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»Alle Wetter, sollen wir das Haus in die Luft sprengen?«

»Es wird uns wohl nichts anderes übrigbleiben!«

»Und die Gefangenen?«

»Um so schlimmer für sie, sollten uns die Soldaten verhaften! Wir haben das Recht, uns zu verteidigen, und werden es ohne Zögern tun.«

»Da sind schon die Soldaten!« rief Carmaux, der auf die Gasse gespäht hatte.

Etwa zwei Dutzend kriegsmäßig ausgerüstete Schützen standen vor der Tür, umringt von einer Unmenge Neugieriger.

Neben dem Leutnant sah man einen bewaffneten Greis mit weißem Bart: wahrscheinlich ein Verwandter des Bräutigams.

Die Soldaten hatten sich in drei Linien aufgestellt und den Lauf der Gewehre gegen das Haus gerichtet. Ihr Anführer beobachtete die Fenster, wechselte einige Worte mit dem Alten und schlug dann mit einem schweren Hammer gegen die Tür.

»Im Namen des Gouverneurs! Öffnet!«

»Ihr bleibt bei mir!« sagte der Kapitän zu den beiden Seeleuten. »Du aber, braver Mokko, such mal im obersten Stockwerk nach, ob du nicht ein Dachfenster entdecken kannst, das uns zur Flucht über die Dächer verhilft!«

Hierauf öffnete er das Fenster, beugte sich über die Brüstung und rief: »Was wünscht Ihr, mein Herr?«

Als der Leutnant, anstatt des Advokaten, den Fremden mit den verwegenen Zügen und dem großen, schwarzen, federgeschmückten Hut erblickte, starrte er ihn verdutzt an.

»Wer seid Ihr?« fragte er endlich. »Ich will den Notar sprechen!«

»Er kann im Augenblick nicht kommen. Statt seiner bin ich hier.«

»Dann öffnet mir im Namen des Gouverneurs!«

»Und wenn das nicht geschieht?«

»Dann müßt Ihr die Folgen tragen; es sind seltsame Dinge in diesem Hause vorgefallen, mein Herr. Ich bin beordert zu erfahren, was mit Herrn Pedro Conxevio, seinem Diener und seinem Oheim, dem Grafen Lerma, passiert ist.«

»Wenn Ihr es denn wissen wollt, sie leben und sind bei guter Laune.«

»Laßt sie herunterkommen!«

»Unmöglich!«

»Ich empfehle Euch, zu gehorchen, sonst muß ich die Tür einschlagen!«

»Tut es! Ich sage Euch aber, daß hinter der Tür ein Pulverfaß steht! Wendet Ihr Gewalt an, so lasse ich Feuer anlegen und das Haus mitsamt dem Notar, dem Herrn Conxevio, seinem Diener und seinem Oheim in die Luft sprengen! Probiert es nur!«

Bei diesen kalt und energisch gesprochenen Worten, die keinen Zweifel an der Drohung ließen, ging ein Schrecken durch die Reihen der Soldaten und Neugierigen, von denen viele gleich das Weite suchten.

Der Korsar blieb ganz ruhig am Fenster stehen, während die zwei Seeleute hinter seinem Rücken das Volk auf den Terrassen beobachteten.

»Aber wer seid Ihr denn?« fragte der Leutnant. »Euer Name!«

»Der tut nichts zur Sache!«

»Ich werde Euch zwingen, ihn zu nennen!«

»Gut, dann fliegt das Haus in die Luft!«

»Schluß!« rief der Anführer wütend. »Der Scherz hat schon zu lange gedauert!«

»Wie Ihr wollt! Carmaux, geh ans Werk!«

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Die wunderbare Flucht

Als dieser Befehl erscholl, erhob sich ein ungeheurer Lärm, nicht nur in den Reihen der Neugierigen, sondern auch bei den Soldaten.

Die Nachbarn fürchteten, daß ihre Häuser ebenfalls in die Luft gingen. Sie heulten laut, gebärdeten sich wie närrisch und versuchten schon, alle ihre Kostbarkeiten zusammenzuraffen. Alle trauten dem Mann mit dem kühlen Gesicht dort zu, daß er seine Drohung wahr machen würde.

Nur der Leutnant war mutig auf seinem Platz geblieben.

»Halt, Herr!« rief er. »Seid Ihr denn wahnsinnig! Ihr werdet euren traurigen Vorsatz nicht ausführen!«

»Wenn Ihr mich in Ruhe laßt, nein!«

»Gebt dem Grafen Lerma und den andern die Freiheit wieder, und ich verspreche, Euch nicht mehr zu belästigen!«

»Gut, wenn Ihr meine Bedingungen annehmt!«

»Und die wären?«

»Zuerst die Truppen zurückziehen und dann mir einen vom Gouverneur unterzeichneten Geleitbrief zu geben, damit ich und meine Gefährten unbehindert von den Soldaten Stadt und Land verlassen können!«

»Aber wer seid Ihr denn, daß Ihr dergleichen nötig habt?«

»Ein Edelmann von drüben ... jenseits des Meeres!«

»Dann ist doch kein Geleitbrief notwendig! Habt Ihr denn eine Schuld auf dem Gewissen? Sagt mir Euren Namen!«

In diesem Augenblick näherte sich dem Offizier ein Mann mit hinkenden Schritten und einem blutbefleckten Tuche.

»Potzblitz!« rief Carmaux, der noch hinter dem Kommandanten stand. »Jetzt sind wir verraten! Das ist ja einer der Biskayer, die uns angegriffen haben!«

»Ihr wollt wissen, Herr Leutnant, wer jener Edelmann mit dem schwarzen Filzhut dort oben ist?« rief er höhnisch. »Das ist einer der Leute, die mich so zugerichtet haben! Gebt acht, daß er nicht entflieht! Es ist ein Flibustier!«

Ein Wutgeheul ging jetzt durch die Menge.

Carmaux hatte, auf einen Wink des Kapitäns, rasch seine Büchse erhoben und mit einer gutgezielten Kugel den Biskayer getötet.

Hundert Büchsen richteten sich nun auf die Fenster. Das Volk schrie aus voller Kehle: »Erschlagt die Kanaillen!«

»Nein, hängt sie auf!«

»Röstet sie am lebendigen Leibe!«

Auf des Leutnants Befehl sanken die Gewehr nieder.

»Die Komödie ist nun aus! Ergebt Euch!« rief er dem Korsaren zu, der noch immer ruhig, unbeweglich am Fenster stand, als ob ihn der ganze Krawall nichts anginge.

»Habt Ihr mich verstanden?«

»Vollkommen, mein Herr!«

»Ergebt Euch, oder ich lasse die Tür einschlagen!«

»Tut es!« antwortete Ventimiglia kalt. »Aber ich künde euch an, daß das Pulverfaß bereitsteht!«

»Dann werdet auch Ihr mit untergehen!«

»Bah, sterben inmitten rauchender Ruinen ist besser als der schimpfliche Tod, den Ihr mir nach der Ergebung bereiten würdet!«

»Ich verspreche Euch das Leben!«

»Was Eure Versprechungen gelten, weiß ich! Jetzt ist es sechs Uhr nachmittags. Während Ihr überlegen könnt, was zu tun sei, werde ich mit dem Grafen Lerma und seinem Neffen ein Glas auf Euer Wohl leeren!«

Damit lüftete der Korsar seinen Hut und grüßte höflich die Untenstehenden.

»Kommt, ihr Braven!« sagte er zu Carmaux und Stiller, welche die Kühnheit und Kaltblütigkeit des Kommandanten bewunderten. »Laßt die da unten schreien, soviel sie wollen! Wir essen jetzt!«

»Vielleicht unsere Henkersmahlzeit, Kapitän.«

»Gott bewahre, unsere letzte Stunde hat noch lange nicht geschlagen. Warte die Dunkelheit ab, und du wirst sehen, was für Wunder ein Pulverfaß tun kann!«

Dann trat er ins Zimmer zu den Gefangenen, zerschnitt die Stricke, welche den Grafen Lerma und den Bräutigam banden, und lud beide ein, sich mit ihm zu Tisch zu setzen.

»Ich vertraue Eurem Wort, nichts gegen mich zu unternehmen«, sagte er.

»Das ist selbstverständlich, Cavaliere«, entgegnete der Graf lächelnd. »Mein Neffe ist unbewaffnet, und ich weiß, wie gefährlich es ist, sich mit Eurem Schwerte einzulassen. Aber was schreien denn meine Landsleute da unten?«

»Sie belagern uns.«

»Früher oder später werden sie Euch aber doch zur Übergabe zwingen. Es würde mir wirklich leid tun«, sagte der Graf, »wenn solch ein tapfrer und liebenswürdiger Mann, wie Ihr es seid, in die Hände des Gouverneurs fiele! Er gibt den Flibustiern keinen Pardon.«

»Van Gould wird mich nicht bekommen. Ich muß leben bleiben, um eine alte Rechnung mit ihm zu begleichen.«

»Ihr kennt ihn?«

»Zu meinem Unglück!« seufzte Ventimiglia. »Er ist für meine ganze Familie verhängnisvoll gewesen. Daß ich ein Flibustier geworden bin, ist ihm allein zu verdanken. Aber sprechen wir nicht weiter davon! Jedesmal, wenn ich daran denke, lodert der Haß in mir auf, und ich werde traurig wie ein Leichenbitter! ... Trinkt, Graf! ... Carmaux, was machen die Spanier unten?«