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Er trat einen Schritt auf die Nebelwand zu und blieb mit bereits erhobenem linken Fuß gleich wieder stehen. Der Absatz seines Stiefels war glatt abgeschnitten. Das mußte beim Hängenbleiben an der sich schließenden Tür geschehen sein. Er war sich vage bewußt, daß er trotz der Hitze schauderte. Er hatte nicht gewußt, daß es derart gefährlich war. Der Verlorene besaß all diese Kenntnisse. Asmodean würde ihm nicht entkommen.

Grimmig ordnete er seine Kleidung und steckte die Statuette des kleinen Mannes und sein Schwert entschlossen dorthin zurück, wo sie hingehörten. Dann rannte er auf den Nebel zu und mitten hinein. Graue Blindheit umgab ihn. Hier konnte ihm auch die in ihm angesammelte Macht nicht behilflich sein. Er rannte blindlings weiter.

Dann plötzlich warf er sich zu Boden und wälzte sich den letzten Schritt aus dem Nebel auf die rauhen Pflastersteine. Dort lag er und blickte hoch zu den drei hell leuchtenden Bändern, die im eigenartigen Licht Rhuideans silbrig blau wirkten. Sie schwebten in der Luft und erstreckten sich jeweils ein Stück nach rechts und links. Falls er aufstand, würden sie sich auf Höhe seiner Hüfte, seines Brustkorbs und seines Halses befinden. Sie waren so dünn, daß sie, von der Kante her betrachtet, beinahe nicht mehr zu sehen waren. Ihm war klar, wie sie erzeugt und dort aufgehängt worden waren, auch wenn er es nicht verstand. So hart wie Stahl und so scharf, daß dagegen eine Rasierklinge wie eine Feder gewirkt hätte. Wäre er in sie hineingelaufen, dann hätten sie ihn glatt durchschnitten. Ein kleiner Strom der Macht, und die silbernen Bänder zerfielen zu Staub. Kalter Zorn außerhalb des Nichts; innerhalb: kalte Zielstrebigkeit und die Eine Macht.

Das bläuliche Glühen der Nebelkuppel warf schattenloses Licht auf die halbfertigen, aus großen Platten gebauten Marmor- und Kristallpaläste mit den riesigen Glasflächen und die wolkendurchdringenden, kannelierten oder spiralförmigen Türme. Und auf der breiten Straße vor ihm lief Asmodean vorbei an ausgetrockneten Brunnen in Richtung des großen Platzes im Herz der Stadt.

Rand wollte die Macht gebrauchen, doch es schien auf seltsame Art schwierig geworden zu sein. Er zog an Saidin, riß förmlich daran, bis es in ihn hineintobte. Dann lenkte er die Macht, und mächtige gezackte Blitze schossen aus der Nebelkuppel herab. Er zielte nicht auf Asmodean. Geradewegs vor dem Verlorenen explodierten schimmernde weiße und rote Säulen, fünfzig Fuß dick und hundert Schritt hoch, jahrhundertealt, stürzten in Schutt- und Staubwolken auf die Straße und zerbarsten.

Von riesigen Fenstern aus farbigem Glas aus schienen die Bilder majestätischwürdevoller Männer und Frauen Rand mißbilligend anzublicken. »Ich muß ihn aufhalten«, sagte er zu ihnen. Seine Stimme warf ein Echo in den eigenen Ohren.

Asmodean blieb stehen und sprang vor den zusammenstürzenden Säulen zurück. Die auf ihn zutreibenden Staubwolken berührten seinen glänzend roten Mantel nicht, sondern teilten sich und machten ihm Platz.

Feuer erblühte um Rand, hüllte ihn ein, und die Luft wurde zu Feuer — und dann verschwand alles, bevor ihm überhaupt bewußt war, was er dagegen unternahm. Seine Kleidung war trocken und heiß, das Haar fühlte sich versengt an, und verklebter Staub fiel bei jedem Schritt von ihm ab. Asmodean kletterte über den Schutt auf der Straße. Weitere Blitze zuckten herab und brachten die Pflastersteine ein Stück vor ihm zum Aufbäumen. Steinbrocken flogen durch die Luft. Kristallene Palastwände wurden zerfetzt und verbreiteten Zerstörung vor ihm.

Der Verlorene verlangsamte seinen Schritt trotzdem nicht, und als er in den Staubwolken außer Sicht war, zuckten auch Blitze aus den leuchtenden Wolken auf Rand herab, blindlings geschleudert, aber ganz sicher in der Absicht, zu töten. Im Laufen webte Rand eine Abschirmung um sich herum. Steinbrocken prallten davon ab, als er den knisternden, blauen Blitzen auswich und über die Löcher sprang, die sie in das Pflaster rissen. Die Luft selbst sprühte Funken. Die Haare an seinen Armen stellten sich auf, und selbst sein Kopfhaar stand zu Berge.

Irgend etwas war in die Barriere aus zerschmetterten Säulen verwoben. Er festigte den Schutzschild um sich. Große Brocken roter und weißer Steine explodierten, als er sie packen und darüberklettern wollte. Reines, grelles Licht und herumfliegende Steine konnten ihn nicht aufhalten. Sicher in seiner Schutzblase geborgen, rannte er durch die Lücke und war sich des Grollens zusammenbrechender Gebäude nur am Rande bewußt. Er mußte Asmodean aufhalten. Unter großer Anstrengung — es kostete ihn wirklich Mühe — schleuderte er Blitze nach vorn. Feuerkugeln fetzten aus dem Boden empor. Alles, um den Mann im roten Mantel aufzuhalten. Er holte auf. Den großen Platz betrat er nur noch ein Dutzend Schritt hinter ihm. Er versuchte, noch schneller zu laufen, verdoppelte seine Bemühungen, Asmodean am Weiterkommen und der Flucht zu hindern. Asmodean kämpfte und versuchte, ihn zu töten.

Die Ter'Angreal und andere wertvolle Gegenstände, für deren Transport hierher so viele Aiel ihr Leben geopfert hatten, wurden von Blitzen hochgeschleudert, von wirbelnden Flammenrädern umgestürzt. Kunstvoll gefertigte Konstruktionen aus Silber und Kristall zersplitterten, und fremdartig anmutende Metallformen stürzten um, als der Erdboden bebte und breite Spalten aufrissen.

Asmodean suchte verzweifelt und rannte noch immer weiter. Dann warf er sich auf etwas, was inmitten all dieser Trümmer am unauffälligsten schien: eine aus weißem Stein gehauene, vielleicht einen Fuß lange Figur, die auf dem Rücken lag und einen Mann mit einer Kristallkugel in einer hochgereckten Hand darstellte. Asmodean schloß seine Hände mit einem erleichterten Aufschrei um sie.

Einen Herzschlag später ergriffen auch Rands Hände die Figur. Einen winzigen Augenblick lang nur sah er dem Verlorenen ins Gesicht. Er sah genauso aus wie vorher als Gaukler, nur lag in seinen dunklen Augen eine wilde Verzweiflung. Er war ein durchaus gutaussehender Mann von mittleren Jahren, und nichts zeigte, daß er einen der Verlorenen vor sich hatte. Ein winziger Augenblick, und dann griffen sie beide durch die Figur hindurch, den Ter'Angreal, nach einem der beiden mächtigsten Sa'Angreal, die jemals angefertigt worden waren.

Rand nahm undeutlich eine große, halb begrabene Statue im fernen Cairhien wahr, die in der Hand eine enorme Kristallkugel hielt. Sie glühte wie eine Sonne und pulsierte mit der Einen Macht. Und die Macht in ihm selbst wogte auf wie alle Meere der Welt zusammen im Sturm. Damit ließ sich alles vollbringen. Wahrscheinlich hätte er jetzt sogar das tote Kind wiederbeleben können. Die Verderbnis schwoll im gleichen Maße an und verbog jede Faser seines Seins, kroch in jede Ritze, in seine Seele. Er verspürte den Wunsch, aufzuheulen oder zu explodieren. Und doch hatte er nur die Hälfte dessen aufgenommen, was der Sa'Angreal geben konnte. Die andere Hälfte erfüllte Asmodean.

Hin und her zerrten sie die Figur, stolperten über verstreute und zerbrochene Ter'Angreal, stürzten, aber keiner wagte, auch nur einen Finger von der Figur zu lösen, aus Angst, der andere könne sie ihm entreißen. Und doch wurde gleichzeitig, während sie übereinander rollten, gegen einen Türrahmen aus Sandstein prallten, der auf wundersame Weise stehengeblieben war, dann an eine umgefallene aber unbeschädigte Kristallstatue stießen, die eine nackte Frau mit einem an die Brust gedrückten Kind darstellte, während sie also um den Ter'Angreal rangen, der Kampf auch auf einer anderen Ebene ausgetragen.