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Er hatte nur sechs Mann für nötig gehalten, um die Kesselflicker zu bewachen. Doch sogar mit wachsamunbeweglichen Mienen wirkten sie noch verlegen. Keiner sah den siebten Mann an, der in der Nähe der Wohnwagen auf seinem Pferd saß — einen knochigen, kleinen Mann mit großer Nase in einem dunkelgrauen Rock, der trotz der Qualität seines Zuschnitts zu groß an ihm wirkte. Farran, ein bärtiger Brocken von Mann, der trotz seiner Größe und Breite leichtfüßig war, stand da und funkelte wütend alle sieben an. Der Hundertschaftsführer drückte eine im Kampfhandschuh steckende Hand zum Gruß ans Herz, überließ aber Bornhald das Reden.

»Auf ein Wort, Meister Ordeith«, sagte Bornhald ruhig. Der knochige Mann neigte den Kopf und sah Bornhald eine Weile stumm an, bevor er vom Pferd stieg. Farran grollte, doch Bornhald sprach leise weiter: »Drei der Kesselflicker sind unauffindbar, Meister Ordeith. Habt Ihr vielleicht Euren eigenen Vorschlag in die Tat umgesetzt?« Die ersten Worte, die Ordeith beim Anblick der Kesselflicker ausgesprochen hatte, waren gewesen: »Tötet sie. Sie sind zu nichts zu gebrauchen.« Bornhald hatte schon genug Männer getötet, aber die Nebensächlichkeit, mit der der kleine Mann das abtat, war ihm doch unheimlich.

Ordeith rieb sich mit dem Finger einen Nasenflügel. »Also, warum sollte ich sie wohl töten? Und das, nachdem Ihr mich derart angegangen seid, nur, weil ich es vorschlug.« Sein Lugarder Dialekt war heute besonders deutlich — auch etwas an dem Mann, das Bornhald störte.

»Dann habt Ihr ihnen wohl zu entkommen gestattet?« »Was das betrifft, habe ich ein paar von ihnen mitgenommen, so daß ich in Erfahrung bringen konnte, was sie wußten. Ungestört, versteht sich.« »Was sie wußten? Was beim Licht können Kesselflicker wissen, das uns nützen könnte?« »Das kann man nie sagen, bevor man sie nicht befragt hat, oder?« sagte Ordeith. »Ich habe keinem von ihnen besonders weh getan, und ich sagte ihnen, sie sollten sich zu ihren Wohnwagen zurückbegeben. Wer hätte auch gedacht, daß sie die Frechheit besitzen, trotz Eurer vielen Männer wegzulaufen?« Bornhald wurde bewußt, daß er mit den Zähnen knirschte. Seine Befehle hatten gelautet, daß er so schnell wie möglich mit diesem eigenartigen Burschen zusammentreffen solle, der ihm dann weitere Befehle übermitteln werde. Bornhald hatte nichts daran gepaßt, aber beide Papiere hatten das Siegel und die Unterschrift Pedron Nialls getragen, des kommandierenden Lordhauptmanns der Kinder des Lichts.

Zuviel war darin ungesagt geblieben, wie zum Beispiel Ordeiths genaue Bedeutung. Der kleine Mann befand sich hier, um Bornhald zu beraten, und Bornhald sollte mit ihm zusammenarbeiten. Ob Ordeith unter seinem Kommando stand, war offengeblieben. Zwischen den Zeilen war deutlich geworden, daß er die Ratschläge dieses Burschen beherzigen solle, und das gefiel ihm gar nicht. Selbst der Grund, warum man so viele Kinder in diese Hinterwäldlerregion sandte, war unklar. Natürlich sollte man Schattenfreunde aufspüren und das Licht ausbreiten —das war ja selbstverständlich. Aber beinahe eine halbe Legion ohne Erlaubnis in den Bereich Andors einzuschleusen... Der Orden riskierte eine Menge, falls die Königin in Caemlyn davon erfuhr. Es war zuviel, als daß es von den wenigen Antworten aufgewogen würde, die Bornhald erhalten hatte.

Es hing letzten Endes alles mit Ordeith zusammen. Bornhald konnte nicht verstehen, wieso der kommandierende Lordhauptmann diesem Manne vertraute. Er grinste so hinterhältig, hatte dazwischen schlimme Launen, starrte einen durchdringend an, und man war sich nie sicher, mit welcher Art von Mensch man da eigentlich sprach. Ganz zu schweigen davon, daß er mitten im Satz den Dialekt wechselte. Die fünfzig Kinder, die Ordeith begleitet hatten, waren selbst schon derart mürrisch und unausgeglichen, wie Bornhald es noch nie erlebt hatte. Er glaubte, Ordeith habe die Männer wohl selbst ausgewählt, um immer finstere Mienen um sich zu haben, und diese Wahl war charakteristisch für den Mann. Selbst sein Name, Ordeith, bedeutete in der Alten Sprache soviel wie ›Wurmholz‹. Sicher hatte Bornhald seine eigenen Gründe, die ihn hierher führten. Und so würde er eben mit diesem Mann zusammenarbeiten, wenn es nicht zu umgehen war. Aber nur soweit, wie unbedingt nötig.

»Meister Ordeith«, sagte er mit sorgfältig beherrschter Stimme, »diese Fähre ist der einzige Weg in das Gebiet der Zwei Flüsse hinein und wieder heraus.« Das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Der Landkarte nach, die er in seinem Gepäck hatte, gab es keinen anderen Übergang über den Taren als gerade hier, denn die oberen Bereiche des Manetherendrelle, der dieses Gebiet nach Süden hin abgrenzte, wiesen keine einzige Furt auf. Im Osten lagen Sumpfgebiete und Moore. Trotzdem mußte es einen Weg nach Westen geben, über die Verschleierten Berge. Seine Landkarte endete aber am Rand der Bergkette. Das wäre allerdings wohl ein ziemlich schwieriger Übergang, bei dem möglicherweise viele seiner Männer den Tod finden könnten, und er hatte nicht die Absicht, Ordeith gegenüber diese wenn auch noch so geringe Möglichkeit zu erwähnen. »Wenn es Zeit wird, wegzureiten, und wenn wir Soldaten aus Andor vorfinden, die das andere Ufer halten, werdet Ihr mit den allerersten hinüberreiten. Es wird euch sicher interessieren, aus der Nähe zu erleben, wie schwer es ist, sich den Übergang über einen solch breiten Fluß zu erzwingen, ja?« »Das ist Euer erstes Kommando, nicht wahr?« In Ordeith' Tonfall lag eine Andeutung von Spott.

»Dies ist vielleicht der Karte nach ein Teil Andors, aber Caemlyn hat seit Generationen keinen Steuereinnehmer mehr so weit nach Westen geschickt. Selbst wenn diese drei plaudern... Wer glaubt schon drei Kesselflickern? Wenn Ihr glaubt, die Gefahr sei zu groß, dann vergeßt bitte nicht, wessen Siegel Eure Befehle tragen.« Farran sah Bornhald an und war sichtlich kurz davor, nach seinem Schwert zu greifen. Bornhald schüttelte ganz leicht den Kopf, und Farran ließ seine Hand sinken. »Ich habe vor, den Fluß zu überqueren, Meister Ordeith. Ich werde ihn überqueren, auch wenn ich im nächsten Moment höre, daß Gareth Bryne mit der Königlichen Garde bis Sonnenuntergang hier sein wird.« »Selbstverständlich«, sagte Ordeith, der sich plötzlich um Beruhigung bemühte. »Es wird hier genausoviel Ruhm zu ernten geben wie vor Tar Valon, das kann ich Euch versichern.« Seine tiefliegenden dunklen Augen schienen wieder ins Leere zu blicken. »Es gibt auch in Tar Valon Dinge, die ich haben will.« Bornhald schüttelte den Kopf. Und ich muß mit so was zusammenarbeiten.

Jaret Byar ritt heran und schwang sich neben Farran aus dem Sattel. Byar war genauso groß wie der Hundertschaftsführer und hatte ein langes Gesicht mit dunklen, tiefliegenden Augen. Er sah aus, als habe man jedes bißchen Fett aus seinem Körper herausgekocht. »Das Dorf ist gesichert, Lord Bornhald. Lucellin paßt auf, daß niemand durchschlüpfen kann. Sie haben sich beinahe in die Hosen gemacht, als ich das Wort Schattenfreunde erwähnte. Gibt keinen in ihrem Dorf, sagten sie. Die Leute weiter im Süden, denen könne man das aber zutrauen, sagten sie.« »Weiter im Süden also?« sagte Bornhald knapp. »Wir werden ja sehen. Führe dreihundert über den Fluß, Byar. Farrans Truppe zuerst. Der Rest soll hinter den Kesselflickern nachkommen. Und geht sicher, daß nicht noch mehr von denen verschwinden, ja?« »Wir werden die Zwei Flüsse verheeren«, unterbrach Ordeith ihr Gespräch. Sein schmales Gesicht war verzerrt, und Speichel tropfte ihm von den Lippen. »Wir werden sie auspeitschen und ihnen die Haut abziehen und ihre Seelen verbrennen! Ich habe es ihm versprochen! Jetzt wird er zu mir kommen! Er wird kommen!« Bornhald nickte Byar und Farran zu, sie sollten seinen Befehlen nachkommen. Ein Verrückter, dachte er. Der kommandierende Lordhauptmann hat mir einen Verrückten beigeordnet. Aber wenigstens werde ich den Weg zu Perrin von den Zwei Flüssen auf diese Art finden. Was ich auch tun muß: Ich werde meinen Vater rächen!