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»Vielleicht möchte ich mich mit Euch unterhalten, mein Lord Drache.« Sie ließ die helle Robe zu Boden fallen und enthüllte ein noch dünneres weißes Seidengewand darunter, das man kaum noch Nachthemd nennen konnte. Ihre Schultern waren nun völlig unbedeckt, und ein großer Teil ihres weißen Busens bot sich nun seinen Blicken dar. Er ertappte sich bei der Frage, was diesen Busen wohl hielt. Es fiel ihm schwer, nicht zu deutlich hinzustarren. »Ihr seid weit weg von zu Hause, genau wie ich. Besonders die Nächte sind einsam.« »Morgen werde ich mich glücklich schätzen, mit Euch zu reden.« »Aber den Tag über seid Ihr von Leuten umgeben. Bittsteller. Hochlords. Aiel.« Sie schauderte. Er sagte sich, er solle eigentlich nun woandershin schauen, aber genausogut hätte er das Atmen aufgeben können. Noch niemals zuvor, wenn er sich im Nichts befand, hatte er seine körperlichen Reaktionen so deutlich zu spüren bekommen. »Die Aiel ängstigen mich, und ich mag keinen dieser Lords aus Tear.« Das mit den Tairenern nahm er ihr ab, aber andererseits glaubte er nicht, daß diese Frau vor irgend jemandem Angst hatte. Seng mich, sie befindet sich mitten in der Nacht im Schlafzimmer eines fremden Mannes, ist nur dürftig angezogen und ich bin derjenige, der Angst hat wie ein Katze im Hundezwinger, Nichts hin oder her. Es wurde Zeit, diesen Zustand zu beenden, bevor er zu weit führte.

»Es ist besser, wenn Ihr nun in Eure eigenen Gemächer zurückkehrt, Lady.« Etwas in ihm wollte ihr auch noch empfehlen, einen Umhang anzulegen. Einen weniger dünnen Umhang. Etwas — aber... »Es... es ist wirklich zu spät, um sich zu unterhalten. Morgen. Bei Tageslicht.« Sie sah ihn fragend von der Seite her an. »Habt Ihr bereits die steifen Sitten von Tear angenommen, Lord Drache? Oder rührt diese Zurückhaltung von Euren Zwei Flüssen her? Wir sind nicht so... formell... in Mayene.« »Lady... « Er bemühte sich, förmlich und distanziert zu sprechen. Wenn sie das abschreckte, war es genau richtig. »Ich bin Egwene al'Vere versprochen, Lady Berelain.« »Ihr meint die Aes Sedai, Lord Drache? Falls sie wirklich eine ist. Sie ist ziemlich jung — vielleicht zu jung —, um Ring und Stola zu tragen.« Berelain sprach von ihr, als sei Egwene ein Kind, obwohl sie selbst kaum ein Jahr älter als Rand sein konnte, wenn überhaupt, und er war nur wenig mehr als zwei Jahre älter als Egwene. »Lord Drache, ich wollte mich nicht zwischen Euch drängen. Heiratet sie, wenn sie eine Grüne Ajah ist. Ich würde niemals wagen, den Wiedergeborenen Drachen heiraten zu wollen. Vergebt mir, falls ich mich zu weit vorwage, aber ich habe Euch ja gesagt, daß wir in Mayene nicht so... formell sind. Darf ich Euch Rand nennen?« Rand ertappte sich dabei, daß er bedauernd seufzte. In ihrem Blick hatte etwas geglitzert, der Ausdruck ihrer Augen hatte sich ein wenig verändert, aber nur ganz kurz, als sie davon sprach, den Wiedergeborenen Drachen zu heiraten. Falls sie zuvor nicht daran gedacht hatte, hatte sie das jetzt aber bestimmt getan. Den Wiedergeborenen Drachen, nicht Rand al'Thor; die Gestalt aus den Prophezeiungen und nicht den Schäfer von den Zwei Flüssen. Er war darüber nicht weiter schockiert: Auch zu Hause himmelten die Mädchen denjenigen an, der sich als der schnellste oder stärkste bei den Spielen an Bel Tein erwies, und gelegentlich warfen die Frauen ein Auge auf den Mann mit den größten Feldern oder Herden. Es wäre aber doch nett gewesen, glauben zu dürfen, daß sie Rand al'Thor begehre. »Es ist Zeit, daß Ihr geht, Lady Berelain«, sagte er ruhig.

Sie trat näher an ihn heran. »Ich fühle Eure Blicke auf mir, Rand.« Ihre Stimme klang rauchig und erhitzt. »Ich bin kein Mädchen vom Dorf, das seiner Mutter am Schürzenzipfel hängt, und ich weiß, daß Ihr eine Frau... « »Glaubt Ihr, daß ich aus Stein bestehe, Frau?« Sie fuhr zusammen, als er sie anbrüllte, aber im nächsten Moment war sie schon bei ihm, faßte nach ihm, und ihre Augen waren dunkle Teiche, die einen Mann unwiderstehlich in ihre Tiefen zogen.

»Eure Arme wirken so stark wie Stein. Wenn Ihr glaubt, mich grob behandeln zu müssen, dann seid grob zu mir, aber haltet mich fest, bitte.« Ihre Hände berührten sein Gesicht. Von ihren Fingerspitzen schienen Funken zu sprühen.

Ohne zu überlegen, lenkte er eine winzige Menge der Macht, die ihn noch durchströmte, und plötzlich taumelte sie mit weit aufgerissenen Augen rückwärts, als stoße die Luft selbst sie weg. Ihm wurde bewußt, daß er tatsächlich Luft dazu benützt hatte. Häufiger, als ihm bewußt war vollbrachte er Dinge, ohne zu wissen, was er eigentlich tat. Aber wenigstens konnte er sich gewöhnlich hinterher daran erinnern, wie er es künftig anstellen mußte.

Der unsichtbare Luftschwall warf Wellen in dem Teppich, ließ Berelains abgelegtes Gewand davongleiten, ebenso einen seiner beim Ausziehen weggeworfenen Stiefel und ein rotes Lederpolster, auf dem ein geöffnetes Exemplar von Eban Vandes Geschichte des Steins von Tear lag. Berelain wurde fast bis zur Wand zurückgedrängt und dort festgehalten. In sicherem Abstand von ihm. Er nabelte den winzigen Machtstrom ab — ihm fiel kein anderer Ausdruck dafür ein — und mußte nun seine Abschirmung nicht mehr aufrecht erhalten. Einen Augenblick lang prägte er sich genau ein, was er getan hatte, um es später wiederholen zu können. Es schien etwas Nützliches zu sein, besonders das Abnabeln am Ende.

Mit immer noch weit aufgerissenen dunklen Augen tastete Berelain mit zittrigen Händen nach den Wänden ihres unsichtbaren Gefängnisses. Ihr Gesicht war fast so weiß wie ihr spärliches Seidenhemd. Polster, Stiefel und Buch lagen samt ihrem Gewand in wildem Durcheinander zu ihren Füßen.

»So sehr ich das auch bedaure«, sagte er zu ihr, »aber wir werden uns künftig nur noch in der Öffentlichkeit unterhalten, Lady Berelain.« Er bedauerte es tatsächlich. Was sie auch vorhatte — sie war wirklich schön! Seng mich, was bin ich doch für ein Narr! Er war sich selbst nicht ganz im klaren darüber, wie er das gemeint hatte: ihrer Schönheit wegen oder weil er sie wegschickte. »Es ist wahrscheinlich sogar besser, Ihr arrangiert Eure Rückreise nach Mayene so bald wie möglich. Ich verspreche Euch, daß Tear Mayene künftig keine Schwierigkeiten mehr bereiten wird. Ihr habt mein Wort darauf.« Das Versprechen konnte höchstens zeit seines Lebens Gültigkeit haben, oder möglicherweise nur, solange er sich im Stein befand, doch irgend etwas mußte er ihr nun bieten. Ein Pflaster für verletzten Stolz, ein Geschenk, um sie von ihrer Angst abzulenken.

Aber zumindest äußerlich hatte sie sich bereits wieder unter Kontrolle. Ehrlichkeit und Offenheit standen nun in ihrem Gesicht geschrieben, und alles Bemühen, ihn zu verführen, war daraus verschwunden. »Vergebt mir. Ich habe das sehr schlecht angefangen. Ich wollte Euch nicht beleidigen. In meinem Land sagt eine Frau einem Mann ganz offen, was sie will, und umgekehrt natürlich auch. Rand, Ihr müßt doch wissen, daß Ihr ein gutaussehender Mann seid, groß und stattlich. Ich wäre diejenige, die aus Stein bestünde, wenn mir das nicht aufgefallen wäre. Bitte schickt mich nicht weg. Wenn Ihr wünscht, bitte ich Euch auf Knien darum.« Mit einer geschmeidigen, tänzerischen Bewegung kniete sie in ihrem Gefängnis nieder. Ihr Gesichtsausdruck besagte immer noch, daß sie ganz offen sei, alles gestehe, aber andererseits hatte sie es fertiggebracht, im Niederknien ihr sowieso schon knappes Hemd noch weiter herabzuziehen, bis es den Eindruck erweckte, jeden Moment ganz herunterfallen zu können.