«Nicht allzugut.«
«O weh!«
«Ja, o weh! Ich kann nicht dafür, daß mein Korpus nur aus schweren Knochen besteht. Und ich glaube, meine Knochen haben ein noch viel größeres Gewicht als diejenigen eines jeden andern Menschenkindes.«
«Also mit der Schnelligkeit ist's nichts. Hältst du denn aber aus?«
«Aushalten? Pah! So lange wie Ihr wollt. Kräfte habe ich ja genug; aber mit dem Vorwärtskommen hapert es. Ich werde meinen Skalp wohl hergeben müssen.«
«Das ist noch nicht so bestimmt zu sagen. Noch verliere ich nicht die Hoffnung. Hast du vielleicht auch schon auf dem Rücken geschwommen?«
«Ja, und da scheint es leichter zu gehen.«
«Allerdings macht man die Erfahrung, daß hagere und ungeübte Leute hinten besser schwimmen als vorn. Lege dich also auf den Rücken; nimm den Kopf recht tief und die Beine hoch; stoße recht regelmäßig und ausgiebig mit den Füßen aus, und hole stets nur dann Atem, wenn du die Hände unter den Rücken schlägst.«
«Well! Aber das kann nichts nützen, denn dieser» rote Fisch «wird mich trotzdem ausstechen.«
«Vielleicht doch nicht, wenn mir meine List gelingt.«
«Welche?«
«Du mußt mit der Strömung schwimmen und er gegen dieselbe.«
«Ach, wäre das zu machen? Ist denn eine Strömung vorhanden?«
«Ich vermute es. Wenn sie fehlte, wärst du freilich verloren.«
«Wir wissen ja noch gar nicht, wo geschwommen werden soll.«
«Natürlich drüben auf dem See, welcher eigentlich nur ein Teich ist. Er ist länglichrund, fünfhundert Schritte lang und dreihundert breit, ungefähr, wie man von hier aus zu schätzen vermag. Das Berggewässer stürzt sich mit großem Gefälle hinein, und zwar, wie es scheint, nach dem linken Ufer hin. Das ergibt also eine Strömung, welche an diesem Ufer hingeht, drei Viertel um den See bis an den Ausfluß desselben. Laß mich nur machen. Wenn es menschenmöglich ist, werde ich es dahin bringen, daß du mit dieser Strömung den Gegner schlägst.«
«Das sollte ein Gaudium sein, Sir! Und ich setze den Fall, es gelänge mir, soll ich da den Kerl erstechen?«
«Hast du Lust dazu?«
«Er würde mich jedenfalls nicht schonen, schon um meines bißchen Hab und Gutes willen.«
«Das ist richtig. Aber auch ganz abgesehen davon, daß wir Christen sind, liegt es in unserm eigenen Vorteile, Milde walten zu lassen.«
«Schön! Aber was werdet Ihr thun, wenn er mich besiegt und mit dem Messer auf mich loskommt? Ich darf mich doch nicht wehren!«
«In diesem Falle werde ich es zu erzwingen wissen, daß mit dem Töten so lange gewartet wird, bis alle Einzelkämpfe zu Ende geführt sind.
«Well, das ist ein Trost selbst für den schlimmsten Fall, und ich bin nun beruhigt. Aber, Jemmy, wie steht es mit dir?«
«Nicht besser als mit dir, «antwortete der Dicke.»Mein Gegner heißt» großer Fuß«. Weißt du, was das zu bedeuten hat?«
«Nun?«
«Er steht so fest auf den Füßen, daß ihn niemand niederbringt. Und ich, der ich um zwei Köpfe kleiner bin als er, soll das vermögen? Und Muskeln hat dieser Mensch wie ein Nilpferd. Was ist da mein Fett dagegen!«
«Nicht bange machen lassen, lieber Jemmy, «tröstete Old Shatterhand.»Ich bin ja ganz in derselben Lage. Der Häuptling ist bedeutend höher und breiter als ich. aber an der Gewandtheit wird es ihm wohl mangeln. und ich möchte behaupten, daß ich auch mehr Muskelkraft besitze, als er.«
«Ja, Ihre Muskelkraft ist ein Phänomen, eine Ausnahme. Aber ich gegen diesen» Großfuß«! Ich werde mich wehren, solange ich es vermag, aber unterliegen werde ich dennoch. Ja, wenn es hier auch so eine Strömung, so eine List gäbe!«
«Die is ja da!«fiel der Hobble-Frank ein.»Wenn ich's mit diesem Florian zu thun hätte, so wär' mirsch gar nich angst.«
«Du? Du bist doch noch schwächer als ich!«
«Am Leibe, ja, aber nich am Geiste. Und mit dem Geiste muß man siegen. Verschtehste mich?«
«Was thu' ich mit dem Geiste gegen einen solchen Muskelmenschen!«
«Siehste, so biste! Alles und ooch schtets, alles weeßte besser als ich; aber wenn sich's ums Leben und Schkalpieren handelt, so sitzest du da wie die Fliege in der Buttermilch. Du zappelst mit Händen und Füßen und kommst doch nich raus.«
«So schieße los, wenn du einen guten Einfall hast!«
«Einfall! Was das nu schon wieder für eene Rede is! Ich brauch' keenen Einfall, ich bin ooch ohne Einfälle schtets geistreich. Denke dich nur mal richtig in deine Lage hinein! Ihr zwee beede schtellt euch mit dem Rücken gegenenander, und man bindet euch über dem Bauche zusammen, grad wie das schöne Schternbild der siamesischen Zwillinge von der Milchschtraße herunter. Jeder kriegt een Messer in die Hand, und dann geht das Reitergefecht los. Wer den andern unter sich bringt, is Sieger. Wie aber kann man in eener solchen Schtellung den Gegner unter sich bringen? Doch nur dadurch, daß man ihm den Halt aus den Füßen nimmt, was dadurch geschehen kann, daß man ihn von hinten mächtig an die Waden tritt oder den Fuß um den seinen schlingt und diesen wegzureißen sucht. Habe ich recht oder nich?«
«Ja. Nur weiter.«
«Nur sachte! Das muß alles mit Bedacht geschehen und hat keene Eile. Gelingt das Experiment, so purzelt der Gegner off die Nase und man kommt off ihn zu liegen, aber nämlich leider mit dem Rücken off seinen Rücken, wobei man das europäische Gleichgewicht sehr leicht selber verlieren kann. Eegentlich müßtet ihr so zusammengebunden werden, daß ihr mit den Gesichtern gegenenander schteht. Ob die Roten mit dem umgekehrten Schtaatsverhältnisse irgend eene List verbinden, das kann ich jetzt noch nich durchschauen; aber so viel weeß ich genau, daß ihre Hinterlist dir nur Nutzen bringen wird.«
«Auf welche Weise denn? So rede doch nur endlich!«drängte Jemmy.
«Herrjemerschneeh, ich rede doch schon eene ganze Viertelschtunde lang! So höre nur! Der Rote wird dich von hinten mit den Füßen treten, um dir das Been auszuheben und dich aus dem Gleichgewichte zu bringen. Das schadet dir gar nischt, denn bei der konfessabeln Schtärke deiner Waden fühlst du seine Tritte erscht vierzehn Monate hinterher. Jetzt wartest du eenen Oogenblick ab, an welchem er wieder schtößt und also nur off eenem Beene schteht. Da beugst du dich mit aller Gewalt nach vorne nieder, hebst ihn also off deinen Rücken, schneidest rasch den Schtrick oder Riemen entzwee, mit dem ihr zusammengebunden seid, und wippst ihn mit eenem schnellen Schwipps über deinen Kopf weg off die Erde runter. Dann aber oogenblicklich droff, den Kerl bei der Gurgel gepackt und ihm das Messer offs Herz gesetzt. Haste mich begriffen, alter Schneesieber?«
Old Shatterhand hielt dem Kleinen die Hand hin und sagte:»Frank, du bist kein übler Kerl. Das hätte ich wirklich nicht besser aussinnen können. Diese Anweisung ist ausgezeichnet und muß zum Ziele führen.«
Franks ehrliches Gesicht glänzte vor Entzücken, als er die ihm dargebotene Hand schüttelte und dabei sagte:»Schon gut, schon gut, liebster Obermeester! Off so etwas ganz und gar Selbstverschtändliches kann ich mir nich viel einbilden. Meine Meriten und Astern blühen wo ganz anders. Aber es is eben wieder mal een Beweis dafür, daß der Diamant von unvernünftigen Menschen oft für eenen Ziegelschteen gehalten wird. Darum denke — «
«Kieselstein, nicht Ziegelstein, «unterbrach ihn Jemmy.»Himmel, wäre das ein Diamant, welcher die Größe eines Ziegelsteines hätte!«
«Schweigste wohl gleich schtille, du alter, unverbesserlicher Krakehler! Ich rette dir mit meiner Geistesüberlegenheet das Leben, und du wirfst mir als Dank dafür meinen ungeschliffenen Ziegelschteen an den Kopp! Een schöner Kerl, wer solche Mucken hat! Haste denn mal eenen Diamanten gefunden?«
«Nein.«
«So rede doch nich von solchen Dingen!«
«Hast denn du einen gefunden?«
«Ja. Der Moritzburger Glaser hatte den seinigen verloren, und ich hob ihn von der Gasse off. Ich war damals een junger Mensch und bekam für meine Ehrlichkeet een Geschenk, welches ungeheuern Wert hatte. Der Glaser war nämlich zugleich Krämer und schenkte mir eene thönerne Tabakspfeife für zwee Pfennige und een halbes Päckchen Kraustabak für eenen Dreier. Das is mir unvergeßlich geblieben, und du siehst also, daß ich gar wohl von Diamanten schprechen kann. Wenn du nich endlich mal offhörst, dich so an mir zu reiben, so kann es leicht so weit kommen, daß ich dir meine Freundschaft offsage, und dann wirschte ja sehen, ob du ohne mich durch die Welt zu kommen vermagst. Hier is doch weder die Zeit noch der Ort zu Zank und Schtreit. Wir schtehn alle vor unserm letzten Lebenslichte und haben die heilige Verpflichtung, eener dem andern mit Rat und That beizuschtehen anschtatt uns zu ärgern. Wenn wir in eener Schtunde abgemurxt werden sollen, warum wollen wir uns da jetzt noch die kostbare Gesundheet schädigen und uns durch Grobheeten das Leben verkürzen? Ich dächte, es wäre nu endlich gerade Zeit, Verschtand anzunehmen.«