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Er nahm sich ein Stück Brust und kostete es verzagt; dann aber klärte sich sein Gesicht auf; er schob ein größeres Stückchen in den Mund und erklärte kauend:»Wirklich gar nich übel, off Ehre! Es schmeckt wirklich beinahe wie Karnickel, wenn ooch nich ganz so fein wie Zikkelbraten. Kinder, ich denke, von diesen beeden Hunden wird nich viel übrig bleiben.«

«Wir müssen für den Abend aufheben, «antwortete Davy.»Wir wissen nicht, ob wir heute noch etwas schießen.«

«Ich sorge nich für schpäter. Wenn ich müde bin und mich in Orpheusens Arme werfen kann, so bin ich vorderhand vollschtändig zufrieden geschtellt.«

«Morpheus heißt es, «verbesserte Jemmy.

«Schweigste gleich schtille! Du wirscht mir doch nich etwa een M vor meinen Orpheus machen wollen! Den kenn' ich ganz genau; in dem Dorfe Klotsche bei Moritzburg gab es eenen Gesangverein, welcher» Orpheus in der Oberwelt «hieß; diese Kerle sangen so tellurisch lieblich, daß die Zuhörer schtets in den angenehmsten Schlummer sanken. Darum schtammt von dorther, also aus Klotsche, das Schprichwort von dem Orpheus in die Arme sinken. Schtreite dich also nich mit mir, sondern verzehre deinen Prairiehund mit schweigsamer Bedächtigkeet; dann wird er dir besser bekommen, als wenn du dich mit eenem Manne von meinen Erfahrungen herumschtreitest. Du weeßt, ich bin een guter Kerl, aber wenn mir jemand beim Essen eenen Morpheus offbinden will, da werde ich deschperat und importiert!«

Old Shatterhand winkte Jemmy, zu schweigen, damit das Essen ohne Störung eingenommen werde, konnte aber eine andre Störung nicht verhüten, welche ihnen nicht durch den kleinen, erregbaren Hobble-Frank drohte. Wenn die vier Männer sich ganz sicher wähnten, so befanden sie sich in einem großen Irrtum. Es näherte sich ihnen die Gefahr in Gestalt von zwei Reitertrupps, welche ihre Richtung auf den Wald genommen hatten.

Der eine dieser Trupps war klein; er bestand nur aus zwei Reitern, welche von Norden her kamen und auf die Fährte von Old Shatterhand und seinen Genossen stießen. Sie hielten an und sprangen von den Pferden, um die Spur zu untersuchen. Die Art und Weise, in welcher dies geschah, ließ vermuten, daß sie keine unerfahrenen Westmänner seien. Sie waren gut bewaffnet; aber ihre Kleidung hatte gelitten. Gewisse Anzeichen machten es denkbar, daß sie in letzter Zeit keine guten Tage erlebt hatten. Was ihre Pferde betraf, so waren dieselben wohlgenährt und munter, doch ohne Sattel, auch ungezäumt und nur mit einem Riemenhalfter versehen. In dieser Weise pflegen die Pferde der Indianer in der Nähe der Lager zu weiden.

«Was meinst du zu dieser Fährte, Knox?«fragte der eine.»Sollten wir vielleicht Rote vor uns haben?«

«Nein, «antwortete der Gefragte in bestimmtem Tone.

«Also Weiße! Woraus schließest du das?«

«Die Pferde waren beschlagen, und die Männer ritten nicht hinter-, wie die Roten es thun, sondern nebeneinander.«

«Und wie viele sind es?«

«Nur vier. Wir haben also nichts zu fürchten, Hilton.«

«Außer wenn es Soldaten sind!«

«Pshaw! Auch dann nicht. Auf einem Fort dürfen wir uns freilich nicht sehen lassen; da gibt es so viele Augen und Fragen, daß wir uns sicher verraten würden. Aber vier Kavalleristen, die würden nichts aus uns herausbringen. Aus welchen Gründen sollten sie auch wohl die Vermutung ziehen, daß wir zu den Weißen gehören, von denen die Utahs überfallen worden sind!«

«Das denke ich freilich auch; aber oft hat der Teufel sein Spiel, ohne daß man es vorher ahnen kann. Wir befinden uns in einer miserablen Lage. Von den Roten gehetzt und von den Soldaten gesucht, irren wir in dem Gebiete der Utahs hin und her. Es war eine Dummheit, uns von diesem roten Cornel und seinen Tramps goldene Berge vormalen zu lassen.«

«Eine Dummheit? Gewiß nicht. Schnell reich werden zu können, das ist eine schöne Sache, und ich verzweifle noch lange nicht. In kurzer Zeit wird der Cornel mit dem andern Trupp nachkommen, und dann brauchen wir uns nicht mehr zu sorgen.«

«Aber bis dahin kann viel geschehen.«

«Gewiß. Wir müssen versuchen, aus dieser schlimmen Lage zu kommen. Denke ich darüber nach, so finde ich nur einen Weg dazu, und dieser öffnet sich uns gerade eben jetzt.«

«Welcher wäre das?«

«Wir müssen Weiße zu finden suchen, denen wir uns anschließen. In ihrer Gesellschaft werden wir für Jäger gelten und es wird niemand einfallen, uns in Beziehung zu den Leuten zu bringen, welche die Utahs gezwungen haben, das Beil des Kriegs auszugraben.«

«Und du meinst, daß wir solche Männer vor uns haben?«

«Ich denke es. Sie sind nach dem Walde. Laß uns ihnen folgen.«

Sie ritten auf der Fährte Old Shatterhands dem Walde zu. Dabei sprachen sie von ihren Erlebnissen und Absichten. Aus ihren Reden war zu entnehmen, daß sie Verbündete des roten Cornels waren.

Dieser hatte seinen Trupp, welcher bekanntlich aus den zwanzig am Eagle-tail entkommenen Tramps bestand, zu vermehren getrachtet. Er war zu der Erkenntnis gekommen, daß seine Schar droben in den Bergen voraussichtlich von den Indianern derb gelichtet werde und daß zwanzig also viel zu wenig seien. Darum hatte er während des Rittes durch Colorado einen jeden, welcher Lust dazu zeigte, an sich gezogen. Das waren natürlich lauter existenzlose Menschen, deren Moralität gar nicht untersucht zu werden brauchte. Unter ihnen befand sich auch Knox und Hilton, die beiden, welche jetzt dem Walde zuritten. Die Schar des Cornel war bald so groß geworden, daß sie Aufsehen erregen mußte und ihre Verproviantierung von Tag zu Tag immer schwieriger wurde. Darum hatte der Cornel den Entschluß gefaßt, sie zu teilen. Mit der einen Hälfte wollte er in der Gegend von La Veta über die Rocky-Mountains gehen, und die andre sollte sich nach Morriso und Georgetown wenden, um das Gebirge dort zu übersteigen. Da Knox und Hilton erfahrene Leute waren, so sollten sie diese zweite Abteilung leiten, eine Aufgabe, welche sie sehr gern übernommen hatten. Sie waren glücklich über die Berge gekommen und hatten in der Gegend von Breekenridge Halt gemacht. Dort war ihnen das Unglück passiert, daß die ausgebrochene Pferdeherde eines Haciendero bei ihnen vorübergestampft war; dabei hatten ihre eigenen Pferde sich losgerissen und waren mit den andern entflohen. Um sich in den Besitz neuer Pferde zu setzen, hatten sie später ein Utahlager überfallen und waren von den Indianern verfolgt und geschlagen worden. Nur Sechs waren entkommen. Aber die Roten hefteten sich auch diesen sechs auf die Fersen; vier derselben waren gestern noch gefallen und die beiden Anführer, Knox und Hilton, hatten allein das Glück gehabt, den rächenden Geschossen der Indianer zu entgehen.

Davon sprachen sie, als sie sich dem Walde näherten. An demselben angekommen, fanden sie den Indianerpfad und folgten demselben. Sie erreichten die Blöße gerade in dem Augenblick, als das kleine Wortgefecht zwischen Jemmy und dem Hobble-Frank zu Ende war.

Als sie die am Feuer sitzende Gesellschaft erblickten, hielten sie für einen Augenblick an, doch erkannten sie sofort, daß sie von diesen Leuten nur Gutes anstatt Schlimmes zu gewärtigen hatten.

«Also wir sind Jäger, verstanden?«flüsterte Knox Hilton zu.

«Ja, «antwortete dieser.»Aber sie werden uns fragen, woher wir kommen!«

«So laß nur mich antworten.«

Jetzt erblickte Old Shatterhand die beiden. Ein andrer wäre erschrocken; bei ihm aber war Schreck eine Unmöglichkeit, er nahm den Stutzen in die Hand und sah ihnen, als sie sich näherten, ernst und erwartungsvoll entgegen.

«Good day, Mesch'schurs!«grüßte Knox.»Ist es vielleicht erlaubt, sich hier bei euch ein wenig auszuruhen?«

«Es ist uns jeder ehrliche Mann willkommen, «antwortete Old Shatterhand, indem er mit scharfem Auge erst die Reiter und dann die Pferde betrachtete.

«Hoffentlich haltet Ihr uns nicht für das Gegenteil!«meinte Hilton, indem er den durchdringenden Blick des Jägers scheinbar ruhig aushielt.