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Glücklicherweise dachte der Häuptling gar nicht daran, das Beil zu werfen. Wenn er nicht traf, so war es aus seiner Hand, und er konnte es nicht wieder bekommen.

So standen sie fünf Minuten, zehn Minuten, und keiner bewegte sich vorwärts. Schon ließen die roten Zuschauer Ausrufe der Anfeuerung oder gar Mißbilligung hören. Der» rote Wolf «forderte seinen Gegner höhnisch auf, zu beginnen; er rief ihm Beleidigungen zu. Old Shatterhand sagte nichts; seine Antwort bestand darin, daß er sich niedersetzte und eine so ruhige und unbefangene Haltung annahm, als ob er sich in der friedlichsten Gesellschaft befinde. Aber seine Muskeln und Sehnen waren bereit, sofort in die schnellste und kräftigste Aktion zu treten.

Der Häuptling nahm dieses Verhalten als einen Ausdruck der Geringschätzung, also als Beleidigung auf, während es doch nichts als eine Kriegslist war, welche ihn zur Unvorsichtigkeit reizen sollte. Sie erreichte diesen Zweck vollständig. Er glaubte, mit einem sitzenden Feind leichter fertig werden zu können und diesen Umstand schnell benutzen zu müssen. Einen lauten Kriegsruf ausstoßend, sprang er auf Old Shatterhand ein, den Tomahawk zum tödlichen Hiebe erhoben. Schon glaubten die Roten, diesen Hieb sitzen zu sehen; schon öffneten sich viele Lippen zum Jubelgeschrei, da schnellte der Weiße seitwärts empor — das mit Absicht verkehrt gehaltene Messer that seine Schuldigkeit; der Hieb ging fehl; die niedersausende Faust fuhr in die blitzschnell emporgehaltene Klinge, so daß sie das Kriegsbeil fallen ließ; ein rascher Hieb Old Shatterhands gegen den linken Arm des Roten, und diesem flog auch das Messer aus der Hand, und dann schlug der Weiße seinem Gegner mit einem fast unsichtbar schnellen Hiebe den harten Griff des Bowiemessers mit solcher Kraft auf die Gegend des Herzens, daß der Rote wie ein Sack zur Erde flog und dort liegen blieb. Old Shatterhand erhob das Messer und rief:»Wer ist der Sieger?«

Keine Stimme antwortete. Selbst diejenigen, welche es für möglich gehalten hatten, daß ihr Häuptling unterliegen könne, hatten nicht geglaubt, daß es so schnell und in dieser Weise geschehen könne. Die Leute standen wie erstarrt.

«Er selbst hat gesagt, daß der Skalp des Besiegten dem Sieger gehöre, «fuhr Old Shatterhand fort.»Sein Schopf ist also mein Eigentum; aber ich will ihn nicht haben. Ich bin ein Christ und ein Freund der roten Männer und schenke ihm das Leben. Vielleicht habe ich ihm eine Rippe eingeschlagen; aber tot ist er nicht. Meine roten Brüder mögen ihn untersuchen; ich aber gehe nach meinem Zelte.«

Er band sich los und ging. Niemand hinderte ihn daran, und niemand hinderte auch Davy und Jemmy, ihm zu folgen. Jeder wollte sich zunächst überzeugen, wie es mit dem» großen Wolfe «stehe, und darum drängten alle zu ihm hin. Infolgedessen erreichten die Jäger ganz unbeachtet ihr Zelt. Hinter demselben lagen ihre Waffen, und da stand auch der Hobble-Frank mit den Pferden.

«Schnell aufsteigen und fort!«sagte Old Shatterhand.»Reden können wir später.«

Sie schwangen sich auf und ritten davon, erst langsam und hinter den Zelten und Hütten Deckung suchend. Dann aber wurden sie von den Wachen bemerkt, welche auch jetzt am Tage außerhalb des Lagers Wache standen. Diese stießen das Kriegsgeheul aus und schossen nach ihnen. Darum gaben die Weißen ihren Pferden die Sporen, um sie in Galopp zu setzen. Sich umschauend, sahen sie, daß das Rufen und Schießen der Wächter die andern aufmerksam gemacht hatte. Die Roten quollen förmlich zwischen den Zelten hervor und sandten den Entkommenen ein satanisches Geheul nach, welches von dem Echo der Berge vielfach zurückgeworfen wurde.

Die Jäger galoppierten in gerader Richtung über die Ebene nach der Stelle zu, in welcher sich das Bergwasser in den See stürzte. Old Shatterhand kannte die Gegend gut genug, um zu wissen, daß das Thal dieses Baches das schnellste Entkommen biete. Er war überzeugt, daß die Utahs sofort zur Verfolgung aufbrechen würden, und mußte sich also einer Gegend zuwenden, in welcher es den Roten möglichst schwer wurde, sich auf der Fährte zu halten.

Dreizehntes Kapitel

Edelmut Old Shatterhands

Es war an demselben Morgen, als an dem Bache, welchem gestern abend die Utahs mit ihren Gefangenen gefolgt waren, ein Reitertrupp aufwärts ritt. An der Spitze desselben befand sich Old Firehand mit der Tante Droll. Hinter ihnen ritten Humply-Bill und der Gunstick-Uncle mit den englischen Lord; kurz, es waren die Weißen alle, welche das bereits erzählte Abenteuer am Eagle-tail erlebt hatten und dann nach den Bergen aufgebrochen waren, um nach dem Silbersee zu gelangen. In Denver war Butler, der Ingenieur, mit Ellen, seiner Tochter, zu ihnen gestoßen. Er hatte sich von der Farm seines Bruders direkt dorthin begeben, da es nicht seine Absicht hätte sein können, sein Kind den Gefahren eines abermaligen Zusammentreffens mit den Tramps auszusetzen. Das Mädchen, welches sich auf keinen Fall von dem Vater hatte trennen mögen und ihm zuliebe mit in die Wildnis ging, saß in einer Art von Sänfte, welche von zwei kleinen, aber ausdauernden indianischen Ponies getragen wurde.

Winnetou war jetzt nicht zu sehen, da er als Kundschafter, wozu er sich außerordentlich eignete, voranritt. Zufälligerweise hatte der Weg, welcher von ihm und Old Firehand vorgezeichnet worden war, den Trupp nach dem Walde und über die Blöße geführt, auf welcher Old Shatterhand und seine Begleiter mit den Utahs zusammengetroffen waren. Die beiden Anführer waren erfahren und scharfsinnig genug, die Spuren lesen zu können; sie hatten gesehen, daß Weiße von den Indianern gefangen genommen worden seien, und waren sofort bereit gewesen, der Fährte zu folgen, um vielleicht Hilfe zu bringen.

Sie ahnten nicht, daß von den Utahs das Kriegsbeil ausgegraben worden sei. Sowohl Winnetou als auch Old Firehand wußten sich mit diesem Stamme in tiefstem Frieden, und beide waren überzeugt, bei demselben eine freundliche Aufnahme zu finden und ein gutes Wort für die gefangenen Weißen einlegen zu dürfen.

Wo die Roten ihr Lager aufgeschlagen hatten, wußten sie nicht genau; aber sie kannten den See, und da die Umgebung desselben sich prächtig zum Kampieren eignete, so glaubten sie, die Utahs dort zu finden. Trotz der vorausgesetzten freundlichen Gesinnung wäre es ganz und gar gegen den Gebrauch des Westens gewesen, sich ihnen zu zeigen, ohne sie vorher beobachtet zu haben. Darum war Winnetou vorangeritten, um zu rekognoszieren. Eben als der Trupp die Stelle, an welcher die Ufer des Baches auseinander traten, um die Ebene zu bilden, erreicht hatte, kehrte der Apache zurück. Er kam im Galopp geritten und winkte schon von weitem, daß man anhalten solle. Das war kein gutes Zeichen, und darum fragte Old Firehand, als Winnetou vollends herangekommen war:»Mein Bruder will uns warnen. Hat er die Utahs gesehen?«

«Ich sah sie und ihr Lager.«

«Und Winnetou durfte sich ihnen nicht zeigen?«

«Nein, denn sie haben das Beil des Krieges ausgegraben.«

«Woran war das zu erkennen?«

«Aus den Farben, mit denen sie sich bemalt hatten, und auch daraus, daß ihrer so viele beisammen sind. Die roten Krieger vereinigen sich zu so vielen nur im Kriege und zur Zeit der großen Jagden. Da wir uns nicht in der Jahreszeit der Büffelzüge befinden, kann es nur das Schlachtbeil sein, um welches sich so viele geschart haben.«

«Wie groß ist ihre Zahl?«

«Winnetou konnte das nicht genau sehen. Es standen wohl dreihundert am See, und in den Zelten werden sich wohl auch welche befunden haben.«

«Am See? So viele? Was hat es da gegeben? Vielleicht ein großes Fischtreiben?«

«Nein. Beim Treiben der Fische bewegen die Menschen sich vorwärts; diese aber standen still und blickten ruhig in das Wasser.«

«Alle Teufel! Sollte das etwa eine Exekution bedeuten? Sollte man die Weißen in das Wasser geworfen haben, um sie zu ertränken?«