Выбрать главу

«Wäre es wirklich so klug? Man sieht es ihm nicht an. Scheint ein Ackerpferd gewesen zu sein.«

«Oho! Es ist ein echter kurdischer Husahn, wenn ihr gütigst erlaubt.«

«So! Wo liegt denn dieses Land?«

«Zwischen Persien und der Türkei. Habe ihn selbst dort gekauft und mit nach Hause genommen.«

Er sagte das in einem so gleichgültigen Tone, als ob es ebenso leicht sei, ein Pferd aus Kurdistan nach England und von da wieder hinüber nach den Vereinigten Staaten zu transportieren, wie einen Kanarienvogel von dem Harze nach dem Thüringer Walde zu bringen. Die beiden Jäger warfen einander verstohlenen Blicke zu. Er aber setzte sich ganz ungeniert in das Gras, wo sie vorher gesessen hatten. Dort lag eine angeschnittene, gestern gebratene Rehkeule. Er zog sein Messer, schnitt ein tüchtiges Stück herunter und begann zu essen, als ob das Fleisch nicht den andern, sondern ihm gehöre.

«So ist's recht!«meinte der Buckelige.»Nur keine Umstände machen in der Prairie.«

«Mache sie auch nicht, «antwortete er.»Habt gestern ihr Fleisch geschossen, so schieße heute oder morgen ich welches, natürlich auch für euch mit.«

«So? Meint Ihr denn, Mylord, daß wir morgen noch beisammen sein werden?«

«Morgen und noch viel länger. Wollen wir wetten? Ich setze zehn Dollar und auch mehr, wenn ihr wollt.«

Er griff nach der Geldtasche.

«Laßt Eure Banknoten hinten, «antwortete Humply.»Wir wetten nicht mit.«

«So setzt euch her zu mir! Will es euch erklären.«

Sie ließen sich ihm gegenüber nieder. Er musterte sie nochmals mit einem scharfen Blicke und sagte dann:»Bin den Arkansas heraufgekommen und in Mulvane ausgestiegen. Wollte dort einen Führer engagieren oder zwei; fand aber keinen, der mir gefiel. War lauter Schund, die Kerls. Bin also fortgeritten, weil ich mir sagte, daß echte Prairiemänner wohl nur in der Prairie zu finden sind. Treffe jetzt euch, und ihr gefallt mir. Wollt ihr mit?«

«Wohin denn?«

«Nach Frisco hinüber.«

«Das sagt Ihr so ruhig, als ob es nur ein Tagesritt sei?«

«Es ist ein Ritt. Ob er einen Tag oder ein Jahr dauert, das bleibt sich gleich.«

«Hm, ja. Aber habt Ihr eine Ahnung von dem, was einem unterwegs begegnen kann?«

«Habe noch nicht daran gedacht, hoffe aber, es zu erfahren.«

«Wünscht Euch nicht zu viel. Übrigens können wir nicht mit. Wir sind nicht so reich, wie Ihr zu sein scheint; wir leben von der Jagd und können also keinen monatelangen Abstecher nach Frisco machen.«

«Ich bezahle euch!«

«So? Na, dann würde sich über die Sache sprechen lassen.«

«Könnt ihr schießen?«

Es war ein fast mitleidiger Blick, den der Buckelige auf den Lord warf, als er antwortete:»Ein Prairiejäger und schießen! Das ist fast noch schlimmer, als ob Ihr fragt, ob ein Bär fressen könne. Beides ist genau so selbstverständlich wie mein Buckel.«

«Möchte aber doch eine Probe sehen. Könnt ihr die Geier von da oben herunterholen?«

Humply maß die Höhe, in welcher sich die beiden Vögel wiegten, mit den Augen und antwortete.»Warum nicht? Ihr freilich würdet es uns mit Euren beiden Sonntagsflinten nicht nachmachen.«

Er deutete auf das Pferd des Lords. Die Gewehre hingen noch an den Bügelriemen; sie waren blank geputzt, so daß sie ganz wie neu aussahen, was dem Westmann ein Greuel ist.

«So schießt!«gebot der Lord, ohne auf die letzte Behauptung des Buckeligen zu achten.

Dieser stand auf, legte sein Gewehr an, zielte kurz und drückte ab. Man sah, daß der eine der Geier einen Stoß erhielt; er schlug flatternd die Flügel, suchte sich zu halten, doch vergebens; er mußte nieder, erst langsam, dann schneller; endlich zog er die Flügel an den Leib und fiel wie ein schwerer Klumpen senkrecht zur Erde nieder.

«Nun, Mylord, was sagt Ihr dazu?«fragte der kleine Schütze.

«Nicht übel, «lautete die kalte Antwort.

«Was? Nicht übel nur? Bedenkt diese Höhe, und daß die Kugel den Vogel gerade ins Leben traf, denn er war schon in der Luft tot! Jeder Kenner hätte das einen Meisterschuß genannt.«

«Well, der zweite!«nickte der Lord dem langen Jäger zu, ohne auf den Vorwurf des Kleinen einzugehen.

Gunstick-Uncle erhob sich steif vom Boden, stützte sich mit der Linken auf seine lange Rifle, erhob die Rechte wie ein Deklamierender, wendete das Auge gen Himmel zu dem zweiten Geier und sprach in pathetischem Tone:»Wandelt der Aar in Gefilden der Lüfte — blickt er herab auf die Grüfte und Schlüfte — denket mit Sehnsucht des Aases voll Düfte — ich aber schieße ihn tot in die Hüfte!«

Bei diesen improvisierten Reimen war seine Pose so steif und eckig wie diejenige eines Gliedermannes. Er hatte bisher noch kein einziges Wort gesprochen, desto größeren Eindruck mußte dieses herrliche Poem machen. So dachte er. Darum ließ er den erhobenen Arm sinken, wendete sich gegen den Lord und blickte diesen mit stolzer Erwartung an. Der Engländer hatte längst wieder sein dummes Gesicht angenommen; jetzt zuckte es in und auf demselben, als ob das Lachen mit dem Weinen kämpfe.

«Habt Ihr es richtig gehört, Mylord?«fragte der Buckelige.»Ja, der Gunstick-Uncle ist ein feiner Kerl. Er war Schauspieler und ist noch jetzt ein Dichter. Er spricht blutwenig, aber wenn er einmal den Mund aufthut, so redet er nur in Engelszungen, das heißt in Reimen.«

«Well!«nickte der Engländer.»Ob er in Reimen oder in Gurkensalat redet, das ist nicht meine, sondern seine Sache, aber kann er schießen?«

Der lange Dichter zog den Mund bis an das rechte Ohr und warf die Hand weit von sich, was eine Bewegung der Verachtung sein sollte. Dann erhob er seine Rifle zum Zielen, setzte sie aber wieder ab. Er hatte den rechten Augenblick versäumt, denn während seines dichterischen Ergusses hatte das Geierweibchen, erschrocken über den Tod ihres Männchens, beschlossen, sich davon zu machen. Der Vogel hatte sich schon weit entfernt.

«Er ist unmöglich zu treffen, «sagte Humply.»Meinst du nicht, Uncle?«

Der Gefragte erhob beide Hände gen Himmel nach dem Punkte, an welchem man den Geier erblickte, und antwortete in einem Tone, als ob er Tote erwecken wolle:»Es tragen ihn die Flügel — fort über Thal und Hügel — er ist mit großen Wonnen — nun leider mir entronnen — und wer ihn nun will kriegen — schnell hinterdrein mag fliegen!«

«Unsinn!«rief der Lord.»Meint ihr wirklich, daß er nicht mehr zu treffen ist?«

«Ja, Sir, «antwortete Humply.»Kein Old Firehand, kein Winnetou und kein Old Shatterhand vermöchte ihn jetzt noch herunterzuholen, und das sind doch die drei besten Schützen des fernen Westens.«

«So!«

Während der Lord dies mehr hervorstieß als deutlich aussprach, ging ein helles, blitzartiges Zucken über sein Gesicht. Er trat schnell zum Pferde, nahm eins der Gewehre vom Riemen, entfernte die Sicherung, legte an, zielte, drückte ab, alles wie in einem einzigen kurzen Augenblicke, ließ das Gewehr wieder sinken, setzte sich nieder, griff nach der Rehkeule, um sich noch ein Stück von derselben zu schneiden, und sagte:»Nun, war er zu treffen oder nicht?«

Auf den Gesichtern der beiden Jäger lag der Ausdruck des höchsten Erstaunens, ja der Bewunderung. Der Vogel war getroffen, und zwar gut, denn er fiel mit zunehmender Schnelligkeit in einer sich verengenden Schneckenlinie zur Erde nieder.

«Wonderful!«rief Humply ganz begeistert aus.»Mylord, wenn das nicht ein Zufall — «

Er hielt inne. Er hatte sich nach dem Engländer umgedreht und sah diesen kauend am Boden sitzen, den Rücken nach der Seite gerichtet, wohin der Meisterschuß gerichtet gewesen war. Das war doch kaum zu glauben!

«Aber, Mylord, «fuhr er fort,»dreht Euch doch um! Ihr habt den Geier nicht nur getroffen, sondern wirklich erlegt!«

«Das weiß ich, «antwortete der Englishman, indem er, ohne sich umzusehen, ein Stück Fleisch in den Mund schob.