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Als er lebend aus dem Sumpf herauskam, floh er nicht etwa, sondern ging in den Kleidern eines spanischen Soldaten wagemutig in die Stadt hinein, um dort alles auszuforschen. Er gewann einige Sklaven für sich und kehrte auf einer gestohlenen Barke nach der Tortuga zurück, wo man ihn schon für tot gehalten hatte.

Ein anderer hätte sich wohl gehütet, nochmals das Glück herauszufordern, nicht so der Olonese. Bald darauf begab er sich wieder aufs Meer, und zwar mit zwei kleinen Fahrzeugen, die nur mit achtundzwanzig Seeleuten bemannt waren. Er fuhr nach Los Cayos auf Kuba, einem damals sehr wichtigen Handelsplatz. Aber einige spanische Fischer hatten seine Anwesenheit bemerkt. Sie benachrichtigten sofort den Gouverneur des Orts, der nun gegen die beiden kleinen Korsarenschiffe eine Fregatte mit neunzig Mann sandte, außerdem vier Segelschiffe mit tapferer Besatzung, darunter einen Neger, der den Auftrag hatte, die Piraten zu hängen.

Den Olonesen jedoch schreckte die Überzahl der Gegner nicht. Er erwartete den Morgen, griff die Fregatte an, enterte sie trotz des tapferen Widerstands der Spanier und metzelte die Besatzung nieder. Dann ging er gegen die andern vier Schiffe vor, eroberte sie und warf ihre Mannschaft über Bord.

Ihm sollten aber später noch kühnere Taten vorbehalten bleiben ...

Die beiden Flibustier schüttelten sich die Hand zum Gruß.

»Ich erwarte schon mit Ungeduld deine Rückkehr«, sagte Pierre Nau.

»Weißt du, daß ich in Maracaibo gewesen bin?«

»Du selber?« rief der Olonese erstaunt.

»Wie sollte ich sonst den Leichnam meines Bruders bekommen haben?«

»Ich glaubte, du hättest einen Zwischenhändler benutzt. Sieh nur zu, daß deine Kühnheit dich nicht eines Tages das Leben kostet! Du hast ja gesehen, wie es deinen Brüdern ergangen ist! Aber wir werden sie bald rächen. Ich habe die Expedition schon vorbereitet.«

»Über wieviel Schiffe verfügst du?«

»Über acht Schiffe, deine ›Fólgore‹ einbegriffen, und über sechshundert Mann, Piraten und Ochsenjäger. Wir werden die Flibustier anführen, Michele, der Baske, die Bukanier!«

»Auch der Baske kommt mit?«

»Er fragte mich, ob er an der Expedition teilnehmen dürfe. Da habe ich gleich zugesagt. Du weißt, er ist Soldat, hat in den europäischen Heeren gekämpft und kann uns große Dienste leisten. Außerdem ist er reich.«

»Brauchst du Geld?«

»Ich habe alles verbraucht, was ich auf dem letzten bei Maracaibo gekaperten Schiff bei der Rückkehr von Los Cayos erbeutet habe.«

»Rechne von meiner Seite auf zehntausend Piaster!«

»Donnerwetter! Hast du unerschöpfliche Minen auf deinem Besitztum jenseits des Ozeans?«

»Ich hätte dir noch mehr geben können, wenn ich nicht heute früh ein großes Lösegeld hätte zahlen müssen!«

»Ein Lösegeld ... Du? Und für wen?«

»Für eine hochgestellte Dame, die in meine Hand gefallen ist. Das Lösegeld gebührt meiner Mannschaft, also bezahlte ich es.«

»Wer mag das sein? ... Eine Spanierin ...?«

»Nein, eine flämische Herzogin, die sicher mit dem Gouverneur von Veracruz verwandt ist.«

»Eine Flämin?« rief der Olonese, welcher nachdenklich geworden war. »Auch dein Todfeind ist Flame!«

»Und was schließt du daraus?« fragte der Korsar, während er sichtlich erbleichte.

»Könnte sie nicht vielleicht mit van Gould verwandt sein?«

»Das möge Gott verhüten!« kam es fast unhörbar von den Lippen des Korsaren. »Nein, das ist unmöglich!«

Der Olonese blieb unter den riesigen Blattkronen einer Maotgruppe stehen – Bäumen, die den Baumwollpflanzen gleichen. Er betrachtete aufmerksam den Gefährten.

»Warum siehst du mich so an?« fragte dieser.

»Ich dachte an deine flämische Herzogin und fragte mich nach der Ursache deiner plötzlichen Erregung.«

»Dein Verdacht brachte mein Blut in Wallung!«

»Welcher?«

»Daß sie mit van Gould verwandt sein könnte!«

»Und wenn es so wäre, was ginge es dich an?«

»Ich schwor, alle van Goulds und ihre Verwandten von dieser Erde auszurotten!«

»Nun gut, dann tötest du sie eben, und alles ist vorüber.«

»Sie ... Niemals!« rief der Korsar voller Entsetzen.

»Das heißt ...« sagte zögernd der Olonese.

»Was?«

»Daß du deine Gefangene liebst?«

»Schweig!«

»Warum schweigen? Ist es denn für die Flibustier eine Schande, eine Frau zu lieben?«

»Nein, aber ich fühle instinktiv, daß mir dieses Weib verhängnisvoll werden wird, Pierre!«

»Dann überlasse sie doch ihrem Schicksal!«

»Es ist zu spät.«

»Du liebst sie sehr?«

»Wahnsinnig.«

»Und liebt sie dich?«

»Ich glaube.«

»Wahrlich ein passendes Paar! Der Herr von Ventimiglia kann sich nur mit einer Dame von hohem Range vermählen. Das ist ein seltenes Glück für einen Piraten! Also trinken wir ein Glas auf das Wohl deiner Herzogin, Freund!«

--

Die Villa des Schwarzen Korsaren

Der Olonese bewohnte ein bescheidenes Holzhäuschen mit Blätterdach, wie man es gewöhnlich bei den Indianern der Großen Antillen fand. Es war aber behaglich und mit einem gewissen Luxus eingerichtet, den die rauhen Männer liebten. Eine halbe Meile von der Zitadelle entfernt, am Waldesrand, lag es schön und ruhig im Schatten großer Palmen, die eine köstliche Frische boten.

Der Olonese führte den Schwarzen Korsaren in ein Zimmer zu ebener Erde, dessen Fenster mit Strohmatten verhängt waren, und lud ihn ein, sich auf einem Bambussessel niederzulassen. Dann ließ er von einem seiner Diener einige Flaschen spanischen Weins bringen, die sicher von irgendeinem Raubzug stammten, und füllte zwei große Gläser damit.

»Auf dein Wohl, Cavaliere, und auf das deiner Dame!«

»Mir ist lieber, du trinkst auf das gute Gelingen unseres Unternehmens«, erwiderte der Korsar.

»Es wird gelingen, Freund, und ich verspreche, den Mörder deiner Brüder dir zu überliefern!«

»Man wird bald drei Brüder unter den Toten zählen«, sagte der Korsar düster.

»Der dritte ...?«

»Wird auch bald sterben!«

»Fort mit der Leichenbittermiene! Ich werde dir mit allen Kräften beistehen! Zunächst einmaclass="underline" Kennst du van Gould?«

»Besser als die Spanier, denen er dient!«

»Was ist es für ein Mann?«

»Ein alter Soldat von hohem Adel, der lange in Flandern gekämpft hat. Einst Bandenführer, bis ihn das spanische Gold zum Verräter gemacht hatte.«

»Wie alt?«

»Vielleicht fünfzig Jahre.«

»Scheint noch recht zähe zu sein. Er soll zu den besten Gouverneuren gehören, die Spanien in den Kolonien hat.«

»Er ist listig wie ein Fuchs, energisch wie Montbars und tapfer.«

»Wir müssen also auf einen kräftigen Widerstand in Maracaibo gefaßt sein.«

»Sicher. Wer kann aber dem Angriff von sechshundert Piraten widerstehen? Du weißt, wie tüchtig unsere Leute sind!«

»Beim Sande von Olone!« rief der Pirat, der diesen Ausruf als Heimaterinnerung liebte. »Ich habe sie bei Los Cayos kämpfen sehen. Du kennst ja jetzt Maracaibo und weißt, welches die schwache Seite des Platzes ist.«

»Ich werde die Führung übernehmen, Pierre!«

»Hält dich hier nichts?«

»Nichts!«

»Nicht einmal deine schöne Flämin?«

»Sie wird mich erwarten«, sagte lächelnd der Korsar.

»Wo hast du sie untergebracht?«

»In meiner Villa.«

»Und wo bleibst du?«

»Bei dir.«

»Ein unverhofftes Glück! Dann können wir ja die Expedition mit dem Basken besprechen, der auch zum Essen zu mir kommt!«

»Wann soll es abgehen?«

»Morgen in aller Frühe! Ist deine Mannschaft vollzählig?«