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Hier sende ich Dir Master Joseph Haller, meinen bisherigen Schreiber. Er ist von deutscher Abstammung, ein ehrlicher, treuer und fleißiger Kerl, hat aber das Unglück gehabt, um die Ecke zu schießen und gerade darum seinen Gegner in den Sand zu legen. Er muß darum für einige Zeit von hier fort, und Du thust mir einen Gefallen, wenn Du ihn in Deinem Bureau so lange beschäftigst, bis hier Gras über die Angelegenheit gewachsen ist.

Dein

Bent Norton.«

Unter diesem Namen war zur besseren Legitimation noch ein Stempel angebracht. Der Yankee faltete den Brief wieder zusammen, gab ihn dem Eigentümer zurück und sagte, indem ein halb ironisches, halb mitleidiges Lächeln um seine Lippen spielte:»Ich glaube Euern Worten, Master Haller, auch ohne daß Ihr mir diesen Brief zu zeigen braucht. Wer Euch sieht und sprechen hört, der weiß, daß er einen grundehrlichen Menschen, welcher gewiß mit Willen kein Wässerlein trübt, vor sich hat. Mir geht es gerade wie Euch, auch ich bin kein großer Jäger und Schütze vor dem Herrn. Das ist kein Fehler, denn der Mensch lebt nicht durch Pulver und Blei allein. Aber so sehr ängstlich wie Ihr, wäre ich an Eurer Stelle denn doch nicht gewesen. Ich glaube, Ihr habt Euch ein wenig ins Bockshorn jagen lassen.«

«O nein; die Sache war wirklich gefährlich.«

«So seid Ihr überzeugt, daß man Euch verfolgt hat?«

«Gewiß! Darum habe ich bisher alle Farmen vermieden, damit man nicht erfahren soll, wohin ich mich gewendet habe.«

«Und seid Ihr überzeugt, daß Ihr in Sheridan gut aufgenommen werdet und eine Stelle erhaltet?«

«Ja, denn Mr. Norton und Mr. Charoy, der Ingenieur in Sheridan, sind außerordentlich befreundet.«

«Nun, welchen Gehalt gedenkt Ihr dort zu beziehen?«

«Ich hatte jetzt wöchentlich acht Dollar und meine, daß man mich dort ebenso bezahlen wird.«

«So! Ich weiß eine Anstellung mit noch einmal so viel, also sechzehn Dollar und freie Station für Euch.«

«Was? Wirklich?«rief der Schreiber erfreut, indem er aufsprang.»Sechzehn Dollar? Das ist ja geradezu zum Reichwerden!«

«Wenn auch das nicht; aber sparen könntet Ihr Euch etwas dabei.«

«Wo ist diese Stelle zu haben? Bei wem?«

«Bei mir.«

«Bei — Euch?«erklang es im Tone der Enttäuschung.

«Allerdings. Wahrscheinlich traut Ihr mir das nicht zu?«

«Hm! Ich kenne Euch nicht.«

«Dem kann gleich abgeholfen werden. Ich bin nämlich Magister Doktor Jefferson Hartley, Physician und Farrier meines Berufes.«

«Also Menschen- und Roßarzt?«

«Arzt für Menschen und Tiere, «nickte der Yankee.»Habt Ihr Lust, so sollt Ihr mein Famulus sein, und ich zahle Euch den erwähnten Gehalt.«

«Aber ich verstehe nichts von der Sache, «erklärte Haller bescheiden.

«Ich auch nicht, «gestand der Magister.

«Nicht?«fragte der andre erstaunt.»Ihr müßt doch Medizin studiert haben?«

«Fällt mir gar nicht ein!«

«Aber, wenn Ihr Magister und auch Doktor seid —!«

«Das bin ich allerdings! Diese Titel und Würden besitze ich; daß weiß ich am allerbesten, denn ich selbst habe sie mir verliehen.«

«Ihr — Ihr selbst?«

«Freilich! Ich bin offen gegen Euch, weil ich denke, daß Ihr meinen Antrag annehmen werdet. Eigentlich bin ich Schneider; dann wurde ich Friseur, nachher Tanzlehrer; später gründete ich ein Erziehungsinstitut für junge Ladies, als das aufhörte, griff ich zur Ziehharmonika und wurde wandernder Musikant. Seitdem habe ich mich noch in zehn bis zwanzig andern Branchen rühmlichst hervorgethan. Ich habe das Leben und die Menschen kennen gelernt, und diese Kenntnis gipfelt in der Erfahrung, daß ein gescheiter Kerl kein Dummkopf sein darf. Diese Menschen wollen betrogen sein; ja, man thut ihnen den größten Gefallen, und sie sind außerordentlich erkenntlich dafür, wenn man ihnen ein X für ein U vormacht. Besonders muß man ihren Fehlern schmeicheln, ihren geistigen und leiblichen Fehlern und Gebrechen, und darum habe ich mich auf diese letzteren gelegt und bin Arzt geworden. Hier seht Euch einmal meine Apotheke an!«

Er schloß den Kasten auf und schlug den Deckel desselben zurück. Das Innere hatte ein höchst elegantes Aussehen; es bestand aus fünfzig Fächern, welche mit Sammet ausgeschlagen und mit goldenen Linien und Arabesken verziert waren. Jedes Fach enthielt eine Phiole mit einer schön gefärbten Flüssigkeit. Es gab da Farben in allen möglichen Schattierungen und Abstufungen.

«Das also ist Eure Apotheke!«meinte Haller.»Woher bezieht Ihr die Medikamente?«

«Die mache ich mir selbst.«

«Ich denke, Ihr versteht nichts davon!«

«O, das verstehe ich schon! Es ist ja kinderleicht. Was Ihr da seht, ist alles weiter nichts als ein klein wenig Farbe und ein bißchen viel Wasser, Aqua genannt. In diesem Worte besteht mein ganzes Latein. Dazu habe ich mir die übrigen Ausdrücke selbst fabriziert; sie müssen möglichst schön klingen, und so seht Ihr hier Aufschriften wie: Aqua salamandra, Aqua peloponnesia, Aqua chimborassolaria, Aqua invocabulataria und andre. Ihr glaubt gar nicht, welche Kuren ich mit diesen Wassern schon gemacht habe, und ich nehme Euch das gar nicht übel, denn ich glaube es selbst auch nicht. Die Hauptsache ist, daß man die Wirkung nicht abwartet, sondern das Honorar einzieht und sich aus dem Staube macht. Die Vereinigten Staaten sind groß, und ehe ich da herumkomme, können viele, viele Jahre vergehen, und ich bin inzwischen ein reicher Mann geworden. Das Leben kostet nichts, denn überall, wohin ich komme, setzt man mir mehr vor, als ich essen kann, und steckt mir, wenn ich gehe, auch noch die Taschen voll. Vor den Indianern brauche ich mich nicht zu fürchten, weil ich als Medizinmann bei ihnen für heilig und unantastbar gelte. Schlagt ein! Wollt Ihr mein Famulus sein?«

«Hm! brummte Haller, indem er sich hinter dem Ohre kratzte. Die Sache kommt mir bedenklich vor. Es ist keine Ehrlichkeit dabei.«

«Macht Euch nicht lächerlich. Der Glaube thut alles. Meine Patienten glauben an die Wirkung meiner Medizin und werden gesund davon. Ist das Betrug? Versucht es wenigstens zunächst einmal! Ihr habt Euch jetzt gestärkt, und da die Farm, nach der ich will, auf Eurem Wege liegt, so habt Ihr keinen Schaden davon.«

«Nun, versuchen will ich es, schon aus Dankbarkeit; aber ich habe kein Geschick, den Leuten etwas weiß zu machen.«

«Ist gar nicht nötig; das besorge ich schon selbst. Ihr habt ehrfurchtsvoll zu schweigen, und Eure ganze Arbeit besteht darin, diejenige Phiole aus dem Kasten zu langen, welche ich Euch bezeichne. Freilich müßt Ihr es Euch gefallen lassen, daß ich Euch dabei Du nenne. Also vorwärts! Brechen wir auf!«

Er hing sich den Kasten wieder um, und dann schritten sie miteinander der Farm entgegen. Nach kaum einer halben Stunde sahen sie dieselbe von weitem liegen; sie schien nicht groß zu sein. Nun mußte Haller den Kasten tragen, da sich das nicht für den Prinzipal, Doktor und Magister schickte.

Das Hauptgebäude der Farm war aus Holz gebaut; neben und hinter demselben lag ein wohlgepflegter Baum- und Gemüsegarten. Die Wirtschaftsgebäude standen in einiger Entfernung von diesem Wohnhause. Vor demselben waren drei Pferde angebunden, ein sicheres Zeichen, daß sich Fremde hier befanden. Diese saßen in der Wohnstube und tranken Hausbier, welches der Farmer selbst gebraut hatte. Die Fremden waren allein, da sich nur die Farmersfrau daheim befand und jetzt in dem kleinen Stalle war. Sie sahen den Quacksalber mit seinem Famulus kommen.

«Thunderstorm!«rief der eine von ihnen.»Sehe ich recht? Den muß ich kennen. Wenn mich nicht alles trügt, so ist das Hartley, der Musikant mit der Harmonika!«

«Ein Bekannter von dir?«fragte der zweite.»Hast du etwas mit ihm gehabt?«

«Freilich. Der Kerl hatte gute Geschäfte gemacht und die Taschen voller Dollars. Natürlich machte ich ebenso gute Geschäfte, indem ich sie ihm des Nachts leerte.«

«Weiß er, daß du es gewesen bist?«