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«Ja. Doch sprechen wir nicht jetzt und hier davon. Wir müssen zunächst fort, um aus der Nähe der Tramps zu kommen. Diese wollen morgen die Farm überfallen, und wir müssen hin, um den Besitzer zu warnen.«

«Uff! Meine roten Brüder mögen die ledigen Pferde führen, damit die weißen Brüder mir leichter folgen können!«

Seine Leute gehorchten, indem sie zu den ihrigen auch noch die erbeuteten ledigen Pferde nahmen; dann ging es im Galopp zwischen die niedrigen Hügel hinein, nicht auf der Spur zurück, welche sie selbst geritten waren, denn das wäre ein Umweg nach Norden gewesen, sondern auf der Fährte, die der Häuptling und seine Verfolger heute am Nachmittage gemacht hatten. Diese führte in schnurgerader Richtung der Gegend zu, in welcher Butlers Farm lag, die der Osage hatte aufsuchen wollen.

Im Galopp! Und zwar in dieser Finsternis! Und doch war es so. Schon am Tage war es nur dem Kundigen möglich, sich ohne Irrung in dieser Rolling- Prairie zurecht zu finden; aber bei Nacht sich nicht zu verirren, das konnte fast als ein Wunder gelten. Als der Engländer dem kleinen Bill, neben welchem er ritt, eine darauf bezügliche Bemerkung machte, antwortete dieser:»Ja, Sir, ich habe zwar schon bemerkt, daß auch Ihr nicht auf den Kopf gefallen seid; aber Ihr werdet hier noch manches sehen, hören und auch selbst erleben, was Ihr vorher nicht für möglich hieltet.«

«So würdet auch Ihr Euch hier nicht verirren?«

«Ich! Hm! Wenn ich aufrichtig sein will, so muß ich Euch sagen, daß es mir nicht einfallen würde, so zwischen diese welligen Hügel hineinzustürmen. Ich würde hübsch langsam reiten und die Krümmung jedes einzelnen Thales, dem ich folgen muß, genau prüfen. Dennoch aber würde ich morgen früh an einer ganz andern Stelle als derjenigen sein, an welche ich gelangen will.«

«So kann das dem Häuptling doch auch passieren.«

«Nein. So ein Roter riecht die Richtung und den Weg förmlich. Und, was die Hauptsache ist, jetzt hat er sein eigenes Pferd wieder. Dieses Tier weicht sicher keinen Schritt von der Fährte ab, welche sein Herr heute gelaufen ist. Darauf könnt Ihr Euch verlassen. Der Himmel ist so schwarz wie ein Sack voll Ruß, und von der Erde sehe ich nicht so viel, wie ich auf einen Fingernagel legen könnte, dennoch galoppieren wir wie am hellen Tage und auf ebener Straße, und ich wette, daß wir, ehe sechs Stunden vorüber sind, unsre Pferde gerade vor der Thüre von Butlers Farm anhalten werden.«

«Wie? Was?«rief der Engländer erfreut.»Ihr wollt wetten? Das ist ja herrlich! Also Ihr behauptet das? So behaupte ich das Gegenteil und setze fünf Dollar, oder auch zehn. Oder wollt Ihr höher wetten? Ich bin sofort dabei!«

«Danke, Mylord! Das von der Wette war nichts als eine Redensart. Ich wiederhole, daß ich niemals wette. Behaltet Euer Geld! Ihr braucht es anderwärts. Denkt, was Ihr mir und dem Uncle nur schon für heute zu zahlen habt!«

«Hundert Dollar. Fünfzig für die vier erschossenen Tramps und fünfzig für die befreiten Osagen.«

«Und bald wird es noch mehr sein.«

«Allerdings, denn der Überfall der Farm, den wir abschlagen werden, ist wieder ein Abenteuer, welches fünfzig kostet.«

«Ob uns das Abweisen des Überfalles glückt, ist noch unbestimmt; es ist auch im Gegenfalle ein Abenteuer, welches Euch fünfzig Dollar kostet, nämlich wenn wir leben bleiben. Aber wie war es denn eigentlich mit Old Shatterhand, Winnetou und Old Firehand? Wieviel wollt Ihr zahlen, falls Euch einer dieser drei Männer zu Gesicht kommt?«

«Hundert Dollar, wenn es Euch recht ist.«

«Sehr recht sogar, denn es ist wahrscheinlich, daß wir morgen oder übermorgen Old Firehand begegnen.«

«Wirklich? Wirklich?«

«Ja. Er will nämlich auch nach Butlers Farm kommen.«

Der voranreitende Häuptling hatte diese Worte gehört. Er drehte, ohne den Lauf seines Pferdes zu mäßigen, sich um und fragte:»Old Firehand, dieses berühmte Bleichgesicht, will kommen?«

«Ja. Der rote Cornel sagte es.«

«Der rothaarige Mann, welcher die lange Rede hielt? Woher weiß er es? Hat er den großen Jäger gesehen oder gar gesprochen?«

Bill erzählte im Vorwärtsjagen, was er gehört hatte.

«Uff!«rief der Häuptling.»Dann ist die Farm gerettet, denn der Kopf dieses Bleichgesichts ist mehr wert als die Waffen von tausend Tramps. Wie freue ich mich, ihn sehen zu können!«

«Kennst du ihn schon?«

«Alle Häuptlinge des Westens haben ihn gesehen und mit ihm das Calumet geraucht. Warum soll ich allein ihn nicht kennen? Fühlst du, daß es zu regnen beginnt? Das ist gut, denn der Regen gibt dem niedergetretenen Grase die Kraft, sich bald wieder aufzurichten. Die Tramps werden also morgen früh unsre Fährte nicht wahrnehmen können.«

Jetzt hörte die Unterhaltung auf. Die Schnelligkeit des Rittes und die Aufmerksamkeit, welche dabei zu verwenden war, erschwerten das Sprechen, und außerdem macht ja der Regen stets weniger mitteilsam.

Der Weg an und für sich bot keine Schwierigkeiten; kein Stein, kein Graben, kein ähnliches Hindernis hemmte den Schritt, und die Wellenthäler waren so breit, daß stets mehrere Pferde ganz bequem nebeneinander gehen konnten. Der Boden bestand ganz ausschließlich aus weichem Graslande. Nur die Dunkelheit war zu überwinden.

Zuweilen ließen die Reiter ihre Pferde, um dieselben nicht allzusehr zu ermüden, im Schritte gehen; dann wurde wieder im Trab oder gar Galopp geritten. Als einige Stunden vergangen waren, schien die vorherige Zuversicht Bills doch ein wenig nachzulassen, denn er fragte den Häuptling:»Ist mein Bruder überzeugt, daß wir uns in der beabsichtigten Richtung befinden?«

«Mein weißer Bruder sorge nicht, «antwortete der Gefragte.»Wir haben uns sehr beeilt und werden sehr bald die Stelle erreichen, an welcher ich dich und den Uncle heute getroffen habe.«

War das Übung oder angeborener Instinkt, daß dieser Indianer diese Behauptung so bestimmt auszusprechen vermochte? Bill wollte gar nicht glauben, daß man eine so bedeutende Strecke zurückgelegt habe. Aber mit dem Regen hatte sich ein scharfer Luftzug erhoben, welcher die Reiter von hinten traf und den Pferden das Laufen wesentlich erleichterte.

Schon kurze Zeit nach der erwähnten Frage und Antwort fiel das Pferd des Häuptlings plötzlich aus dem Galopp in einen langsamen Schritt, blieb dann sogar, ohne von dem Reiter angehalten worden zu sein, stehen und stieß ein leises Schnauben aus.

«Uff!«sagte der Rote in gedämpftem Tone.»Es müssen Menschen vor uns sein. Meine Brüder mögen lauschen, sich nicht bewegen und die Lust scharf durch die Nase atmen.«

Der Trupp hielt stille und man hörte, daß der Häuptling den Geruch der Luft prüfte.

«Ein Feuer!«flüsterte er.

«Man sieht ja keine Spur davon!«meinte Bill.

«Ich rieche aber Rauch, welcher um den nächsten Hügel zu kommen scheint. Mein Bruder mag absteigen und den Hügel mit mir erklimmen, damit wir sehen, was sich hinter demselben befindet.«

Die beiden verließen ihre Pferde und huschten nebeneinander nach dem Wellenberge hin. Noch waren sie aber nicht zehn Schritte weit gekommen, so legten sich zwei Hände mit gewaltigem Drucke um den Hals des Indianers, welcher zur Erde niedergedrückt wurde und mit Armen und Beinen um sich schlug, ohne daß es ihm möglich war, einen Laut von sich zu geben. Zu gleicher Zeit ergriffen zwei andre Hände den Buckeligen bei der Kehle und zogen ihn ebenso zum Boden nieder.

«Haben Sie ihn fest?«fragte derjenige, welcher den Indianer gepackt hielt, den andern ganz leise und zwar in deutscher Sprache.

«Ja, ich habe ihn so fest ergriffe, daß er gar nich rede kann, «lautete die ebenso leise gegebene Antwort.

«Dann schnell fort, hinter den Hügel! Wir müssen wissen, wen wir vor uns haben. Oder wird er Ihnen zu schwer?«

«Kann mir gar nich einfalle! Der Kerl is ja leichter wie eene Fliege, die drei Woche lang nischt gegesse und getrunke hat. Herrje, er scheint hinten eenen Buckel zu habe, was mer so ee schiefes Rückgrat nennt! Es wird doch nich etwa — «