Выбрать главу

Der Hirsch schien sich verschwinden lassen zu wollen; aber der Häuptling rief ihn zu sich und fuhr ihn an:»Wer hat gesiegt?«

«Das Bleichgesicht, «lautete die furchtsame Antwort.

«Warum bist du nach der Fichte gelaufen?«

«Das Bleichgesicht log mich an. Es sagte, bei der Fichte sei das Ziel.«

«Und du glaubtest es? Ich hatte dir das Ziel genannt!«

Old Shatterhand übersetzte dem Hobble-Frank, daß er ein Lügner genannt worden sei. Darum verteidigte sich der verschmitzte Kleine, indem er sich an den Häuptling wendete:»Ich soll gelogen haben? Ich soll dem Hirsch gesagt haben, die Fichte sei sein Ziel? Das ist nicht wahr. Ich sah ihn an der Buche stehen; er betrachtete mich erstaunt und schien vor Angst und Sorge, was ich im Schilde führe, vergehen zu wollen. Da fühlte ich Mitleid mit dem Armen und rief ihm zu» Intsch ovomb!«Ich sagte ihm also, daß ich nach der Fichte wolle. Warum er dann an meiner Stelle hingelaufen ist, das vermag ich nicht zu enträtseln; vielleicht weiß er es selber nicht. Ich habe gesprochen. Howgh!«

Old Shatterhand mußte innerlich lachen, daß der kleine ironische Tausendsasa sich der indianischen Ausdrucksweise bediente. Den Häuptling aber brachte das in noch größeren Zorn, er rief:»Ja, du hast gesprochen und bist fertig; aber ich bin noch nicht fertig und werde mit dir sprechen, wenn nachher die Zeit gekommen ist. Wort halten aber muß ich. Das Leben, der Skalp und das Eigentum des» springenden Hirsches «gehören dir.«

«Nein, nein!«wehrte der Kleine ab.»Ich mag nichts haben. Behaltet ihn hier bei euch; ihr könnt ihn wohl gebrauchen, besonders wenn es einen Wettlauf mit einem Bleichgesichte um das Leben gilt.«

Unter den Roten ging ein leises, zorniges Murmeln um, und der Häuptling knirschte ihm zu:»Jetzt magst du noch giftige Reden speien; später wirst du um Gnade wimmern, daß es bis zum Himmel schallt. Jedes einzelne Glied deines Körpers soll besonders sterben, und deine Seele soll stückweise aus dir fahren, daß dein Sterben viele Monde währt.«

«Was könnt ihr mir thun? Ich habe gesiegt und bin also frei.«

«Noch ist einer da, der noch nicht gesiegt hat, Old Shatterhand. Warte einige Augenblicke, so wird er vor mir im Staube liegen und um sein Leben flehen. Ich werde es ihm gegen das deinige schenken, und dann bist du mein Eigentum.«

«Irre dich nicht!«warnte Old Shatterhand ernst.»Noch liege ich nicht vor dir. Und wenn dir gelänge, was noch keinem gelungen ist, nämlich mich zu besiegen, so würde ich nicht mein Leben um dasjenige eines andern eintauschen.«

«Warte bis nachher! Jetzt bist du unverletzt; aber unter den Qualen, welche deiner warten, wird dein Stolz sich beugen und dein Sinn sich ändern, so daß du mir tausend Leben für das deinige bieten würdest, wenn du sie hättest! Kommt alle mit mir; es geht zum letzten, größten und entscheidendsten Kampfe!«

Die Roten folgten dem Häuptling in wirrem Haufen; die Weißen schritten langsam hinterdrein.

«Habe ich etwa zu viel gesagt?«fragte der Hobble-Frank besorgt.

«Nein, «antwortete Old Shatterhand.»Es ist ganz gut, daß ihr Kriegerstolz sich einmal selbst vor so einem kleinen Kerl beugen muß. Freilich, wenn der Häuptling mich tötete, so wäret auch ihr verloren, denn man würde sofort über euch herfallen. Aber es ist ihnen auch in dem höchst wahrscheinlichen Falle, daß ich Sieger werde, nicht zu trauen. Ich bin, ohne ganz bestimmte Gründe dazu zu haben, der Überzeugung, daß die Roten uns auf keinen Fall friedlich ziehen lassen werden. Sie entschlossen sich für den Einzelkampf, weil sie fest glaubten, daß wir alle fallen würden. Nun das vergeblich gewesen ist, werden sie auf andres sinnen. Die Hauptsache ist, daß wir ihnen imponieren. Das hat sie bis jetzt im Zaum gehalten und wird uns auch ferner nützlich sein. Und darum freue ich mich, daß du so furchtlos zu dem» großen Wolf «gesprochen hast, du, der Knirps zum Goliath. Er ist darüber zwar in Grimm geraten, aber er hat nun erfahren, daß selbst der Kleinste unter uns keine Spur von Furcht empfindet. Nun gilt es, ihn selbst vor seinen Leuten klein zu machen. Das werde ich besorgen, indem ich mich jetzt mit ihm messe. Mir scheint, sie wollen uns als Geiseln hier behalten, eine Absicht, welche wir ihnen durchkreuzen müssen, weil wir keinen Augenblick unsres Lebens sicher wären.«

Während dieser Erklärungen des Jägers waren sie an den Kreis gelangt, welcher von den Zelten und Hütten gebildet wurde. Im Mittelpunkte desselben wurden die Vorbereitungen zu dem bevorstehenden, hochinteressanten Zweikampfe getroffen.

Dort ragte aus einem Haufen zentnerschwerer, zusammengetragener Steine ein starker Pfahl empor, an welchem zwei Lassos befestigt wurden. Um diesen Platz standen alle männlichen und weiblichen Bewohner des Lagers, um Zeuge des Schauspieles zu sein. Old Shatterhand richtete sein Augenmerk darauf, daß die roten Krieger alle vollständig bewaffnet waren, ein Umstand, welcher auf seine Befürchtungen nicht beruhigend zu wirken vermochte. Er beschloß, dem entgegenzuarbeiten, und trat in die Mitte des Kreises, wo der Häuptling sich bereits befand. Dieser zeigte eine sehr siegesgewisse Haltung. Er deutete auf die beiden Lassos und. sagte:»Du siehst diese Riemen. Weißt du, wozu sie bestimmt sind?«

«Ich kann es mir denken, «antwortete der Jäger.»Wir sollen während des Kampfes angebunden sein.«

«Du hast richtig geraten. Das eine Ende des Lassos hängt an dem Pfahle; das andre bekommen wir um den Leib gebunden.«

«Warum?«

«Damit wir uns nur in diesem engen Kreise bewegen und einander nicht entfliehen können.«

«Was mich betrifft, so ist diese Maßregel überflüssig, denn es wird mir nicht einfallen, vor dir davonzulaufen. Ich kenne den eigentlichen Grund. Du traust mir mehr Schnelligkeit und Gewandtheit als Stärke zu, und willst mich durch diese Fessel verhindern, diese Überlegenheit in Anwendung zu bringen. Sei es; es ist mir sehr gleichgültig! Mit welchen Waffen kämpfen wir?«

«Es bekommt jeder ein Messer in die linke und einen Tomahawk in die rechte Hand. Damit wird gekämpft, bis einer von uns beiden tot ist.«

Es war klar, daß der Häuptling diese Kampfesweise gewählt hatte, weil er glaubte, dem Weißen in derselben überlegen zu sein. Doch erklärte dieser sehr ruhig:»Ich bin einverstanden.«

«Einverstanden? Mit deinem Tode? Es ist gewiß, daß ich dich besiege.«

«Warten wir es ab!«

«Prüfe erst einmal deine Kraft, und versuche, ob du mir das nachmachen kannst!«

Er trat zu einem der schweren Steine und hob ihn empor. Er besaß eine ungeheure Körperkraft, und es war sicher, daß keiner seiner Roten es ihm hätte nachmachen können. Old Shatterhand bückte sich nieder, um denselben Stein aufzuheben, brachte ihn aber trotz aller scheinbaren Anstrengung nicht drei Zoll hoch empor. Ein befriedigtes» Uff!«erklang im Kreise der Indianer. Der kleine Sachse aber sagte zu dem dicken Jemmy:»Er verschtellt sich nur, um den Häuptling sicher zu machen. Ich weeß ganz genau, daß er diesen Schteen bis über den Kopf heben und ooch noch zehn Schritte weit fortschleudern kann. Warten wir es nur ab, bis es zur Perplexion kommt. Da wird der Rote sein blaues Wunder sehen.«

Dieser letztere hegte aber die entgegengesetzte Ansicht. Er hatte den Weißen mit seiner Kraftprobe mutlos machen wollen und war überzeugt, daß ihm dies gelungen sei. Darum sagte er im Tone der Nachsicht:»Du siehst, was du zu erwarten hast. Die Bleichgesichter pflegen zu beten, wenn sie vor dem sicheren Tode stehen. Ich erlaube dir, zu deinem Manitou zu sprechen, bevor der Kampf beginnt.«

«Das ist nicht nötig, «antwortete Old Shatterhand.»Ich werde erst dann mit ihm sprechen, wenn meine Seele zu ihm kommt. Du bist ein starker Mann, und ich hoffe, daß du dich in diesem Kampfe nur auf dich allein verlässest!«