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«Ah, ich beginne zu begreifen!«rief Old Firehand.»Welch ein Plan! Den kann freilich nur ein Winnetou ersinnen! Du meinst, daß wir die Kerle in den Zug locken sollen?«

«Ja. Winnetou versteht nichts von dem Feuerrosse und wie es gelenkt wird. Er hat den Gedanken gegeben, und seine weißen Brüder mögen über denselben nachdenken.«

«In einen Bahnzug locken?» fragte der Ingenieur.»Aber wozu denn? Wir können sie doch hier erwarten und vernichten, hier im Freien!«

«Wobei aber viele von und sterben müßten!«entgegnete Old Firehand.

«Besteigen sie aber den Zug, so können wir sie an einen Ort bringen, an welchem sie sich ergeben müssen, ohne uns schaden zu können.«

«Es wird ihnen nicht einfallen, einzusteigen.«

«Sie steigen ein, wenn wir sie durch die Kasse hineinlocken.«

«So soll ich die Kasse in den Zug thun?«

Das war eine Frage, welche man dem geistreich blickenden Ingenieur nicht zugetraut hätte. Winnetou machte eine geringschätzende Handbewegung, doch Old Firehand antwortete:»Wer mutet Euch das zu? Die Tramps müssen nur überzeugt sein, daß sich Geld in dem Zuge befindet. Ihr stellt den Kundschafter als Schreiber an und stellt Euch so, als ob Ihr ihm großes Vertrauen schenktet. Ihr teilt ihm mit, daß hier ein Zug hält, in welchem sich eine große Menge Geldes befindet. Da kommen sie sicher, und alle drängen sich in die Wagen. Sind sie drin, dann geht es fort mit ihnen.«

«Das klingt allerdings nicht übel, Sir, ist aber nicht so leicht, wie Ihr denkt.«

«So? Welche Schwierigkeiten könnte es haben? Steht Euch kein Zug zu diesem Zwecke zur Verfügung?«

«O, so viele Wagen, wie Ihr wollt! Und die Verantwortlichkeit wollte ich auch sehr gern übernehmen, wenn ich nur so leidlich an das Gelingen glauben könnte. Aber es gibt da noch ganz andre Fragen. Wer soll den Zug leiten? Es ist gewiß, daß der Maschinist und der Feuermann von den Tramps erschossen werden.«

«Pshaw! Ein Maschinist wird sich wohl finden, und den Feuermann mache ich. Ich glaube, wenn ich mich dazu erbiete, so beweise ich dadurch, daß keine Gefahr dabei vorhanden ist. Wir werden das Nähere noch besprechen; die Hauptsache ist, daß wir nicht allzu lange zu warten brauchen. Ich vermute, daß die Tramps heute am Eagle-tail ankommen werden, denn dorthin wollen sie zunächst. Also können wir den Streich auf morgen Nacht feststellen. Sodann ist es nötig, einen Ort zu bestimmen, wohin wir die Kerle fahren. Den werden wir uns noch während des Vormittages suchen, weil wohl schon nachmittags die Kundschafter kommen. Habt Ihr eine Bahndraisine, Sir?«

«Natürlich.«

«Nun, so fahren wir beide miteinander. Winnetou kann nicht mit, er muß versteckt bleiben, weil seine Anwesenheit unsre Absicht verraten könnte. Auch mir darf man es nicht ansehen, daß ich Old Firehand bin; das habe ich vorhergesehen und mir darum den alten Leinenanzug mitgebracht, welchen ich auf allen meinen Zügen zur Aushilfe bei mir trage.«

Der Ingenieur machte ein immer verlegeneres Gesicht und meinte:»Sir, Ihr sprecht von dieser Sache gerade wie der Fisch vom Schwimmen. Mir aber kommt sie gar nicht so leicht und natürlich vor. Wie geben wir den Tramps Nachricht? Wie bringen wir sie dazu, sich richtig einzustellen?«

«Welche Frage. Der neue Schreiber horcht Euch aus, und was Ihr ihm weismacht, das teilt er ihnen heimlich als volle Wahrheit mit.«

«Nun gut! Aber wenn sie nun auf den Gedanken kommen, nicht in den Zug zu steigen? Wenn sie es nun vorziehen, die Schienen an irgend einer Stelle zu zerstören und ihn zum Entgleisen zu bringen?«

«Das könnt Ihr leicht verhüten, indem Ihr dem Schreiber sagt, daß jedem solchen Geldzuge wegen seiner Wichtigkeit eine Probierlokomotive vorangehe. Dann werden sie die Zerstörung des Geleises bleiben lassen. Wenn Ihr klug seid, wird alles glatt ablaufen. Den Schreiber müßt Ihr so beschäftigen und so durch Freundlichkeit festzuhalten suchen, daß er bis zum Schlafengehen das Haus nicht verläßt und mit keinem Menschen sprechen kann. Dann gebt Ihr ihm eine Stube im Gestock, welche nur ein Fenster hat. Das platte Dach liegt nur eine halbe Elle über diesem letzteren; ich steige hinauf und werde jedes Wort hören, welches gesprochen wird.«

«Ihr seid der Ansicht, daß er zum Fenster hinaus sprechen werde?«

«Allerdings. Dieser sogenannte Haller soll Euch auskundschaften, und der andre, welcher mit ihm kommt, soll den Zwischenträger machen. Es ist gar nicht anders möglich; Ihr werdet das bald einsehen. Dieser andre wird auch Arbeit verlangen, um hierbleiben zu dürfen, sie aber aus irgend einem Grunde nicht antreten, um den Ort beliebig verlassen und den Boten machen zu können. Er wird versuchen, mit dem Schreiber zu sprechen, um Neuigkeiten zu erfahren, kann aber nicht vor der Schlafenszeit an ihn kommen. Dann wird er das Haus umschleichen; der Schreiber wird das Fenster öffnen, und ich liege über demselben auf dem Dache, um alles zu hören. Jetzt freilich kommt Euch das alles noch schwierig und höchst abenteuerlich vor, weil Ihr kein Westmann seid, habt Ihr die Sache aber erst einmal beim Schopfe gepackt, so werdet Ihr erfahren, daß alles ganz selbstverständlich ist.«

«Howgh!«stimmte der Indianer bei.»Meine weißen Brüder mögen jetzt nach einer Stelle suchen, an welcher die Falle geschlossen werden kann. Wenn sie zurückgekehrt sind, werde ich mich entfernen, damit ich hier nicht gesehen werde.«

«Wohin will mein roter Bruder einstweilen gehen?«

«Winnetou ist überall daheim, im Walde und auf der Prairie.«

«Das weiß niemand besser als ich, aber der Häuptling der Apachen kann Gesellschaft finden, wenn er will. Ich habe meine Rafters und die Jäger, welche sich bei ihnen befinden, nach einer Stelle beordert, welche einen Stundenritt unterhalb des Eagle-tail liegt. Sie sollen dort die Tramps beobachten. Die Tante Droll befindet sich bei ihnen.«

«Uff!«rief der Apache, indem sein sonst so ernstes Gesicht einen belustigten Ausdruck annahm.»Die Tante ist ein braves, tapferes und kluges Bleichgesicht. Winnetou wird zu ihr gehen.«

«Schön! Mein roter Bruder wird noch andre tüchtige Männer finden, den schwarzen Tom, den Humply-Bill, den Gunstick-Uncle, lauter Männer, deren Namen er wenigstens gehört hat. Einstweilen aber mag er mit in meine Stube gehen und da warten, bis wir zurückkehren.«

Old Firehand hatte noch vor der Ankunft des Apachen von dem Ingenieur ein Stübchen angewiesen bekommen; dorthin begab er sich jetzt mit Winnetou, um den auffälligen Jagdanzug mit dem andern zu vertauschen, in welchem er von den Bahnarbeitern für einen neu angeworbenen Kameraden gehalten werden konnte; denn diese Leute durften heute noch nicht wissen, daß etwas so Ungewöhnliches im Anzuge sei. Bald stand die Draisine bereit. Old Firehand bestieg mit dem Ingenieur den Vordersitz, und zwei Arbeiter standen über den Laufrädern, um die Handstangen in Bewegung zu setzen. Das Vehikel rollte durch den Ort, in welchem jetzt überall fleißige Hände beschäftigt waren, und dann hinaus auf die freie Bahnstrecke, welche schon bis Kit Karson mit Schienen belegt war.

Der Apache machte es sich indessen bequem; er war die ganze Nacht hindurch geritten und ließ jetzt die Gelegenheit, eine kurze Zeit zu schlafen, nicht unbenutzt vorübergehen. Als die beiden zurückkehrten, wurde er geweckt. Er erfuhr, daß Old Firehand einen höchst geeigneten Ort gefunden hatte, und als ihm derselbe beschrieben worden war, nickte er befriedigt und sagte:»Das ist gut. Die Hunde werden zittern vor Angst und heulen vor Schreck. Es wird eine Erlösung für sie sein, in unsre Hände zu geraten. Winnetou reitet jetzt zu der Tante Droll, um ihr und den Rafters zu sagen, daß sie sich bereithalten mögen.«