«Hm, unter den Genannten scheint sich der, den ich suche, nicht zu befinden.«
«So? Wen sucht Ihr denn?«
«Einen gewissen Mr. Pampel.«
«Pam-pam-pam-pampel?«rief Bill, indem er in ein schallendes Gelächter ausbrach.»Heavens, welch ein Name! Wer kann ihn über die Lippen bringen! Pam-pam-pam- wie war es? Ich muß das Wort noch einmal hören.«
«Mr. Pampel, «wiederholte der Schichtmeister, worauf alle in das Gelächter des Humply-Bill einstimmten.
Das Wort erklang von einer Gruppe zu der andern und zog das Lachen hinter sich her, so daß es auf dem ganzen Platze kein ernstes Gesicht mehr gab.
Kein einziges? O doch. Drolls Miene war unbeweglich geblieben. Er hatte sich ein großes Stück Büffellende hergenommen, schnitt riesige Bissen davon ab, steckte sie, einen nach dem andern, in den Mund und kaute mit einem Eifer und einer Andacht, als ob er weder den Namen noch das schallende Gelächter höre. Als das letztere endlich verstummt war, ließ sich die Stimme Bills wieder vernehmen:»Nein, Sir, da müßt Ihr schlecht berichtet sein. Unter uns gibt es keinen, der Pampel heißt.«
«Aber Old Firehand hat es mir sagen lassen!«antwortete Watson.
«Da habt Ihr den Namen nicht richtig gehört oder nicht richtig behalten. Ich bin überzeugt, daß jeder von uns sich lieber eine Kugel in den Kopf geben als so einen Mann lächerlich machen würde. Meinst du nicht auch, alter Droll?«
Droll hielt im Kauen inne und antwortete:»Eine Kugel? Fällt mir gar nicht ein!«
«Das kannst du freilich sagen, weil du nicht Pampel, sondern Droll heißest. Trügest du aber den ersteren Namen, so bin ich überzeugt, daß du nicht unter die Leute gehen würdest.«
«Aber ich bin ja unter sie gegangen!«
Er betonte das in einer solchen Weise, daß Bill ihn von der Seite visierte und dann fragte:»Also du lachst nicht über diesen Namen?«
«Nein. Ich thue es nicht, um den Kameraden, welcher in der That unter uns weilt und genau so heißt, nicht zu beleidigen.«
«Wie? Was? Dieser Pampel befände sich also wirklich unter uns?«
«Allerdings.«
«Teufel! Wer ist es denn?«
«Ich selber bin es.«
Da sprang Bill auf und rief:»Du, du selbst bist dieser Pam-pam-pam!«
Er konnte vor Lachen nicht weiter und die andern vermochten sich so wenig zu beherrschen, daß sie von neuem einstimmten. Die Heiterkeit wurde dadurch bedeutend erhöht, daß Droll vollständig ernst blieb und so in den Wohlgeschmack der Lende versunken, weiter kaute, als ob er mit dem Gelächter und dessen Ursache nicht das mindeste zu thun habe. Aber als er den letzten Bissen verschluckt hatte, stand er auf, sah sich rund um und rief, daß alle es hörten:»Mesch'schurs, jetzt ist der Spaß zu Ende. Kein Mensch trägt die Schuld an seinem Namen, und wer den meinigen lächerlich findet, der mag es mir jetzt im Ernste sagen und dann sein Messer nehmen, um mit mir ein klein wenig auf die Seite und ins Dunkle zu gehen. Wir werden sehen, wer von uns beiden dann noch lacht!«
Sofort trat eine tiefe Stille ein.
«Aber Droll, «bat der Humply-Bill,»wer konnte ahnen, daß du so heißest! Der Name ist wirklich gar zu apart. Wir haben dich nicht beleidigen wollen, und ich hoffe, daß du mir meine Worte nicht übel nimmst. Komm, setze dich wieder her zu mir!«
«Well, das werde ich thun. Zornig bin ich gar nicht, denn ich weiß, daß das Wort wirklich pamplig klingt; aber nun ihr wißt, daß dies mein Name ist, habt ihr Ruhe zu geben.«
«Natürlich! Versteht sich ganz von selbst. Aber warum hast du ihn uns bisher verschwiegen? Du bist überhaupt ein Kerl, der nicht gern von seinen früheren Verhältnissen spricht.«
«Nicht gern? Wer sagt das? Ich erinnere mich recht gern an die Zeit meiner Vergangenheit aber es hat noch nicht die Gelegenheit gegeben, über dieselbe zu reden.«
«So hole das jetzt nach. Von uns allen andern weißt du, was wir sind und was wir waren. Wir haben alle während des Rittes hieher Brüderschaft gemacht und müssen uns also kennen; nur von dir und über dich wissen wir nichts, fast gar nichts.«
«Weil es überhaupt nicht viel ist, was ihr erfahren könnt. Übrigens meinen Heimatsort kennt ihr bereits.«
«Ja, Langenleuba im Altenburgischen. Was war dein Vater? Dürfen wir es wissen?«
«Warum nicht!«lächelte Droll.»Er war mehr, weit mehr als der Vater manches andern Mannes gewesen ist. Wir haben bis früh drei Uhr auf die Tramps zu warten, und so gibt es Zeit genug, euch alle seine Ehren und Würden zu nennen. Er war Glöckner, Kellner, Kirchner und Totengräber, Kindtaufs-, Hochzeits- und Leichenbitter, Sensenschleifer, Obsthüter und Bürgergardenfeldwebel. Da habt ihr es!«
Man sah ihn forschend an, um zu erkennen, ob er im Scherze oder im Ernste spreche.
«Glaubt's nur immerhin!«versicherte er.»Er ist das gewiß und wirklich gewesen, und wer die Verhältnisse da drüben kennt, der weiß nun, daß mein Vater ein blutarmer Teufel war, und aber trotzdem in Ehren stand und die Achtung seiner Mitbürger genossen hat. Wir waren fast ein Dutzend Kinder und haben gehungert und gekummert, um ehrlich durch die Welt zu kommen, und ich kann euch später wohl erzählen — «
«Halt, bitte!«unterbrach ihn da der Schichtmeister.»Ihr achtet nur auf den Wunsch der andern, aber nicht darauf, Sir, daß ich nach Euch gefragt habe. Old Firehand hat mir Euren Namen sagen lassen — «
«Ja, er ist der einzige, welcher weiß, daß ich so heiße.«
«Damit, «fuhr Watson fort,»ich von Euch erfahren möge, was aus Eurem Landsmann Engel geworden ist.«
«Engel? Welchen Engel meint Ihr?«
«Den Jäger und Fallensteller, welcher droben am Silbersee gewesen ist.«
«Den, den meint Ihr?«fuhr Droll auf.»Habt Ihr ihn gekannt?«
«Wie mich selbst! Lebt er noch?«
«Nein; er ist tot.«
«Wißt Ihr das genau?«
«Ganz genau. Wo habt Ihr ihn denn kennen gelernt?«
«Eben droben am Silbersee. Wir haben einen ganzen Winter dort verbringen müssen, weil wir eingeschneit — «
«So heißt Ihr Watson?«rief Droll, ihn unterbrechend.
«Ja, Sir; so ist mein Name.«
«Watson, Watson! Welch ein Zufall! Doch nein, es gibt ja keinen Zufall! Es ist Gottes Schickung! Master, ich kenne Euch, wie ich meine Tasche kenne, und habe Euch doch noch nie gesehen.«
«So hat man Euch von mir erzählt? Wer ist das gewesen?«
«Der Bruder Eures Kameraden Engel. Schaut her! Dieser Knabe heißt Fred Engel; er ist der Neffe Eures Gefährten vom Silbersee und mit mir ausgezogen, um den Mörder seines Vaters zu suchen.«
«Ist sein Vater ermordet worden?«fragte Watson, indem er dem Knaben die Hand bot und ihm freundlich zunickte.
«Ja, und zwar einer Zeichnung wegen, welche — «
«Wieder die Zeichnung!«fiel der Schichtmeister ein.»Kennt Ihr den Mörder? Jedenfalls ist's der rote Cornel!«
«Ja, er ist's, Sir. Aber — er soll ja auch Euch ermordet haben!«
«Nur verwundet, Sir, nur verwundet. Der Stich traf glücklicherweise nicht ins Herz. Dennoch wäre ich an Verblutung zu Grunde gegangen, wenn nicht ein Retter erschienen wäre, ein Indianer, welcher mich verband und dann zu andern Roten brachte, bei denen ich bleiben durfte, bis ich gesund geworden war. Dieser, mein Retter, ist der berühmteste der Indianer und heißt — «
Er sprach den Satz nicht aus; er hielt mitten in demselben inne; richtete sich langsam empor und starrte nach dem Felsen, als ob er eine überirdische Erscheinung sähe. Von dorther kam Winnetou langsam gegangen. Er hatte sich entfernt, um zu rekognoszieren.
«Da kommt er, da kommt er, Winnetou der Häuptling der Apachen!«schrie der Schichtmeister.»Er ist da, er ist hier! Welch ein Glück! Winnetou, Winnetou!«
Er stürzte auf den Häuptling zu, faßte die Hände desselben und zog sie an seine Brust. Der Apache blickte ihm ins Angesicht, und seine Züge legten sich in ein weiches, freundliches Lächeln, als er antwortete:»Mein weißer Bruder Watson! Ich kam zu den Kriegern der Timbabatsch und erfuhr von ihnen, daß du wieder gesund geworden und nach dem Mississippi gegangen seist. Der gute Manitou muß dich sehr lieb gehabt haben, daß er deine Wunde, welche schlimmer war, als ich dir gestand, heilen ließ. Setze dich nieder, und erzähle, wie deine ferneren Tage bis auf den heutigen verlaufen sind!«