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«Belladonna meinst du wohl, «verbesserte Jemmy.

«Schweig!«gebot der Kleine.»Belladonna hat gar keenen Sinn. Es heeßt Bellamadonna; das muß ich, der ich in Moritzburg geboren bin, doch wissen. Dort wächst die Bellamadonna wild im Walde, und ich habe sie wohl tausendmal schtehen sehen. Horcht! Er schießt.«

Old Shatterhand hatte jetzt zwei Schüsse so schnell hintereinander abgefeuert, daß sie fast wie einer klangen. Sie sahen ihn eine Strecke aufwärts rennen und sich zweimal bücken, um etwas aufzuheben. Dann kam er zu ihnen zurück. Er hatte zwei Prairiehunde erlegt, steckte sie in die Satteltasche und stieg dann wieder auf. Hobble-Frank machte ein sehr zweifelhaftes Gesicht und fragte im Weiterreiten:»Soll das etwa der Braten sein? Da dank ich ganz ergebenst!«

«Warum?«

«Solch Zeug verzehr' ich nich!«

«Hast du es denn schon einmal gekostet?«

«Nee! Das ist mir nich im Troome eingefallen!«

«So hast du auch kein Urteil darüber, ob ein Prairiehund genießbar ist oder nicht. Hast du vielleicht einmal eine junge Ziege gegessen?«

«Een junges Zikkel?«antwortete Frank, indem er mit der Zunge schnalzte.

«Natürlich habe ich das gegessen. Hören Sie, das is was ganz und gar Apartes!«

«Wirklich?«lächelte Old Shatterhand.

«Off Ehre! Eene Delikatesse, die wirklich ihresgleichen sucht.«

«Und Tausende lachen darüber!«

«Ja; aber diese Tausende sind dumm. Ich sage Ihnen, wir Sachsen sind helle und verschtehen uns off imprägnierte Genüsse wie keene andre europäische Nation. Een junges Zikkel in die Pfanne, eene kleene Zehe Knobloch und een paar Schtengeln Majoran hinein und das recht braun und knusperig gebraten, das is Sie een wahres Götteressen für die Herren und Damen des Olymps. Ich kenne das, denn so um Ostern 'rum, wenn's junge Ziegen gibt, da ißt ganz Sachsen Sonn- und Feiertags nur Zikkelbraten.«

«Sehr wohl! Aber sage mir, ob du auch schon einmal Lapin gegessen hast!«

«Lapäng? Was ist denn das?«

«Zahmer Hase, Kuhhase oder Karnickel, wie ihr in Sachsen sagt. Eigentlich heißt es Kaninchen.«

«Karnickel? Alabonnör! Das ist ooch etwas ganz Expansives. In Moritzburg und Umgegend gab's meiner Zeit zur Kirchweih schtets Karnickel. Das Fleesch is zart wie Butter und zerleeft eenem geradezu off der Zunge.«

«Es gibt aber viele, welche dich auslachen würden, wenn du ihnen dies sagtest.«

«So sind sie nicht recht gescheit im Koppe. So een Karnickel, welches nur die besten und feinsten Kräuterspitzen frißt, muß een durchaus obligates Fleesch haben; das verschteht sich ganz von selbst. Oder glooben ooch Sie es nich?«

«Ich glaube es; aber dafür verlange ich, daß du mir nun auch meinen Prairiehund nicht schändest. Du wirst sehen, daß er gerade wie junge Ziege und fast wie Kaninchen schmeckt.«

«Davon hab' ich noch nie etwas gehört!«

«So hast du es heute gehört und wirst es auch schmecken. Ich sage dir, daß — halt, sind das nicht Reiter, welche dort kommen?«

Er deutete nach Südwest, wo eine Anzahl Gestalten sich bewegten. Sie waren noch so entfernt, daß man noch nicht zu unterscheiden vermochte, ob es Tiere, vielleicht Büffel, oder Reiter seien. Die vier Jäger ritten langsam weiter und hielten die Augen auf diese Gruppe gerichtet. Nach einiger Zeit erkannte man, daß es Reiter seien, und bald darauf zeigte es sich, daß dieselben Uniformen trugen; es waren Soldaten.

Diese hatten eigentlich eine nordöstliche Richtung eingehalten; nun aber sahen sie die vier und änderten ihren Kurs, um im Galopp heranzukommen. Es waren ihrer zwölf, von einem Lieutenant angeführt. Sie näherten sich bis auf vielleicht dreißig Schritte und blieben da halten. Der Offizier musterte die vier Reiter mit finsterem Blicke und fragte dann:»Woher des Weges, Boys?«

«Alle Wetter!«brummte Hobble-Frank.»Wollen wir uns wirklich mit» Boys «anreden lassen? Dieser Kerl muß doch sehen, daß wir den bessern Schtänden angehören!«

«Was gibt's zu flüstern!«rief der Lieutenant in strengem Tone.»Ich will wissen, woher ihr kommt!«

Frank, Jemmy und Davy sahen auf Old Shatterhand, was dieser thue oder sagen werde. Er antwortete in ruhigstem Tone:»Aus Leadville.«

«Und wohin wollt ihr?«

«Nach den Elk Mountains.«

«Das ist eine Lüge!«

Old Shatterhand trieb sein Pferd an, bis es neben demjenigen des Offiziers stand, und fragte noch immer in demselben ruhigen Tone:»Habt Ihr einen Grund, mich Lügner zu nennen?«

«Ja!«

«Nun, welchen?«

«Ihr kommt nicht aus Leadville, sondern von Indian-Fort herauf.«

«Da irrt Ihr Euch.«

«Ich irre mich nicht. Ich kenne euch.«

«So? Nun, wer sind wir denn?«

«Die Namen kenne ich nicht; aber ihr werdet sie mir sofort sagen.«

«Und wenn wir das nicht thun?«

«So nehme ich euch mit.«

«Und wenn wir uns das nicht gefallen lassen, Sir?«

«So habt ihr die Folgen zu tragen. Wer und was wir sind, und was diese Uniform zu bedeuten hat, das ist euch bekannt. Wer von euch nach der Waffe greift, den schieße ich nieder.«

«Wirklich?«lächelte Old Shatterhand.»So versucht doch einmal, ob Ihr dieses Exempel fertig bringt. Da, seht!«

Er hatte das Gewehr in der Rechten und hielt es par pistolet auf den Offizier gerichtet; zugleich hatte er den einen Revolver gezogen. Ebenso schnell hatten Frank, Davy und Jemmy ihre Waffen bei der Hand.

«Alle Teufel!«rief der Lieutenant, indem er nach dem Gürtel greifen wollte.»Ich — «

«Halt!«rief Old Shatterhand ihm donnernd in die Rede.»Hand weg vom Gürtel, Boy! Alle Hände in die Höhe, sonst blitzt es bei uns!«

In Situationen, wie die gegenwärtige, kommt, wenn sie ernst gemeint sind, was hier aber nicht der Fall war, es darauf an, wer zuerst die Waffe schußbereit hat. Dieser fordert den andern auf, die Hände in die Höhe zu halten, um sie so weit wie möglich von den im Gürtel oder in den Taschen steckenden Waffen zu entfernen. Gehorcht der Aufgeforderte dieser Weisung nicht augenblicklich, so ist's um ihn geschehen, denn er bekommt die Kugel auf der Stelle. Dies wußte der Offizier und dies wußten auch seine Leute. Im Gefühle ihrer Übermacht und Sicherheit hatten sie es versäumt, die Wehr bei der Hand zu halten, sie sahen die Mündungen von acht Gewehren und Revolvern auf sich gerichtet; sie waren überzeugt, es mit verbrecherischem Gesindel zu thun zu haben, und darum fügten sie sich augenblicklich in den ihnen gewordenen Befehl; sie streckten ihre Hände empor.

Es war eigentlich ein gespaßiger Anblick, so viele gut bewaffnete Kavalleristen mit hoch erhobenen Armen auf ihren Pferden halten zu sehen. Ein leises Lächeln ging über Old Shatterhands stets so ernste Züge, als er jetzt fortfuhr:»So! Was glaubt Ihr nun wohl, Boy, daß wir thun werden?«

«Schießt zu!«antwortete der Lieutenant, an welchen diese Frage gerichtet worden war.»Aber die Rache wird euch verfolgen, bis sie euch eingeholt hat.«

«Pshaw! Was hätten wir davon, wenn wir unsre guten Kugeln an Leute verschwendeten, welche sich von vier vermeintlichen armseligen Strolchen so einschüchtern lassen, daß sie die Arme gen Himmel strecken! Einen Ruhm gewißlich nicht! Ich wollte Euch nur eine gute Lehre erteilen. Ihr seid noch jung und werdet sie gebrauchen können. Seid stets möglichst höflich, Sir! Ein Gentleman läßt sich nicht vom ersten besten, der ihm begegnet, mit» Boy «anreden. Und sodann, straft niemals Leute Lügen, wenn Ihr nicht den Beweis führen könnt, daß sie wirklich Lügner sind; Ihr könntet leicht an den Unrechten kommen, wie gegenwärtige Figura zeigt. Und drittens, wenn Ihr hier im Westen auf Leute trefft, mit denen Ihr nicht zärtlich zu verfahren gedenkt, so nehmt die Gewehre in die Hände; es könnte Euch sonst geschehen, daß Ihr gezwungen wäret, ganz dieselbe Schuljungenstellung einzunehmen, wie im gegenwärtigen Augenblicke. Ihr habt Euch in uns geirrt. Wir sind weder» Boys «noch Lügner. Und nun laßt die Arme wieder sinken; wir haben nicht die Absicht, Euch Löcher in die Haut zu machen!«