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Laut sagte sie: »Diese Axt. Das war er, nicht wahr? Der Wiedergeborene Drache, der versucht hat, uns zu töten.« »Es muß Rand gewesen sein.« Er betonte den Namen. Er wollte von Rand als nichts anderem denken. Er zog es auch vor, sich an den Rand zu erinnern, mit dem zusammen er in Emondsfeld aufgewachsen war. »Aber er hat nicht versucht, uns zu töten. Er nicht.« Sie lächelte ihn krampfhaft an. Es war schon beinahe eine Grimasse. »Wenn er es vorhin nicht bewußt versucht hat, dann hoffe ich, er wird es niemals tun.« »Ich weiß nicht, was er angestellt hat. Aber ich habe vor, ihm zu sagen, daß er damit aufhören soll, und zwar sofort.« »Ich weiß nicht, warum ich mir Gedanken um einen Mann mache, der so sehr um die eigene Sicherheit besorgt ist«, murmelte sie.

Er sah sie mit gerunzelter Stirn fragend an, da ihm nicht klar war, wie sie das gemeint hatte, doch sie schob nur einfach ihren Arm unter seinen. Er wunderte sich noch immer, als sie durch den Stein schritten. Er ließ die Axt, wo sie war. In der Tür steckend würde sie niemandem etwas antun.

Die langstielige Pfeife in den Mundwinkel geklemmt, öffnete Mat seine Jacke ein bißchen weiter und versuchte, sich auf die Karten, die verdeckt vor ihm lagen, und die auf den Tisch geworfenen Münzen zu konzentrieren. Er hatte sich die leuchtend rote Jacke im für Andor typischen Schnitt anfertigen lassen, aus bester Wolle, mit goldenen Stickereien an Manschetten und Kragen, aber jeden Tag wurde er aufs neue daran erinnert, daß Tear eben doch viel weiter südlich lag als Andor. Der Schweiß lief ihm über das Gesicht, und das Hemd klebte an seinem Rücken.

Keiner seiner Mitspieler am Tisch schien die Hitze überhaupt zu bemerken, obwohl ihre Jacken noch dicker schienen als seine mit ihren weiten Puffärmeln, dem Futter und den Verzierungen aus Seide, Brokat und Satin. Zwei Männer in roter und goldener Livree sorgten dafür, daß die silbernen Becher der Spieler immer mit Wein gefüllt waren, und boten ihnen dazwischen glänzende Silberschalen mit Oliven, Käse und Nüssen an. Auch die Diener waren von der Hitze unbeeindruckt. Nur manchmal gähnte einer von ihnen hinter vorgehaltener Hand, wenn er glaubte, daß gerade niemand hersah. Die Nacht war nicht mehr jung.

Mat ließ seine Karten liegen, wie sie waren, ohne nochmals nachzusehen. Sie konnten sich wohl kaum geändert haben. Drei Könige, die höchsten Karten bei drei von fünf Farben waren schon gut genug, um zu gewinnen.

Er hätte sich beim Würfelspiel wohler gefühlt. An den Orten, wo er gewöhnlich spielte, fand man nur selten Karten vor. Statt dessen wechselte Silber die Besitzer bei fünfzig verschiedenen Würfelspielen. Doch diese jungen Lordchen aus Tear trugen lieber Lumpen, als daß sie würfelten. Bauern spielen mit Würfeln, meinten sie, aber sie sagten das lieber nicht in seiner Hörweite. Sie fürchteten nicht seinen Zorn, wohl aber diejenigen, die sie als seine Freunde betrachteten. So spielten sie dieses Spiel, das sie Hacken nannten, Stunde um Stunde, Abend auf Abend. Sie benützten handgemalte Karten dazu. Ein Mann in der Stadt fertigte sie an, und diese Burschen hier und andere von ihrer Sorte hatten ihn reich gemacht. Nur Frauen oder Pferde konnten sie von diesem Spiel weglocken, und das auch nur für kurze Zeit.

Trotzdem hatte er das Spiel schnell genug erlernt, und wenn sein Glück auch nicht so ausgeprägt war wie beim Würfeln, war es doch nicht schlecht. Neben seinen Karten lag ein fetter Geldbeutel, und ein noch dickerer steckte in seiner Tasche. Damals in Emondsfeld hätte er sich damit für reich gehalten, und es hätte wohl auch genügt, um den Rest seines Lebens im Luxus zu verbringen. Doch seine Auffassung von Luxus hatte sich seit der Abreise von den Zwei Flüssen wesentlich geändert. Die jungen Lords ließen ihre Münzen achtlos als funkelnde Häufchen herumliegen, doch er änderte seine alte Gewohnheit nicht. In den Tavernen und Schenken war es manchmal notwendig, sehr schnell zu verschwinden. Besonders dann, wenn sein Glück am ausgeprägtesten war.

Wenn er genug hatte, um den Lebenswandel zu führen, den er im Sinn hatte, würde er den Stein genauso schnell verlassen — bevor Moiraine etwas davon ahnte. Er wäre jetzt schon mehrere Tagesreisen entfernt, wenn es nach ihm ginge. Aber hier gab es eben einiges an Gold zu gewinnen. Eine Nacht an diesem Tisch konnte ihm mehr einbringen als eine Woche beim Würfeln in den Tavernen. Wenn er Glück hatte.

Er runzelte ein wenig die Stirn und zog besorgt an seiner Pfeife, um den Eindruck zu erwecken, seine Karten seien doch vielleicht nicht gut genug. Auch zwei der jungen Lords hatten Pfeifen zwischen den Zähnen, doch ihre waren mit Silber eingelegt und mit Bernsteinstückchen verziert. In der heißen, unbewegten Luft roch es durch ihren parfümierten Tabak wie ein Feuer im Boudoir einer Lady. Nicht, daß Mat jemals im Boudoir einer Lady gewesen wäre. Eine Krankheit, die ihn beinahe umgebracht hätte, hatte Lücken in seinem Gedächtnis hinterlassen, so groß wie Scheunentore, aber er war sicher, daß er sich an so etwas hätte erinnern können. Nicht einmal der Dunkle König wäre so gemein, mich das vergessen zu lassen.

»Schiff der Meerleute hat heute angelegt«, murmelte Reimon über seinen Pfeifenstiel hinweg. Der Bart des breitschultrigen jungen Lords war eingeölt und ganz spitz zurechtgestutzt. Das war unter den jüngeren Adligen gerade große Mode, und Reimon war neuen Moderichtungen gegenüber genauso empfänglich wie für Frauen. Und das betrieb er dann kaum weniger gründlich als das Kartenspiel. Er warf eine Silberkrone auf den Haufen in der Mitte der Tischplatte, um eine weitere Karte zu kaufen. »Eine Brigg. Die schnellsten Schiffe, die es gibt, sagt man. Fahren schneller als der Wind, sagt man. Das würde ich gern erleben. Seng meine Seele, es würde mir Spaß machen.« Er sah die Karte gar nicht an, die er bekam. Das tat er nie, bis er alle fünf zusammenhatte.

Der mollige Mann mit den rosa Wangen zwischen Reimon und Mat schmunzelte amüsiert. »Du willst das Schiff sehen, Reimon? Du meinst doch sicher damit eher die Mädchen, oder? Die Frauen. Exotische Meervolk-Schönheiten mit ihren Ringen und Halsketten und dem beschwingten Gang, eh?« Er legte eine Krone auf und nahm seine Karte entgegen. Als er sie betrachtete, verzog er grimmig sein Gesicht. Das hatte aber nichts zu bedeuten; Edorions Blätter waren immer niedrig und paßten nicht zusammen. Trotzdem gewann er öfter, als daß er verlor. »Na ja, vielleicht habe ich bei den Meermädchen auch mehr Glück.« Der Bankhalter, ein großer, schlanker Mann mit einem noch spitzeren Bart als Reimon, der an Mats anderer Seite saß, legte sich einen Finger auf die Nase. »Glaubst du, daß du bei denen Glück haben wirst, Edorion? So, wie die sich von allen anderen fernhalten, brauchst du schon Glück, um wenigstens ihr Parfum riechen zu können.« Er wedelte mit der Hand und tat so, als atme er genüßlich den Duft ihres Parfums ein; die anderen jungen Adligen lachten nur, selbst Edorion.

Ein Junge mit wenig ansprechendem Gesicht namens Estean lachte am lautesten von allen und fuhr mit einer Hand durch sein dünnes Haar, das ihm immer wieder in die Stirn fiel. Hätte man seine feine gelbe Jacke durch eine aus grober Wolle ersetzt, dann hätte er sehr wohl ein Bauer sein können und nicht der Sohn eines Hochlords mit den reichsten Gütern von ganz Tear. Doch so war er bereits selbst der reichste Mann an diesem Spieltisch. Er hatte außerdem mehr Wein getrunken als jeder andere.

Er beugte sich schwankend über den Mann neben ihm, einen eingebildeten Kerl namens Baran, der immer auf alle anderen herunterzuschauen schien, und piekste den Bankhalter mit einem zitternden Finger in die Seite. Baran lehnte sich zurück und verzog angewidert seinen Mund um den Pfeifenstiel herum, als fürchte er, daß Estean sich über ihm übergeben werde.

»Das ist gut, Carlomin«, gurgelte Estean. »Das denkst du doch auch, was, Baran? Edorion kriegt nicht mal ihr Parfum mit. Wenn er sein Glück versuchen will... ein Spielchen wagen... dann soll er sich mal an diese Aielschlampen heranmachen wie Mat hier. All diese Speere und Messer. Seng meine Seele. Als ob man einen Löwen zum Tanz auffordert.« Es wurde totenstill am Tisch. Estean war der einzige, der über seinen Scherz lachte. Dann blinzelte er und fuhr sich wieder mit den Fingern durch das fettige Haar. »Was ist los? Habe ich was gesagt? Oh! O ja. Die!« Mat konnte sich gerade noch zurückhalten, bevor sich seine Miene zu sehr verfinsterte. Dieser Narr mußte das Gespräch auf die Aiel bringen. Das einzige noch schlimmere Gesprächsthema wären die Aes Sedai gewesen.