«Nein, «antwortete Droll, den er für den Wächter hielt.
«Well! Halte die Augen offen! Es gilt deinen Kopf, wenn du nicht aufpassest. Verstanden?«
«Yes. Mein Kopf sitzt jedenfalls fester als der deinige. Nimm dich in acht!«
Er bediente sich absichtlich dieser drohenden Worte und sprach sie ebenso absichtlich mit unverstellter Stimme; er wünschte, daß der Mann sich zu ihm niederbücken möge. Sein Zweck wurde erreicht. Der Tramp trat einen Schritt näher, bog den Kopf herab und sagte:»Was fällt dir ein! Wie meinst du das? Wessen Stimme ist das? Bist du denn nicht Collins, den ich — «
Er konnte nicht weiter sprechen, denn Droll legte ihm beide Hände so fest wie Eisenklammern um den Hals, riß ihn vollends zu sich nieder und drückte ihm die Kehle so zusammen, daß derselben kein weiterer Laut entfahren konnte. Man hörte ein kurzes Strampeln der Beine, dann wurde es still, bis Droll leise sagte:»So, der hat euch seine Waffen gebracht; das war sehr gefällig von ihm.
«Habt Ihr ihn denn fest?«fragte der Farmer.
«Wie könnt Ihr nur fragen! Er ist ausgelöscht. Nehmt sein Gewehr und alles, was er bei sich hat; ich werde indessen die kleine Miß zum Boote bringen.«
Droll richtete sich halb auf, nahm Ellen Butler bei der Hand und geleitete sie an das Wasser, wo er seine wartenden Gefährten von dem Stand der Dinge unterrichtete. Bill und der Uncle brachten das Mädchen nach dem Kanal, wo sie das Boot festbanden, und wateten dann zurück, um sich zu Droll und den beiden Butlers zu gesellen. Diese hatten sich inzwischen mit den Waffen der beiden Tramps bewehrt und nun meinte Tante Droll ernst:»Jetzt kann's losgehen. Die Kerle werden natürlich sofort hierher kommen, um sich der Gefangenen zu versichern, und das könnte für uns gefährlich werden. Kriechen wir also zunächst eine Strecke fort, nach rechts hinauf, um dem zu entgehen.«
Die fünf bewegten sich vorsichtig am Ufer hin, bis sie eine geeignete Stelle fanden. Dort richteten sie sich auf, und jeder stellte sich hinter einen Baum, der ihm Deckung gewährte. Sie befanden sich im vollständigen Dunkel und hatten die Tramps deutlich genug vor sich, um genau zielen zu können. Da legte Droll die Hand an den Mund und ließ ein kurzes, müdes Krächzen hören, wie von einem Raubvogel, welcher für einen Augenblick aus dem Schlaf erwacht. Dieser in der Prairie so häufige Ton konnte den Tramps nicht auffallen; sie beachteten ihn gar nicht, selbst als er ein und noch einmal wiederholt wurde. Für wenige Augenblicke herrschte noch tiefe Stille; dann hörte man plötzlich Old Firehands weithin schallenden Befehclass="underline" »Los, Feuer!«
Von rechts her krachten die Büchsen der Rafters, welche sich so nahe herangeschlichen hatten, daß jeder seinen Mann auf das Korn nehmen konnte. Darauf ertönte links das markzerschneidende, schrille Kriegsgeheul der Indianer, welche erst einen Pfeilregen auf die Tramps sandten und dann mit den Tomahawks auf dieselben eindrangen.
«Jetzt auch wir!«gebot Droll.»Erst die Kugeln, und dann mit den Kolben drauf!«
Es war eine echte, wilde Westlandsscene, welche sich nun entwickelte. Die Tramps hatten sich so vollständig sicher gefühlt, daß der plötzliche Angriff sie in tiefsten Schreck versetzte. Wie Hasen, über denen die Fänge des Adlers rauschen, duckten sie sich zunächst entsetzt und widerstandslos zusammen; dann, als die Angreifenden sich mitten unter ihnen befanden und mit Kolben, Tomahawks, Revolvern und Bowiemessern arbeiteten, wich die augenblickliche Erstarrung von ihnen, und sie begannen sich zu wehren. Sie waren nicht im stande, die Gegner zu zählen; die Schar derselben erschien ihnen in dem von den Feuern nur dürftig erhellten nächtlichen Dunkel als eine doppelt und dreifach größere, als sie wirklich war. Das vermehrte ihre Angst, und die Flucht erschien ihnen der einzige Rettungsweg.
«Fort, fort, zu den Pferden!«hörte man eine Stimme rufen oder viel mehr brüllen.»Das ist der Cornel, «schrie Droll.»Werft euch auf ihn; laßt ihn nicht entkommen!«
Er eilte nach der Gegend, aus welcher der Ruf erklungen war, und andre folgten ihm, doch vergeblich. Der rote Cornel war so schlau gewesen, sich sofort im Gebüsch zu verstecken und von demselben aus die Scene zu beobachten. Er schlich sich wie eine Schlange von Strauch zu Strauch und hielt sich dabei immer im tiefen Dunkel, so daß er nicht gesehen werden konnte. Die Sieger gaben sich alle Mühe, möglichst wenige entkommen zu lassen, aber die Zahl der Tramps war eine so große, daß ihnen, zumal sie sich endlich klugerweise eng beisammen hielten, der Durchbruch leicht gelingen mußte. Sie rannten nach Norden zu von dannen.
«Immer hinter ihnen drein!«gebot Old Firehand.»Laßt sie nicht zu Atem kommen!«
Er wollte mit den Tramps zugleich zu ihren Pferden gelangen, aber das stellte sich bald als unmöglich heraus. Je weiter man sich von der Farm entfernte, desto geringer wurde der Schein der brennenden Feuer, und man war schließlich von einer solchen Finsternis umgeben, daß zwischen Freunden und Feinden gar nicht mehr unterschieden werden konnte. Es kam vor, daß die ersteren aneinander gerieten, und das hielt die Verfolgung auf. Old Firehand sah sich gezwungen, zum Sammeln zu rufen; es dauerte Minuten, bevor er seine Leute vereinigen konnte, und das gab den Flüchtigen einen Vorsprung, welcher, da man sie nicht sehen konnte, unmöglich auszugleichen war. Zwar drangen die Verfolger in der bisherigen Richtung weiter, aber bald hörten sie ein höhnisches Geheul der Tramps, und der Hufschlag vieler davonjagender Pferde belehrte sie, daß alle weitere Mühe vergeblich sein werde.
«Umkehren!«befahl Old Firehand.»Es bleibt uns nur noch übrig, zu verhindern, daß die Verwundeten sich verstecken, um dann zu entkommen.«
Diese Sorge war eine überflüssige. Die Indianer hatten sich nicht an der Verfolgung beteiligt. Nach den Skalps der Weißen lüstern, waren sie zurückgeblieben und hatten den Kampfplatz und das daran stoßende Gebüsch bis an den Fluß sorgfältig abgesucht, um jeden noch lebenden Tramp zu töten und zu skalpieren.
Als dann beim Schein von Holzbränden die Leichen gezählt wurden, stellte es sich heraus, daß, die schon am Tage Gefallenen mitgerechnet, auf jeden Sieger zwei Besiegte kamen, eine schreckliche Anzahl! Trotzdem war die Zahl der Entkommenen eine so bedeutende, daß man sich über ihre Flucht beglückwünschen konnte.
Ellen Butler war selbstverständlich sofort aus ihrem Verstecke geholt worden. Das junge Mädchen hatte sich nicht gefürchtet und sich überhaupt vom Augenblicke der Gefangennahme an erstaunlich ruhig und besonnen gezeigt. Als Old Firehand dies erfuhr, erklärte er dem Vater:»Ich habe es bisher für sehr gewagt gehalten, Ellen mit nach dem Silbersee zu nehmen, nun aber habe ich nichts mehr dagegen, denn ich bin überzeugt, daß sie uns keine besondere Sorge machen wird.«
Da an eine Rückkehr der Tramps nicht zu denken war, so konnte man, wenigstens was die Indianer betraf, den Rest der Nacht der Siegesfreude widmen. Sie erhielten zwei Rinder, welche geschlachtet und verteilt wurden, und bald ging von den Feuern der kräftige Duft des Bratens aus. Später wurde die Beute verteilt. Die Waffen der Gefallenen und auch sonst alles, was dieselben bei sich gehabt hatten, waren den Roten überlassen worden, ein Umstand, welcher dieselben mit Entzücken erfüllte. Sie gaben demselben den bei ihnen gebräuchlichen Ausdruck. Lange Reden wurden gehalten, Kriegs- und andre Tänze aufgeführt; erst als der Tag anbrach, nahm der Lärm ein Ende; der Jubel verstummte, und die Roten hüllten sich in ihre Decken, um endlich einzuschlafen.
Anders die Rafters. Glücklicherweise war keiner von ihnen gefallen, doch hatten einige Verwundungen davongetragen. Old Firehand beabsichtigte, mit ihnen bei Tagesanbruch der Spur der Tramps zu folgen, um zu erfahren, wohin sich diese gewendet hatten. Darum hatten sie sich schlafen gelegt, um zur angegebenen Zeit gekräftigt und munter zu sein. Sie fanden dann, daß die Fährte zurück nach dem Osage-nook führte, und folgten ihr bis dorthin; aber als sie ankamen, war der Platz leer. Old Firehand untersuchte ihn genau. Es waren inzwischen neue Scharen von Tramps angekommen gewesen; die Flüchtigen hatten sich mit diesen vereinigt und waren dann ohne Verweilen in nördlicher Richtung davongeritten, wohl ahnend, daß man sie hier aufsuchen werde. Sie hatten also ihre Absicht auf die Farm aufgegeben und ahnten nicht, daß Old Firehand den Plan genau kannte, den sie nun jetzt verfolgen wollten.