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Doch die »Fólgore« blieb standhaft. Sie fuhr an der Küste entlang wie ein Steamer mit Volldampf.

Von Zeit zu Zeit fluteten die Wogen bald über das Backbord, bald über das Steuerbord, doch immer hob der Korsar das Schiff mit kräftigem Steuerstoß empor und lenkte es auf die richtige Bahn.

Nachdem der Orkan seine volle Stärke erreicht, nahm er an Heftigkeit ab. Meist dauern diese fürchterlichen Stürme nur wenige Stunden. Die Wolken verteilten sich schon hier und da und ließen einige Sterne durchblicken. Der Wind pfiff nicht mehr so stark wie im Anfang. Doch das Meer war immer noch erregt. Es vergingen noch viele Stunden, ehe sich die vom Atlantischen Ozean in den Großen Golf gejagten Wassermassen beruhigten und verebbten.

Die ganze Nacht hindurch kämpfte das Piratenschiff gegen die von allen Seiten eindringenden Wogen, bis es endlich siegreich den Überwindkanal überstanden hatte und in die Meerenge zwischen den Großen Antillen und der Bahamainsel einlief.

Am Morgen, als der Wind sich von Osten nach Norden gedreht hatte, befand sich die »Fólgore« dem Kap von Haiti fast gegenüber.

Der Schwarze Korsar, dessen Kleider von Wasser trieften, war von dem langen Kampf erschöpft. Als man den kleinen Leuchtturm der Zitadelle des Kaps unterscheiden konnte, übergab er Morgan das Steuer und wandte sich nach der großen Schaluppe, wo die junge Flämin noch immer zusammengekauert saß.

»Kommt herauf, Herzogin! Auch ich habe Euch bewundert! Sicher hätte keine andere Frau dem Tod so verwegen ins Auge geschaut, wie Ihr es tatet!«

Honorata hatte sich erhoben und schüttelte das Wasser von ihren Haaren und Kleidern ab. Sie sah dem Kommandanten lächelnd in die Augen und sagte: »Kann wohl sein, daß keine andere Frau sich bei dem Wetter auf Deck gewagt hätte; aber auch keine andere darf sich rühmen, den Schwarzen Korsaren im Sturmgebraus gesehen zu haben!« Der Kapitän antwortete nicht. Er stand vor ihr und sah sie mit glühenden Blicken an. Dann aber umdüsterte sich seine Stirn wieder. Er murmelte, doch so leise, daß nur sie es hören konnte: »Ihr seid ein tapferes Weib! Schade, daß die traurige Prophezeiung der Zigeunerin mein Verhängnis ist!«

»Eine Prophezeiung?« fragte Honorata erstaunt.

»Ach, Narrheiten!« rief er.

»Solltet Ihr gar abergläubisch sein, Kapitän?«

»Vielleicht!«

»Ihr ...?«

»Ja, oft bewahrheiten sich Voraussagen!«

Er zeigte auf die See hinunter und fuhr fort: »Fragt diese da unten, die auf dem Meeresgrunde ruhen! Beide waren sie schöne, starke und kühne junge Männer. Bei ihnen ist die traurige Weissagung in Erfüllung gegangen. Vielleicht ... auch schon bei mir. Schon fühle ich hier im Herzen eine Flamme lodern, die ich nicht mehr löschen kann ... Es sei! Möge sich mein Schicksal erfüllen, wenn es so geschrieben steht! Den Tod im Meere fürchte ich nicht, und wo meine Brüder schlafen, kann auch ich Ruhe finden, aber erst dann, wenn mir der Verräter vorausgegangen ist.«

Er hob drohend die Faust und stieg von der Schanze herunter, indem er die junge Flämin, die sich seine Worte nicht erklären konnte, ratlos zurückließ.

Drei Tage später war das Meer ruhig geworden, und die »Fólgore« segelte bei günstigen Winden nach der Tortuga, dem gefürchteten Piratennest im Großen Golf.

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Das Freibeutertum

Als Frankreich und England im Jahre 1625 die Vorherrschaft Spaniens durch ununterbrochene Kriege zu brechen versuchten, warfen fast gleichzeitig zwei Schiffe, ein französisches und ein englisches, vor einem St. Cristoph genannten Inselchen Anker, das nur von einigen Karibenstämmen bewohnt war. Beide Fahrzeuge waren mit einer kleinen Anzahl kühner Korsaren bemannt, die sich in das Antillenmeer eingeschifft hatten, um den blühenden Handel der spanischen Kolonien zu schädigen.

Die Franzosen wurden von einem normannischen Edelmann, d'Enanbue, und die Engländer von Sir Thomas Warner befehligt.

Da die Insel fruchtbar und die Bewohner gefügig waren, ließen sich die Ankömmlinge dort nieder, teilten sich brüderlich das Stückchen Land und gründeten zwei kleine Kolonien. Fünf Jahre lang lebten sie so, friedlich den Boden bebauend und auf das Piratenhandwerk ganz verzichtend, als eines Tags ein spanisches Geschwader erschien und den größten Teil der Kolonie mitsamt ihren Bewohnern vernichtete, denn die Spanier betrachteten alle Inseln im Golf von Mexiko als ihr Eigentum.

Einige der Kolonisten entrannen der Wut der Spanier und retteten sich auf ein anderes, Tortuga Tortuga-Tartaruga (Tortue), Schildkröte, mit der die Insel Ähnlichkeit hat. genanntes Inselchen. Es lag nördlich von San Domingo, der Halbinsel Samana fast gegenüber, und war mit einen bequemen, leicht zu verteidigenden Hafen versehen.

Diese wenigen Männer wurden die Begründer jener verwegenen Flibustierrasse, die bald darauf die Welt durch ihre unglaublichen Unternehmungen in Staunen setzen sollte.

Während sich einige im Frieden dem Tabakbau widmeten, der auf diesem jungfräulichen Boden glänzend gedieh, strebten andere, kriegerisch Gesinnte nach Rache für die Zerstörung der beiden kleinen Kolonien. Sie befuhren als Seeräuber auf einfachen Booten das Meer zum Schaden der Spanier.

Bald wurde die Tortuga ein Zentrum. Viele französische und englische Abenteurer strömten ihm nicht nur aus dem nahen San Domingo, sondern auch aus Europa zu. Unter letzteren befanden sich hauptsächlich normannische Freibeuter.

Diese zumeist aus Leuten, die ihres Besitzes enteignet wurden, ferner aus Soldaten und beutegierigen Matrosen zusammengesetzten Scharen waren alle von dem Wunsche beseelt, ihr Glück zu versuchen und ihre Hand auf die reichen Minen zu legen, aus denen Spanien Ströme Goldes zuflössen. Als sie jedoch auf jener kleinen Insel nicht das fanden, was sie erhofft hatten, streiften sie wagemutig auf dem Meere umher. Sie glaubten sich um so mehr dazu berechtigt, als ihre Länder in fortwährendem Krieg mit dem spanischen Koloß waren.

Die spanischen Kolonisten auf San Domingo, die ihren Handel geschädigt sahen, wollten sich selbstverständlich dieser Räuber sofort entledigen. So benutzten sie den Augenblick, in dem die Tortuga fast ganz ohne Besatzung war, um sie mit stark bewaffneter Macht anzugreifen. Die Einnahme war leicht, und alle Piraten, die in die Hände der Spanier fielen, wurden niedergemacht oder gehängt.

Kaum erfuhren die auf dem Meere umherstreifenden Korsaren von dem angerichteten Blutbad, als sie Rache schworen. Nach verzweifeltem Kampf eroberten sie unter Willes' Befehl ihre Insel wieder und töteten die neue Besatzung. Unter den Kolonisten entstanden nunmehr heftige Streitigkeiten, da die Franzosen zahlreicher als die Engländer waren, was die Spanier benutzten, um abermals über die Tortuga herzufallen und die Einwohner zu verjagen, die sich in die Wälder von San Domingo zurückziehen mußten.

Wie die ersten Kolonisten von St. Cristoph die ersten Flibustier waren, so wurden die Flüchtlinge der Tortuga die ersten Bukanier (Büffeljäger). Die Kariben nennen das Trocknen und Räuchern der Häute der getöteten Tiere »bukan«, daher der Name Bukanier.

Diese Leute, die später die tapfersten Verbündeten der Piraten wurden, lebten wie die Wilden in elenden, aus Baumzweigen hergestellten Hütten. Ihr Anzug bestand nur aus einem groben Leinenhemd, das immer mit Blut getränkt war, einem Paar derber Hosen, Schweinslederschuhen und einem schäbigen Hut. Der breite Gürtel enthielt stets einen kurzen Säbel und zwei große Messer. Sie hatten nur einen Ehrgeiz: den Besitz eines guten Gewehr und einer Meute großer Hunde.

Familie besaßen sie nicht. Bei Morgengrauen gingen sie immer zu zweien, um sich gegenseitig helfen zu können, auf die Jagd nach wilden Ochsen, die in den Wäldern von San Domingo äußerst zahlreich waren. Des Abends kehrten sie dann, jeder mit einem Fell und einem Stück Fleisch zum Essen beladen, heim. Zum Frühstück begnügten sie sich mit dem Aussaugen der Markknochen.