Выбрать главу

»Was tust du da, Rhuarc?« wollte Han mit finsterem Blick wissen. »Bringst einen Feuchtländer hierher? Wenn du ihn schon nicht tötest, dann schicke ihn wenigstens vom Platz der Häuptlinge herunter.« »Dieser Mann, Rand al'Thor, ist gekommen, um zu den Clanhäuptlingen zu sprechen. Haben Euch die Traumgängerinnen nicht gesagt, daß er mit mir kommen werde?« Rhuarcs Worte brachten unter den Zuhörern wieder ein lautes Murmeln hervor.

»Melaine hat mir vieles gesagt, Rhuarc«, sagte Bael bedächtig, wobei er beim Anblick Rands wieder die Stirn runzelte. »Daß Er, Der Mit Der Morgendämmerung Kommt, aus Rhuidean zurückgekommen sei. Ihr wollt doch nicht etwa sagen, daß dieser Mann... « Er ließ die Worte ungläubig verklingen.

»Wenn dieser Feuchtländer sprechen darf«, sagte Sevanna schnell, »dann darf Couladin das auch.« Sie hob eine weich wirkende Hand, und Couladin kletterte mit zorngerötetem Gesicht auf den Vorsprung.

Han fuhr ihn an: »Geht hinunter, Couladin! Es ist schlimm genug, daß Rhuarc die Sitten mißachtet; es ist also nicht notwendig, daß Ihr das auch noch tut!« »Es ist Zeit, mit alten, überholten Bräuchen Schluß zu machen!« schrie der Shaido mit dem Feuerkopf, wobei er sein graubraunes Wams abstreifte. Es gab keinen Grund, von dort oben zu schreien, denn die Worte waren überall im Tal zu hören. Trotzdem senkte er die Stimme nicht. »Ich bin Der, Der Mit der Morgendämmerung Kommt!« Er schob seine Hemdsärmel bis zu den Ellbogen hoch und reckte seine Fäuste in die Luft. Um jeden Unterarm wand sich ein schlangenartiges Geschöpf mit roten und goldenen Schuppen und metallisch glitzernden Füßen, die jeweils in fünf goldenen Klauen ausliefen. Die Köpfe mit den goldenen Mähnen lagen über den Außenseiten der Handgelenke. Zwei perfekte Drachen. »Ich bin der Car'a'carn!« Der Aufschrei, der zurückhallte, klang wie Donner. Aiel sprangen auf und jubelten. Auch die Septimenhäuptlinge waren auf den Beinen, die der Taardad besorgt zusammenstehend, und die anderen schrien genauso laut wie die menge.

Die Clanhäuptlinge schienen betäubt — selbst Rhuarc. Adelin und ihre neun Töchter des Speers hatten ihre Speere gepackt, als rechneten sie damit, sie jeden Moment einsetzen zu müssen. Mat blickte zu der breiten Felsspalte hinüber, die aus dem Tal führte, und dann zog er den Hut tiefer und lenkte beide Pferde nahe an den Vorsprung heran, wobei er Rand verstohlen bedeutete, wieder auf sein Pferd zu steigen.

Sevanna lächelte siegessicher und rückte ihren Schal zurecht, als Couladin mit hoch erhobenen Armen an den Rand der Felsplatte trat. »Ich bringe Euch Veränderungen!« schrie er. »Wie es der Weissagung entspricht, bringe ich Euch eine neue Zeit! Wir werden die Drachenmauer wieder überqueren und zurückerobern, was unser war! Die Feuchtländer sind weich, aber auch reich! Ihr erinnert Euch sicher an die Reichtümer, die wir zurückbrachten, als wir das letzte Mal in die Feuchtlande eindrangen! Diesmal nehmen wir alles mit! Diesmal...!« Rand ließ die Tirade des Mannes über sich ergehen. Bei allem hatte er dies nun wirklich nicht erwartet. Wie hat er das gemacht? Das ging ihm immer wieder durch den Kopf, und doch konnte er kaum glauben, wie gelassen er selbst dabei geblieben war. Langsam zog er sein Wams aus. Er zögerte einen Augenblick, bevor er den Angreal aus der Tasche nahm und ihn oben unter den Gürtel in seine Hose steckte. Dann ließ er das Wams fallen und schritt zur Kante des Vorsprungs, wobei er seelenruhig die Bänder an seinen Hemdsärmeln löste. Als er die Arme über den Kopf hob, glitten die Ärmel herab. Die versammelten Aiel brauchten einen Augenblick, bis sie die Drachen entdeckten, die sich auch im Sonnenschein glänzend um seine Unterarme zogen. Einer nach dem anderen schwieg, bis schließlich vollkommene Stille herrschte. Sevanna blieb der Mund offenstehen. Sie hatte das nicht gewußt. Offensichtlich hatte Couladin nicht gedacht, daß Rand ihm so schnell folgen werde, und er hatte ihr wohl auch nicht erzählt, daß noch ein anderer die Zeichen an den Armen aufwies. Wie? Der Mann mußte geglaubt haben, er habe Zeit, und sobald er sich etabliert habe, könne er Rand als Betrüger abschieben. Licht, wie hat er das gemacht? Wenn schon die Dachherrin der Comardafestung völlig verblüfft war, dann waren es die Clanhäuptlinge erst recht, bis auf Rhuarc. Zwei Männer so gezeichnet, wie es der Weissagung nach nur einer sein durfte.

Couladin brüllte weiter und schwenkte die Arme, damit auch bestimmt jeder herblickte: »... werden nicht bei den Ländern der Eidbrecher haltmachen! Wir werden alle Länder bis zum Aryth-Meer einnehmen! Die Feuchtländer können nicht widerstehen, wenn... « Plötzlich wurde ihm bewußt, daß alle schwiegen, wo sie ihm zuvor zugejubelt hatten. Er wußte, was das Schweigen hervorgerufen hatte. Ohne sich zu Rand umzudrehen, schrie er: »Feuchtländer! Seht Euch seine Kleider an! Ein Feuchtländer!« »Ein Feuchtländer«, stimmte ihm Rand zu. Er erhob die Stimme nicht, war aber überall gut zu verstehen. Der Shaido wirkte einen Augenblick lang überrascht, doch dann grinste er triumphierend — bis Rand fortfuhr: »Wie heißt es in der Weissagung von Rhuidean? ›Vom Blute geboren.‹ Meine Mutter war Shaiel, eine Tochter des Speers von den Chumai Taardad.« Wer war sie wirklich? Wo ist sie hergekommen? »Mein Vater war Janduin aus der Eisenbergseptime, der Clanhäuptling der Taardad.« Mein Vater ist Tam al'Thor. Er hat mich gefunden, mich aufgezogen und mir Liebe gegeben. Ich wünschte, ich hätte dich gekannt, Janduin, aber Tam ist mein Vater. »›Vom Blute geboren, aber bei denen aufgewachsen, die nicht vom Blute sind.‹ Wo suchten denn die Weisen Frauen nach mir? In den Festungen des Dreifachen Landes? Sie schickten ihre Späher über die Drachenmauer, wo ich aufwuchs. Wie die Weissagung es beschreibt.« Bael und die anderen drei nickten bedächtig, wenn auch zögernd. Da war immer noch die Tatsache, daß Couladin die Drachen trug, und zweifellos wäre ihnen einer aus ihrer Mitte lieber. Sevannas Gesicht wirkte wieder entschlossen: Gleich, wer die wirklichen Zeichen trug, ihr war klar, wen sie unterstützen würde.

Couladins Selbstvertrauen kam nicht ins Wanken. Er grinste Rand höhnisch an. Es war das erste Mal, daß er ihn überhaupt ansah. »Wie lange ist es her, daß die Weissagung von Rhuidean erstmals ausgesprochen wurde?« Er schien immer noch zu glauben, er müsse schreien. »Wer weiß, wie stark die Worte verändert wurden? Meine Mutter war eine Far Dareis Mai, bevor sie den Speer aufgab. Wie stark hat sich der Rest verändert? Oder wurde verändert? Man behauptet, wir hätten einst den Aes Sedai gedient. Ich behaupte, sie wollen uns wieder an sich binden! Dieser Feuchtländer wurde ausgewählt, weil er uns ähnlich sieht! Er ist nicht von unserem Blut! Er kam mit Aes Sedai, die ihn an der Leine führen! Und die Weisen Frauen haben sie wie Erstschwestern begrüßt! Ihr habt alle von Weisen Frauen gehört, die Dinge jenseits aller Vorstellung vollbringen können. Die Traumgängerinnen haben die Eine Macht benützt, um mich von diesem Feuchtländer fernzuhalten! Sie benützten die Eine Macht, wie man es den Aes Sedai nachsagt! Die Aes Sedai haben diesen Feuchtländer zu uns gebracht, um uns zu täuschen! Und die Traumgängerinnen helfen ihnen!« »Das ist Wahnsinn!« Rhuarc trat neben Rand und blickte hinaus auf die immer noch schweigende Versammlung. »Couladin ist niemals in Rhuidean gewesen. Ich hörte, wie es ihm die Weisen Frauen untersagten. Rand al'Thor aber war dort! Ich sah zu, wie er den Chaendaer verließ, und ich sah ihn wiederkehren mit den Zeichen, die Ihr an ihm seht.« »Und warum wollten sie mich nicht hinlassen?« stieß Couladin wütend hervor. »Weil die Aes Sedai es ihnen befahlen! Rhuarc erzählt Euch nicht, daß eine der Aes Sedai mit diesem Feuchtländer vom Chaendaer herabstieg! Deshalb ist er mit den Drachen zurückgekehrt! Durch die Hexerei der Aes Sedai! Mein Bruder Muradin ist unter dem Chaendaer gestorben, von diesem Feuchtländer und der Aes Sedai Moiraine ermordet, und die Weisen Frauen taten, was die Aes Sedai von ihnen verlangten, und ließen sie laufen! Als die Nacht kam, ging ich nach Rhuidean. Ich habe das bis jetzt nicht verkündet, weil nur dies hier der rechte Ort ist, an dem sich der Car'a'carn zum erstenmal zeigt! Ich bin der Car'a'carn!«