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«Also nicht nach Puebla, «meinte der Schichtmeister,»sonst hätte ich, als ich später dorthin kam, seine Spur vielleicht gefunden. Was that er dann?«

«Er schloß sich als Fuhrmann einem Handelszug an, welcher nach alter Weise auf dem Arkansaswege nach Kansas City ging. Als er dort seinen Lohn empfing, hatte er die Mittel, seinen Bruder aufzusuchen. In Russelville angekommen, hörte er, daß dieser fortgegangen sei, doch erhielt er von dem Nachbar einen für ihn zurückgelassenen Brief, in welchem stand, daß er ihn in Benton, Arkansas, finden werde.«

«Ah, dort! Und gerade Benton ist einer der wenigen Orte, wohin ich nicht gekommen bin!«sagte Watson.»Wie aber stand es mit der Zeichnung, welche er bei sich trug?«

«Die hatte im Wasser des Orforkes gelitten, und Engel mußte sie kopieren. Natürlich erzählte er seinem Bruder alles, und dieser war gern bereit, den Ritt mit ihm zu unternehmen. Leider aber stellte es sich bald heraus, daß jenes Erlebnis nicht so folgenlos sei, wie man angenommen hatte. Engel begann zu husten und zehrte rasch ab. Der Arzt erklärte, daß er an der galoppierenden Schwindsucht leide, und acht Wochen nach seinem Eintreffen beim Bruder war er eine Leiche. Das lange Stehen im kalten Frühjahrswasser hatte ihn zum Todeskandidaten gemacht.«

«Also hat dieser Cornel doch sein Leben auf dem Gewissen.«

«Wenn er weiter nichts zu tragen hätte! Hier unter uns gibt es mehrere, welche mit diesem vielfachen Mörder abzurechnen haben. Aber hört, was weiter geschehen ist! Engel, der Bruder nämlich, war ein wohlhabender Mann, der sein Feld baute und nebenbei einen einträglichen Handel trieb. Er hatte zwei Kinder, einen Knaben und ein Mädchen. Die Familie bestand aus den Eltern, diesen beiden Kindern und einem Burschen für alles, welcher, wenn es not that, auch die Arbeit einer Magd verrichtete. Eines Tages nun ist ein Fremder zu Engel gekommen und hat demselben einen so lukrativen Handelsantrag gemacht, daß dieser ganz entzückt davon gewesen ist. Der Fremde hat sich für einen Kanalbootunternehmer ausgegeben und gesagt, daß er als Goldsucher sein Glück gemacht habe. Bei dieser Gelegenheit ist zur Sprache gekommen, daß er damals einen Jäger kennen gelernt habe, Namens Engel, der auch ein Deutscher gewesen sei. Damit war natürlich der Bruder gemeint, und es ist soviel zu erzählen gewesen, daß der Nachmittag und der Abend vergangen sind, ohne daß der Fremde an den Aufbruch gedacht hat. Natürlich wurde er gebeten, über Nacht zu bleiben, was er nach einigem Zureden auch annahm. Engel hat schließlich den Tod seines Bruders und die Ursache desselben erzählt und die Zeichnung aus dem kleinen Wandschränkchen geholt. Später ging man zur Ruhe. Die Familie schlief eine Treppe hoch in einer nach hinten gelegenen Stube und der Bursche ebendaselbst, aber auf der andern Seite, in einer kleinen Kammer. Dem Gaste hatte man das gute Zimmer, welches nach vorn lag, angewiesen. Unten war alles verschlossen worden, und Engel hatte, wie es stets zu geschehen pflegte, die Schlüssel mit hinaufgenommen. Nun war kurz vorher der Geburtstag des Knaben Fred gewesen, an welchem er ein zweijähriges Fohlen als Geschenk erhalten hatte. Noch mochte er nicht lange geschlafen haben, als er wieder erwachte. Es fiel ihm ein, daß er heute abend infolge der vielen und interessanten Abenteuer, welche erzählt worden waren, vergessen hatte, das Pferd zu füttern. Er stand also wieder auf und verließ ganz leise, um niemand zu wecken, das Schlafzimmer. Unten schob er den Riegel von der Hinterthür und ging über den Hof in den Stall. Licht mitzunehmen, hatte er nicht für nötig gehalten, auch war die Küche, in welcher sich die Laterne befand, verschlossen. Er mußte also im Finstern füttern, weshalb er länger als gewöhnlich zubrachte. Noch war er nicht fertig, als er glaubte, einen Schrei gehört zu haben. Er trat aus dem Stalle in den Hof und sah Licht in der Schlafstube. Dieses verschwand und erschien gleich darauf in der Kammer des Knechtes. Dort erhob sich ein großer Lärm. Der Knecht schrie, und Möbel krachten. Fred rannte zur Mauer und kletterte am Weinspalier bis zum Fenster empor. Als er durch dasselbe blickte, sah er, daß der Bursche am Boden lag; der Fremde kniete auf ihm, hielt ihm mit der Linken die Gurgel zu und mit der Rechten einen Revolver an den Kopf. Zwei Schüsse knallten. Fred hatte schreien wollen, aber keinen Ton hervorgebracht. Er ließ vor Schreck das Spalier aus den Händen und stürzte, eben als die Schüsse krachten, auf die Steine des gepflasterten Hofes hinab. Er war mit dem Kopfe aufgeschlagen und hatte die Besinnung verloren. Als er wieder zu sich kam, fragte er sich, was zu thun sei. Der Mörder befand sich wohl noch im Hause; darum durfte er sich nicht hineinwagen. Aber Hilfe mußte geschafft werden. Er sprang also über die Fenz, wobei er aus Leibeskräften schrie, um den Mann zu verjagen und von den Eltern abzuhalten, und rannte der Wohnung des nächsten Nachbars zu. Diese lag ebenso wie Engels Haus eine Strecke vom Orte entfernt. Die Leute hörten die Hilferufe, waren schnell munter und kamen aus dem Hause. Als sie hörten, was geschehen sei, bewaffneten sie sich und folgten dem zurückkehrenden Knaben. Noch hatten sie das Haus nicht erreicht, so sahen sie, daß es im Stockwerke desselben brannte. Der Fremde hatte Feuer angelegt und war dann entwichen. Die Flammen hatten so rasch um sich gegriffen, daß man schon nicht mehr nach oben konnte; was in den untern Räumen stand und lag, wurde meist geborgen. Das Wandschränkchen stand offen und war leer. Die Leichen, zu denen man unmöglich gelangen konnte, mußten verbrennen.«

«Gräßlich — schrecklich!«rief es rundum, als der Erzähler jetzt eine Pause machte. Fred Engel saß am Feuer, hielt das Gesicht in die Hände und weinte leise.

«Ja, gräßlich!«nickte Droll.»Der Fall erregte Aufsehen. Es wurde geforscht nach allen Richtungen, doch vergeblich. Die beiden Brüder Engel hatten in St. Louis eine Schwester, die Frau eines reichen Flußreeders. Sie bot zehntausend Dollar Prämie auf das Ergreifen des Raub- und Brandmörders; auch das fruchtete nichts. Da kam sie auf den Gedanken, sich an das Privatdetektivbureau von Harris und Blother zu wenden, und das hat Erfolg gehabt.«

«Erfolg?«fragte Watson.»Der Mörder ist ja noch frei! Ich nehme natürlich an, daß es der Cornel ist.«

«Ja, er ist noch frei, «antwortete Droll,»aber schon so gut wie abgethan. Ich begab mich nach Benton, um dort die Augen einmal besser aufzumachen, als andre es gethan hatten, und — «

«Ihr? Warum Ihr?«

«Um mir die Fünftausend zu verdienen.«

«Es waren doch Zehntausend!«

«Das Honorar wird geteilt, «bemerkte Droll.»Die eine Hälfte bekommt Harris und Blother, die andre der Detektiv.«

«Ja, seid denn Ihr, Sir, ein Polizist?«

«Hm! Ich denke, daß ich es hier mit lauter ehrlichen Leuten zu thun habe, unter denen es keinen gibt, dem man auch einmal auf die Fersen gesetzt wird, und so will ich sagen, was ich bisher verschwiegen habe: Ich bin Privatpolizeiagent und zwar für gewisse Distrikte des fernen Westens. Ich habe schon manchen Mann, der sich ganz sicher fühlte, an Master Hanf geliefert und denke, dies auch weiter fortzuüben. So, nun wißt Ihr es, und nun kennt Ihr auch den Grund, warum ich nicht von mir zu sprechen pflege. Der alte Droll, über den schon viele Hunderte gelacht haben, ist, wenn man ihn kennt, kein so sehr lächerlicher Kerl. Doch das gehört nicht hieher; ich habe von dem Morde zu sprechen.«

Hatte man vorhin über den sonderbaren Namen der Tante gelacht, so sah man jetzt Droll mit ganz andern Augen an. Sein Geständnis, daß er Detektiv sei, warf einen erklärenden Schein auf seine ganze Persönlichkeit, auf alle seine angenommenen Eigenheiten. Er versteckte sich hinter sein drolliges Wesen, um seine Hände desto sicherer nach dem, den er fassen wollte, ausstrecken zu können.

«Also, «fuhr er fort,»ich machte mich vor allen Dingen an Fred und fragte ihn aus. Ich erfuhr, was erzählt und gesprochen worden war. Das Wandschränkchen war von dem Mörder geöffnet worden. Er hatte es nicht aufbrechen dürfen, weil durch das dabei verursachte Geräusch die Bewohner des Hauses aufgeweckt worden wären; er hatte dieselben ermordet, um zu der Zeichnung zu kommen. Er wollte dieselbe natürlich benutzen, folglich hegte er die Absicht, nach dem Silbersee zu gehen. Ich mußte ihm nach und nahm Fred mit, der ihn gesehen hatte, und also erkennen würde. Schon auf dem Steamer, als ich die Tramps erblickte, war ich meiner Sache ziemlich sicher; die Gewißheit ist von Tag zu Tag gewachsen, und hoffentlich fällt mir der Thäter heute in die Hand.«