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»Ja, er hat von seinem verstorbenen Oheim in Peru geerbt«, antwortete der Flibustier lachend.

»Führt mich sofort zu ihm! Es war ihm schon angekündigt worden, daß heute meine Hochzeit mit der Senorita Carmen de Vasconcellos stattfindet. Ich muß ihn bitten, daß er ...«

Das Wort war ihm plötzlich durch die Hand des Negers im Munde steckengeblieben. Der halberwürgte Jüngling fiel auf die Knie, während die Augen ihm aus den Höhlen traten und seine Haut sich fast braun färbte.

»Langsam, langsam, Gevatter«, mahnte Carmaux. »Man muß liebenswürdig mit den Klienten des Notars umgehen!«

»Keine Angst!« antwortete der Schlangenbeschwörer.

Der junge Mann, der vor Schrecken nicht den mindesten Widerstand leistete, wurde in das obere Zimmer befördert. Man nahm ihm seinen Dolch weg, band ihn und warf ihn ins Bett an die Seite des Advokaten.

»Fertig, Kapitän!« rief Carmaux.

Der Kommandant nickte mit dem Kopfe, näherte sich dem Jüngling, der ihn mit ängstlichen Augen ansah, und fragte: »Wer seid Ihr?«

»Einer meiner besten Klienten, Herr«, entgegnete der Notar statt seiner. »Durch diesen braven jungen Mann hätte ich heut viel verdient.«

»Schweigt!« sagte der Korsar trocken.

»Ja, wirklich, der Notar schwatzt wie ein Papagei! Wenn er so fortfährt, wird man ihm ein Stückchen Zunge abschneiden müssen!«

Der schöne Jüngling sprach: »Ich bin der Sohn des Richters von Maracaibo, Don Alonzo de Conxevio. Hoffentlich erklärt Ihr mir jetzt den Grund meiner Festnahme!«

»Den braucht Ihr nicht zu wissen! Wenn Ihr Euch aber ruhig verhaltet, so soll Euch nichts Böses geschehen. Morgen werdet Ihr frei sein, wenn nicht unvorhergesehene Ereignisse eintreten.«

»Morgen erst«, rief der Bräutigam schmerzbewegt. »Bedenkt, Herr, daß ich heute die Tochter des Kapitäns Vasconcellos heiraten soll!«

»Dann werdet Ihr sie eben morgen heiraten!«

»Hütet Euch. Mein Vater ist ein Freund des Gouverneurs, und Ihr könntet Euer geheimnisvolles Vorgehen teuer bezahlen müssen. In Maracaibo sind Soldaten und Kanonen!«

Ein verächtliches Lächeln umspielte die Lippen des Korsaren.

»Die fürchte ich nicht! Auch ich habe starke Mannschaften und Kanonen.«

»Wer seid Ihr denn?«

»Das braucht Ihr nicht zu wissen!«

Damit drehte sich der Korsar kurz um und ging hinaus. Während er sich wieder als Wache ans Fenster stellte, untersuchten Carmaux und der Neger das ganze Haus nach Lebensmitteln vom Keller bis zum Boden, da sie ein Frühstück bereiten wollten. Stiller hatte es sich indessen bei den beiden Gefangenen bequem gemacht, um einen Fluchtversuch zu verhindern.

Endlich war es dem schwarzen und weißen Gevatter gelungen, einen geräucherten Schinken und einen sehr feinen Käse zu entdecken, der so scharf und pikant war, daß er alle in gute Laune versetzen konnte. Auch sollte er, wie Carmaux meinte, Appetit für den ausgezeichneten Wein des Notars machen.

Schon hatten sie den Korsaren gerufen und einige Flaschen Portwein entkorkt, als von neuem an das Tor geklopft wurde.

»Wer mag das sein?« fragte Carmaux. »Wieder ein Klient, der dem Notar Gesellschaft leisten will?«

»Geh, sieh nach!« befahl der Korsar, der sich schon zu Tisch gesetzt hatte.

Der Seemann schaute durch die Fensterjalousien und sah dort unten einen alten Mann, der ein Diener oder ein kleiner Gerichtsbeamter zu sein schien.

»Teufel auch«, murmelte er. »Der wird den Bräutigam suchen. Sein mysteriöses Verschwinden wird die Eltern und die Eingeladenen, besonders aber die Braut beunruhigen ... Die Sache fängt an, etwas brenzlig zu werden.«

Als der Pocher draußen keine Antwort erhielt, klopfte er mit solcher Kraft, daß alle Bewohner der umliegenden Häuser von dem Lärm ans Fenster gelockt wurden.

»Wir müssen öffnen und diesen zweiten Störenfried einfangen, ehe die Nachbarn Verdacht schöpfen und womöglich die Tür einschlagen oder gar die Soldaten herbeirufen!«

Carmaux und der Neger beeilten sich, auch diesen Gast ins Haus zu ziehen, ihn zu binden und nach oben zu seinem unglücklichen jungen Herrn und dem nicht weniger unglücklichen Notar zu führen.

»Der Teufel hole sie alle!« rief Carmaux. »Fahren wir so fort, so werden wir bald die ganze Bevölkerung von Maracaibo zu Gefangenen machen!«

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Ein Duell zwischen Edelleuten

Das Frühstück war nicht so lustig, wie Carmaux gehofft hatte. Es fehlte der Humor, trotz des guten Schinkens, des pikanten Käses und der Weinflaschen des Advokaten.

Alle waren beunruhigt wegen der Wendung, welche die Ereignisse infolge der Hochzeit des jungen Mannes genommen hatten. Sein und des Dieners Verschwinden mußten bald neue Besucher heranziehen, Verwandte, Freunde, vielleicht gar Soldaten und hohe Gerichtsbeamte.

Dieser Zustand durfte nicht lange andauern. Die Piraten hatten verschiedene Pläne erwogen, aber keiner schien ihnen annehmbar. Flucht war für den Augenblick unmöglich. Sie würden alle vier erkannt, verhaftet und gehenkt werden wie der Rote Korsar und sein Gefolge. Man mußte die Nacht abwarten. Doch war es unwahrscheinlich, daß die Angehörigen des jungen Don Conxevio sie so lange in Ruhe lassen würden.

Die drei Flibustier, die sonst so schlau und so erfinderisch an Auswegen waren wie alle ihre Kameraden auf der Tortuga, befanden sich diesmal in Verlegenheit. Carmaux' Projekt, in den Kleidern der Gefangenen das Haus zu verlassen, wurde verworfen, da es doch zu gefährlich schien, den Soldaten auf dem nahen Gelände zu begegnen. Im übrigen paßte das Gewand des jungen Bräutigams keinem der Leute.

Des Negers erster Plan wurde vorläufig auch verschoben. Vor der Nacht ließ sich nichts unternehmen, was Erfolg versprach.

Noch überlegte man hin und her, um aus dieser Lage, die von Minute zu Minute schwieriger wurde, herauszukommen, als ein drittes Individuum an die Tür des Notars pochte.

»Donnerschock, das wird ja nach und nach eine ganze Prozession werden!« rief Carmaux. »Wenn alle Verwandten und Freunde hier sind, können wir zuletzt die Hochzeit in diesem Hause abhalten.«

Diesmal war es kein Diener, sondern ein mit Schwert und Dolch bewaffneter kastilianischer Edelmann, wohl ein Verwandter oder Pate des Bräutigams.

Als der neue Ankömmling merkte, daß man sich mit dem Öffnen des Tors nicht beeilte, verdoppelte er die Schläge mit dem schweren Eisenklöppel. Der Mann war weniger geduldig und so wahrscheinlich gefährlicher als der Jüngling und der Diener.

»Geh, öffne, Carmaux!« befahl der Korsar.

»Ich fürchte, Kommandant, daß der da draußen nicht so leicht zu binden ist wie die andern. Er wird uns verzweifelten Widerstand entgegensetzen.«

»Ich werde schon mit ihm fertig werden. Du weißt, meine Arme sind kräftig.«

Der Kapitän entdeckte plötzlich in einem Winkel des Zimmers einen Degen, eine alte Familienwaffe, die der Notar dort aufbewahrt hatte. Er erprobte die Elastizität der Klinge, legte sie an und murmelte: »Toledostahl! Da wird es der Kastilianer schwer haben.«

Carmaux und Mokko hatten inzwischen das Tor geöffnet, deren Füllungen unter den unausgesetzten Schlägen zu zerspringen drohten. Der Edelmann trat stirnrunzelnd ein und rief wütend: »Da ist wohl ein Kanonenschuß nötig, bis ihr öffnet!«

Es war ein schöner Mann über die Vierzig, von hoher kräftiger Gestalt: ein männlicher Typ. Sein voller, tiefschwarzer Bart gab ihm ein martialisches Aussehen.

Er trug ein elegantes spanisches Gewand aus schwarzer Seide und hohe, gelbe, an den Rändern gezackte Lederstiefel mit Sporen.

»Verzeiht, Herr, wenn wir ein wenig gezögert haben«, sagte Carmaux, sich komisch vor ihm verneigend, »aber wir waren sehr beschäftigt!«

»Womit?«

»Mit der Pflege des Advokaten.«