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Es verging noch eine kleine Weile und dann sah der Lord plötzlich den Häuptling zwischen sich und Bill am Boden liegen.

«Nun, fertig?«fragte der letztere.

«Ja, «antwortete der Rote.

«Aber deine Osagen sind ja noch gefesselt!«flüsterte der Lord ihm zu.

«Nein; sie sind nur stehen geblieben, bis ich mit euch gesprochen habe. Mein Messer traf die Wächter mitten in das Herz, und dann habe ich ihnen die Skalps genommen. Jetzt schleiche ich mich wieder hin, um mit meinen roten Brüdern zu den Pferden zu gehen, bei denen sich auch die unsrigen noch befinden. Da alles so gut gegangen ist, werden wir nicht fortgehen, ohne unsre Pferde zu holen.«

«Warum euch noch in diese Gefahr begeben?«warnte Bill.

«Mein weißer Bruder irrt sich. Es ist jetzt keine Gefahr mehr vorhanden. Sobald ihr die Osagen von ihren Bäumen verschwinden seht, könnt ihr Euch fortbegeben. Bald werdet ihr das Stampfen der Pferde hören und das Geschrei der Tramps, welche dort wachen. Dann kommen wir zu der Stelle, an welcher wir vorhin abgestiegen sind, howgh!«

Mit diesem letzten Bekräftigungsworte wollte er andeuten, daß jeder Einwand nutzlos sei, dann war er plötzlich nicht mehr zu sehen. Der Lord fixierte die Gefangenen; sie lehnten steif aufgerichtet an ihren Bäumen, dann waren sie in einem Nu fort, wie in die Erde hinein verschwunden.

«Wonderful!«flüsterte er dem Buckeligen begeistert zu.»Ganz, wie man es in Romanen gelesen hat!«

«Hm!«antwortete der Kleine.»Ihr werdet bei uns noch manchen Roman erleben; das Lesen ist freilich leichter, als das Mitmachen.«

«Wollen wir fort?«

«Noch nicht. Ich möchte die Gesichter sehen, welche die Kerls machen, wenn die Geschichte losgeht. Wartet noch einige Augenblicke.«

Es verging keine lange Zeit, so ertönte von jenseits des Lagers ein lauter Schreckensruf; ein zweiter antwortete; darauf folgten mehrere schrille Schreie, denen man es anhörte, daß sie aus Indianerkehlen kamen — und nun ein Schnauben und Stampfen, ein Wiehern und Dröhnen, unter welchem die Erde zu zittern schien.

Die Tramps waren aufgesprungen. Jeder rief, schrie und fragte, was geschehen sei. Da ertönte die Stimme des roten Cornels:»Die Osagen sind fort. Alle Teufel, wer hat sie — «

Er hielt entsetzt mitten in der Rede inne. Er war, während er sprach, zu den Wächtern gesprungen und hatte den ihm nächsten derselben gepackt, um ihn emporzuzerren. Er sah die verglasten Augen und den haarlosen, blutigen Schädel desselben. Er riß den zweiten, dritten und vierten in den Schein des Feuers und schrie dann entsetzt:»Tot! Skalpiert, alle vier! Und die Roten sind fort! Wohin?«

«Indianer, Indianer!«rief es in diesem Augenblicke von der Seite her, an welcher sich die Pferde befunden hatten.

«Zu den Waffen, zu den Pferden!«brüllte der rote Cornel. Wir sind überfallen. Man will uns die Pferde stehlen!«

Es gab eine Scene ganz unbeschreiblicher Verwirrung. Alles rannte durcheinander, aber es war kein Feind zu sehen, und erst als man sich nach längerer Zeit einigermaßen beruhigt hatte, stellte es sich heraus, daß nur die erbeuteten Indianerpferde fehlten. Nun erst, nachdem das Unglück geschehen war, wurden Posten ausgestellt und man durchsuchte die Umgebung des Lagers, doch ohne allen Erfolg. Man kam zu der Meinung, daß noch andre als nur die gefangenen Osagen im Walde gewesen seien und sich herbeigeschlichen hatten, um ihre Kameraden zu befreien. Sie hatten dabei die Wächter von hinten erstochen und skalpiert und sich dann der Indianerpferde bemächtigt. Unbegreiflich war es den Tramps, daß die Ermordung der Wächter so vollständig lautlos hatte vor sich gehen können. Wie hätten sie sich aber gewundert, wenn sie gewußt hätten, daß es nur ein einziger gewesen war, der dieses indianische Meisterstück fertig gebracht hatte.

Als dann die Anführer wieder an ihrem Feuer beisammensaßen, sagte der Corneclass="underline" »Dieses Ereignis ist zwar kein großes Unglück für uns, aber es zwingt uns zur Änderung unsres Planes für morgen. Wir müssen schon sehr frühzeitig von hier aufbrechen.«

«Warum?«wurde er gefragt.

«Weil die Osagen alles gehört haben, was wir gesprochen haben. Ein wahres Glück ist es, daß sie von unsrer Absicht auf den Eagle-tail nichts wissen, denn davon sprachen wir nicht hier, sondern vorher drüben beim andern Feuer. Aber was wir mit Butlers Farm vorhaben, das wissen sie.«

«Und du meinst, daß sie es verraten?«

«Natürlich!«

«Sollten diese wilden Halunken mit Butler befreundet sein?«

«Befreundet oder nicht; sie werden es ihm melden, um sich an uns zu rächen und uns einen warmen Empfang zu bereiten.«

«Das ist freilich leicht zu denken, und da ist es allerdings geraten, uns soviel wie möglich zu sputen. Möchte nur wissen, wo die fünf Kerls bleiben, welche dem flüchtigen Häuptling nach sind!«

«Mir auch unbegreiflich. Hätte er seine Zuflucht in dem Walde gesucht, so wäre er schwer oder unmöglich zu finden gewesen; seine Spur führte aber weit in die offene Prairie hinaus und er hatte kein Pferd. Da müssen sie ihn doch erwischt haben!«

«Jedenfalls. Aber sie sind wohl auf dem Rückwege von der Nacht überrascht worden und haben sich verirrt. Oder haben sie sich gelagert, um sich nicht zu verirren, und stoßen morgen früh zu uns. Jedenfalls werden wir ihre Fährte treffen, denn sie nahmen genau die Richtung, welche wir einhalten müssen.«

Da allerdings befand sich der Sprecher in einem Irrtum. Der Himmel oder vielmehr die Wolken sorgten dafür, daß die betreffende Spur verwischt wurde, denn es stellte sich später ein, wenn auch leichter, aber mehrere Stunden anhaltender Regen ein, welcher alle Huf- und Fußeindrücke verwischte.

Sechstes Kapitel

Ein Parforceritt im Finstern

Sobald sich, wie im vorigen Kapitel geschildert, vorhin bei den Pferden das Geschrei erhoben hatte, war es für Bill, den Uncle und den Engländer an der Zeit gewesen, sich in Sicherheit zu bringen. Sie waren, so schnell es die Finsternis gestattete, durch den Wald und zu ihren Pferden geeilt. Daß die letzteren nicht verfehlt wurden, war nur dem Scharfsinn der beiden Jäger zu verdanken. Der Lord hätte sich wohl nicht so leicht zurecht gefunden, da ein Wellenberg und Wellenthal bei Nacht noch viel mehr als am Tage dem andern glich. Sie machten die Pferde los, stiegen auf und nahmen die ledigen an der Koppel fest.

Kaum war das geschehen, so hörten sie die Indianer kommen. Der Häuptling hatte sich in der Finsternis ebenso leicht wie am hellen Tage an Ort und Stelle gefunden.

«Diese Tramps waren blind und taub, «sagte er.»Wir konnten weiter keinen von ihnen töten, denn wenn wir unsre Pferde haben wollten, durften wir uns nicht bei den Menschen verweilen; aber es werden ihrer viele in die ewigen Jagdgründe wandern, um die Geister der Osagen zu bedienen.«

«Du willst dich rächen?«fragte Bill.

«Warum spricht mein weißer Bruder solche Worte aus? Sind nicht heute acht Osagen gefallen, deren Tod gerächt werden muß? Sollten nicht die vier übrigen gemartert und gemordet werden? Wir werden nach den Wigwams der Osagen reiten, um viele Krieger zu holen. Dann folgen wir der Fährte dieser Bleichgesichter, um ihrer so viele auszulöschen, wie Manitou in unsre Hände gibt.«

«In welcher Richtung weiden jetzt die Herden der Osagen?

«Gegen Westen.«

«So müßt ihr an Butlers Farm vorüber?«

«Ja.«

«Und wie lange reitest du von dort aus, um die Deinigen zu erreichen?«

«Die ersten Herden sind schon nach einem halben Tage zu treffen, wenn man ein gutes Pferd besitzt und sich beeilt.«

«Das ist sehr gut. Wir werden uns beeilen müssen, um Butlers Farm zu retten.«

«Was sagt mein Bruder? Butler ist der Freund und Beschützer der Osagen. Droht ihm ein Unglück?«