Schriftsteller werden. Romanautor.«

»Klar, du bist noch sehr jung. Und sag, das Bankgeschäft lockt dich nicht?«

»Ich weiß es nicht, Señor. Daran habe ich eigentlich noch gar nie gedacht. Ich habe noch nie mehr als drei Peseten auf einmal gesehen. Die Hochfinanz ist ein Geheimnis für mich.« Aldaya lachte.

»Da gibt es überhaupt kein Geheimnis, Julián. Der Trick besteht darin, nicht drei und drei Peseten zusammenzubringen, sondern drei Millionen und drei Millionen. Dann gibt es kein wirkliches Rätsel mehr. Nicht einmal die Heilige Dreifaltigkeit.« Als sie an diesem Nachmittag die Avenida del Tibidabo hinauffuhren, glaubte Julián die Pforten des Paradieses zu durchschreiten. Villen, die ihm wie Kathedralen erschienen, flankierten den Weg. Auf halber Strecke bog der Fahrer ab, und sie fuhren durch das Gittertor einer der Villen. Auf der Stelle setzte sich eine Heerschar von Bediensteten in Bewegung, um den Herrn zu empfangen. Alles, was Julián sehen konnte, war ein majestätisches, dreistöckiges altes Haus. Es war ihm noch nie in den Sinn gekommen, daß an einem solchen Ort wirkliche Menschen wohnen könnten. Er ließ sich durch die Eingangshalle mitziehen, durchquerte einen gewölbten Saal, von dem aus eine von Samtvorhängen gesäumte Marmortreppe in die Höhe führte, und trat in einen großen Raum, dessen Wände vom Boden bis zur Unendlichkeit mit Büchern verkleidet waren.

»Na?« fragte Aldaya.Julián hörte ihn kaum.

»Damián, sag Jorge, er soll sogleich in die Bibliothek herunterkommen. Du wirst andere Kleider benötigen, Julián. Manche Barbaren achten nur auf das Äußere… Ich werde Jacinta sagen, sie soll das übernehmen, du brauchst dich um nichts zu kümmern. Und vielleicht sagst du deinem Vater besser nichts davon, damit er sich nicht verletzt fühlt. Schau, da kommt Jorge. Jorge, du sollst einen prima Jungen kennenlernen, der dein neuer Klassenkamerad sein wird. Julián Fortu…«