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»Also willst du sie beschützen, ob sie will oder nicht?« Sie sagte das in einem Tonfall, der ihm deutlichmachen sollte, daß er einen Fehler beging, doch ihm entging das offensichtlich, und er nickte zustimmend.

»Das ist meine Pflicht gewesen, seit sie geboren wurde. Mein Blut muß vor ihrem fließen, mein Leben vor ihrem geopfert werden. Ich habe diesen Eid geleistet, als ich noch kaum über den Rand ihrer Wiege hinwegblicken konnte. Gareth Bryne mußte mir die Bedeutung erklären. Ich werde diesen Eid doch jetzt nicht brechen. Andor hat sie nötiger als mich.« Er sprach mit einer ruhigen Bestimmtheit, nahm gelassen etwas als natürlich und richtig hin, was ihr einen Schauer über den Rücken jagte. Sie hatte ihn immer für jungenhaft gehalten, wie er so gern lachte und alle neckte, aber jetzt war er wie ein Fremder für sie. Sie glaubte, der Schöpfer müsse wohl müde gewesen sein, als er die Männer schuf. Manchmal erschienen sie ihr kaum noch menschlich. »Und Egwene? Welchen Eid hast du ihretwegen geleistet?« Sein Gesichtsausdruck änderte sich nicht, nur trat er nervös von einem Fuß auf den anderen. »Ich mache mir natürlich auch Sorgen um Egwene. Und um Nynaeve. Was mit Elaynes Begleiterinnen geschieht, könnte auch Elayne passieren. Ich denke, sie sind noch immer beieinander. Als sie noch hier waren, habe ich nur selten die eine ohne die anderen zu Gesicht bekommen.« »Meine Mutter hat mir immer geraten, ich solle einen schlechten Lügner heiraten. Du kommst dafür sicherlich in Frage. Allerdings glaube ich, daß jemand anders mich da ausstechen wird.« »Manche Dinge sind vorbestimmt«, sagte er ruhig, »und manche können niemals sein. Galad hat großen Kummer, weil Egwene weg ist.« Galad war sein Halbbruder. Die beiden waren nach Tar Valon gesandt worden, um unter Anleitung der Behüter zu lernen. Das war eine weitere Tradition in Andor. Galadedrid Damodred war in Mins Augen ein Mann, der bis zum Erbrechen immer nur das Richtige tat, aber Gawyn sah darin nichts Schlechtes. Und er sprach nicht über seine Gefühle für eine Frau, auf die Galad ein Auge geworfen hatte.

Sie hätte ihn am liebsten geschüttelt, etwas Vernunft in ihn hineingeprügelt, aber dazu war jetzt nicht die Zeit. Nicht, wenn die Amyrlin wartete, und nicht bei dem, was sie der wartenden Amyrlin zu berichten hatte. Und ganz bestimmt nicht, wenn Sahra danebenstand, ob sie ihn nun anhimmelte oder nicht. »Gawyn, ich bin zur Amyrlin bestellt. Wo kann ich dich finden, wenn sie mit mir fertig ist?« »Ich werde auf dem Übungsgelände sein. Die einzige Zeit, wo ich mir keine Sorgen mache, ist beim Üben mit dem Schwert, wenn mich Hammar hart rannimmt.« Hammar war ein Schwertmeister und der Behüter, der dieses Können an die Schüler weitergeben sollte. »An den meisten Tagen bin ich bis Sonnenuntergang dort.« »Also gut. Ich komme, sobald ich kann. Und gib acht, was du sagst. Wenn du die Amyrlin zu sehr aufregst, müssen Elayne und Egwene vielleicht darunter leiden.« »Das kann ich nicht versprechen«, entgegnete er mit fester Stimme. »Irgend etwas stimmt mit der Welt nicht mehr. Bürgerkrieg in Cairhien. Das gleiche und noch schlimmeres in Tarabon und Arad Doman. Falsche Drachen. Auseinandersetzungen und Gerüchte und Probleme, wohin man schaut. Ich behaupte nicht, daß die Burg dahintersteckt, aber selbst hier läuft nicht alles, wie es sein soll. Oder wie es den Anschein hat. Das Verschwinden Elaynes und Egwenes ist ja nicht alles. Aber sie sind natürlich das, was mich am meisten bewegt. Ich werde herausfinden, wo sie sich aufhalten. Und falls sie verletzt wurden... Falls sie tot sind... « Er machte eine finstere Miene, und einen Augenblick lang war sein Gesicht für sie wieder eine blutige Maske. Mehr: Über seinem Kopf schwebte ein Schwert und dahinter wehte eine Flagge im Wind. Auf der leicht gekrümmten Klinge des Schwertes mit dem langen Griff, wie es die Behüter benützten, war ein Reiher eingraviert, das Kennzeichen eines Schwertmeisters, und Min wußte nicht, ob es Gawyn gehörte oder ihn bedrohte. Die Flagge trug Gawyns Wappen mit dem angreifenden Weißen Keiler, aber der Untergrund war grün und nicht rot wie auf der Flagge Andors. Sowohl Schwert wie auch Flagge verblaßten zusammen mit dem Blut.

»Sei vorsichtig, Gawyn.« Das war auf zwei verschiedene Dinge gemünzt. Vorsichtig mit dem, was er sagte, und vorsichtig auf eine Art, die sie ihm nicht erklären konnte, die ihr selbst unerklärlich war. »Du mußt sehr vorsichtig sein.« Er suchte in ihrem Gesicht nach einer Andeutung dessen, was er herauszuhören geglaubt hatte. »Ich... werde mir Mühe geben«, sagte er schließlich. Er grinste. Es war beinahe das jungenhafte Grinsen, an das sie sich noch erinnerte, aber es war ganz eindeutig gekünstelt. »Ich denke, ich sollte nun besser wieder auf das Übungsgelände zurückkehren, wenn ich mit Galad schritthalten will. Ich habe heute morgen zwei von fünf Gängen gegen Hammar gewonnen, aber Galad hat tatsächlich dreimal gesiegt, beim letztenmal, als er sich herabließ, auf dem Übungsgelände zu erscheinen.« Mit einem Mal schien er sie erst richtig zu bemerken, und sein Grinsen wurde ehrlich. »Du solltest öfters Kleider tragen. Das steht dir gut. Denk daran, ich werde bis Sonnenuntergang dort sein.« Als er ging und dabei ein wenig von der tödlichen Grazie der Behüter verströmte, wurde Min bewußt, daß sie sich das Kleid an der Hüfte glattstrich, und sie hörte sofort damit auf. Licht, versenge alle Männer!

Sahra atmete tief aus, als habe sie die ganze Zeit über die Luft angehalten. »Er sieht sehr gut aus, nicht wahr?« sagte sie verträumt. »Nicht so gut wie Lord Galad natürlich. Und Ihr kennt ihn ja tatsächlich!« Das war zur Hälfte als Frage gemeint, aber nur zur Hälfte eben.

Min ahmte das Seufzen der Novizin nach. Das Mädchen würde in den Quartieren der Novizinnen mit ihren Freundinnen klatschen. Der Sohn einer Königin war ein natürliches Gesprächsthema, besonders wenn er auch noch gut aussah und etwas von den Helden aus den Geschichten der Gaukler an sich hatte. Eine fremde Frau machte das Ganze nur noch interessanter. Nun ja, sie konnte nichts dagegen machen. Und es konnte jetzt wohl auch kaum mehr schaden.

»Die Amyrlin wird sich schon fragen, wo wir nur bleiben«, sagte sie.

Sahra kam plötzlich wieder zur Besinnung. Die Augen weit aufgerissen, fuhr sie zusammen und schluckte vernehmlich. Dann packte sie mit einer Hand Min am Ärmel, zerrte sie zur Tür, öffnete hastig einen Flügel und zog Min hinter sich her hinein. In dem Augenblick, als sie drinnen waren, knickste die Novizin eiligst und plapperte voller Panik: »Ich habe sie gebracht, Leane Sedai. Frau Elmindreda? Die Amyrlin will sie wirklich sehen?« Die hochgewachsene Frau mit der kupferfarbenen Haut im Vorraum trug die Stola der Behüterin der Chronik, und zwar in Blau, um zu zeigen, daß sie der Blauen Ajah entstammte. Mit den Fäusten auf die Hüften gestützt wartete sie, bis das Mädchen fertig war, und dann entließ sie die Novizin mit einem knappen: »Hast lange genug gebraucht, Kind. Jetzt zurück an deine Arbeit.« Sahra knickste wieder und trippelte genauso schnell hinaus, wie sie eingetreten war.

Min stand da, den Blick gesenkt und die Kapuze immer noch weit nach vorn gezogen. Vor Sahra einen Fehler zu begehen war schon schlimm genug gewesen, obwohl die Novizin wenigstens ihren Namen nicht kannte, aber Leane kannte sie besser als jede andere in der Burg bis auf die Amyrlin. Min war sicher, daß das jetzt keine Rolle mehr spielte, aber nach dem, was sie draußen im Flur erfahren hatte, wollte sie sich besser an Moiraines Anweisungen halten, bis sie mit der Amyrlin allein war.

Diesmal halfen ihr die guten Absichten jedoch nicht. Leane war mit zwei Schritten bei ihr, schob die Kapuze zurück und knurrte, als habe man ihr einen Schlag in den Magen versetzt. Min hob den Kopf und sah sie trotzig an, als wolle sie ihr zeigen, daß sie sich nicht hatte an ihr vorbeistehlen wollen. Glattes, dunkles Haar, nur ein wenig länger als ihr eigenes, umrahmte das Gesicht der Behüterin, das nun sowohl Überraschung zeigte wie auch Ärger darüber, daß sie überrascht war.