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«Das finde ich nicht unbillig. Ist man auf diese Forderungen eingegangen?«

«Nein. Es fällt den Weißen gar nicht ein, den Roten die Berechtigung zu irgend einer Forderung zuzusprechen. Die Gesandtschaft ist unverrichteter Sache heimgekehrt, und infolgedessen sind die Tomahawks ausgegraben worden. Die Utahs stehen in Masse auf, und da wir hier im Territorium leider nicht genug Militär besitzen, um sie mit einem Schlage niederwerfen zu können, so hat man sich nach Verbündeten umgesehen. Es sind einige Offiziere zu den Navajos hinab, um sie gegen die Utahs zu gewinnen, und das ist auch gelungen.«

«Und was ist den Navajos für ihren Beistand geboten worden?«

«Alle Beute, welche sie machen.«

Das Gesicht Old Shatterhands verfinsterte sich, als er dies hörte. Er sagte kopfschüttelnd:»Also erst werden die Utahs überfallen, beraubt und ihrer viele getötet; als sie Bestrafung der Übelthäter und Ersatz verlangen, weist man sie ab, und nun sie die Angelegenheit in die eigenen Hände nehmen, hetzt man die Navajos gegen sie und bezahlt diese letzteren mit der Beute, welche den Beleidigten abgenommen wird! Ist es da ein Wunder zu nennen, wenn sie sich bis zum Äußersten getrieben fühlen? Ihre Erbitterung muß groß sein, und wehe nun allerdings dem Weißen, welcher in ihre Hände fällt!«

«Ich habe nur zu gehorchen und besitze kein Recht, irgend ein Urteil zu fällen. Ich habe Euch diese Mitteilung gemacht, um Euch zu warnen, Sir. Meine Ansichten dürfen nicht die Eurigen sein.«

«Das begreife ich. Nehmt meinen Dank für die Warnung, und wenn Ihr im Fort von der Begegnung mit uns erzählt, so sagt dabei, daß Old Shatterhand kein Feind der Roten ist und es lebhaft bedauert, daß eine reichbegabte Nation zu Grunde gehen muß, weil man ihr keine Zeit läßt, sich nach den Gesetzen menschlicher Kultur natürlich zu entwickeln, sondern von ihr verlangt, sich nur so im Handumdrehen aus einem Jägervolke in eine moderne Staatsgemeinschaft zu verwandeln. Mit ganz demselben Rechte kann man einen Schulknaben umbringen, weil er noch nicht das Geschick und die Kenntnisse besitzt, General oder Professor der Astronomie zu sein. Good bye, Sir!«

Er wendete sein Pferd und ritt, gefolgt von den drei Gefährten, davon, ohne noch einen ferneren Blick auf die Soldaten zu werfen, welche ihm betroffen nachblickten und dann ihren unterbrochenen Ritt fortsetzten. Der Zorn hatte ihn zu seiner letzten und, wie er gar wohl wußte, zwecklosen Rede verleitet; desto schweigsamer verhielt er sich nun jetzt, als er wortlos dem Gedanken nachhing, daß es ganz umsonst ist, den» Bruder Jonathan «darüber zu belehren, daß er keine größere Daseinsberechtigung besitze als der Indianer, welcher von Ort zu Ort, von Stelle zu Stelle getrieben wird, bis er, wie vorauszusehen ist, sein zu Tode gehetztes Dasein unbemitleidet endet.

Es verging eine halbe Stunde, dann erwachte Old Shatterhand aus seinem Grübeln, um seine Aufmerksamkeit dem Horizonte zu widmen, welcher jetzt die Form einer dunklen, immer breiter werdenden Linie angenommen hatte. Die Hand nach demselben ausstreckend, sagte er:»Dort liegt der Wald, von welchem ich gesprochen habe. Gebt euren Pferden die Sporen; dann werden wir ihn in fünf Minuten erreichen.«

Es muß erwähnt werden, daß sich die Umgangsform zwischen ihm und seinen drei Gefährten in der Weise herausgebildet hatte, daß er sie mit dem vertraulichen Du anredete, während sie bei dem achtungsvollen Sie oder, falls englisch gesprochen wurde, dem gebräuchlichen You, Ihr, geblieben waren. Keiner von ihnen hätte sich ungestraft von irgend jemand mißachten oder gar beleidigen lassen, aber sich auf gleiche Stufe mit ihm zu stellen, das hatten sie doch nicht fertig gebracht.

Jetzt wurden die Pferde in Galopp gesetzt, und bald erreichten die vier Reiter einen hohen, dichten Fichtenwald, dessen Rand so fest geschlossen zu sein schien, daß zu Pferde an kein Durchkommen zu denken war. Aber Old Shatterhand wußte Bescheid. Er ritt direkt auf eine Stelle zu, trieb sein Pferd durch das schmale Unterholz und befand sich nun auf einem sogenannten Indianerpfad, einer von den zuweilen hier verkehrenden Roten ausgetretenen Bahn von kaum drei Fuß Breite. Er stieg zunächst ab, um die Stelle nach neuen Spuren zu durchsuchen; als er keine fand, stieg er wieder auf und forderte seine Begleiter auf, ihm zu folgen.

Hier im heimlichen Urwalde wehte nicht das leiseste Lüftchen, und außer den Schritten der Pferde war kein Geräusch zu vernehmen. Old Shatterhand hielt den Stutzen schußbereit in der rechten Hand und den Blick scharf nach vorn gerichtet, um bei einer etwaigen feindlichen Begegnung der erste zu sein, welcher die Waffe auf den Gegner richtet. Aber er war überzeugt, daß es jetzt eine solche Gefahr nicht gebe. Wenn die Roten die Gegend zu Pferde durchstreiften, so befanden sich ihrer so viele beisammen, daß sie gewiß keinen solchen Pfad aufsuchten, wo nichts zu entdecken war und durch die Dichtheit des Waldes die Bewegung erschwert wurde. Es gab auf diesem Pfade nur wenige Stellen, an denen es einem Reiter möglich gewesen wäre, umzukehren. Eine ganze Schar berittener Indianer wäre im Falle eines Angriffes durch nur wenige Fußgänger hier verloren gewesen.

Nach längerer Zeit öffnete sich der Pfad auf eine Blöße, in deren Mitte mehrere große Felsblöcke hoch aufeinander getürmt lagen. Sie waren mit Flechten überzogen und in den Ritzen hatten Sträucher die nötige Nahrung für ihre Wurzeln gefunden. Hier hielt Old Shatterhand an, indem er sagte:»Das ist der Ort, an welchem wir den Pferden einige Ruhe gönnen wollen und indessen unsre Prairiehunde braten können. Wasser gibt es auch, wie ihr seht.«

Es floß nämlich eine kleine Quelle unter den Steinen hervor, schlängelte sich über die Lichtung hin und verlor sich dann im Walde. Die Reiter stiegen ab, gaben ihren Pferden die Mäuler zum Grasen frei und suchten dann nach dürrem Holze, um ein Feuer anzubrennen. Jemmy übernahm es, die Prairiehunde abzuhäuten und auszunehmen, und Old Shatterhand entfernte sich, um nachzusehen, ob man an diesem Orte jetzt sicher sei.

Der Wald war nämlich nur drei Viertelstunden breit und wurde quer von dem Indianerpfade durchschnitten. Die Blöße lag ungefähr in der Mitte desselben.

Nicht lange, so briet das Fleisch über dem Feuer, und ein gar nicht übler Duft zog durch die Lichtung. Dann kehrte Old Shatterhand zurück. Er war schnellen Schrittes bis an den jenseitigen Waldesrand gegangen, von welchem aus man weit über eine offene Prairie sehen konnte. Sein Auge hatte nichts Verdächtiges gewahren können, und so brachte er den dreien die Nachricht, daß keine Überraschung zu befürchten sei.

Nach einer Stunde war der Braten fertig, und Old Shatterhand nahm sich ein Stück desselben.

«Hm!«brummte der Hobble-Frank.»Hundebraten essen! Wenn das früher mal eenem eingefallen wäre, mir zu prophezeien, daß ich den besten Freund des Menschen verschpeisen würde, dem hätte ich eene Antwort gegeben, daß ihm die Haare zu Berge geschtanden hätten. Aber ich habe eben Hunger und muß es also probieren.«

«Es ist ja kein Hund, «erinnerte Jemmy.»Du hast ja gehört, daß dieses Murmeltier nur seiner Stimme wegen fälschlicherweise den Namen Prairiehund erhalten hat.«

«Das bessert an der Sache nischt; das macht sie vielmehr noch schlimmer. Murmelbraten! Sollte man so was denken! Der Mensch is doch zuweilen zu recht konsistenten Dingen beschtimmt. Na, wollen sehen.«