»Oder – Eure Augen, Herzogin!«
»Auch mir hat Eure Gesellschaft schöne Stunden verschafft! Wer weiß, ob wir in dieser Idylle, fern von Meer und Menschen, noch ähnliche zusammen verleben werden«, fügte sie schmerzvoll hinzu.
»Zuweilen lächelt auch das Glück nach Krieg und Sturm.«
»Seid Ihr sicher, daß eure ›Fólgore‹ immer über Wind und Wogen siegen wird?«
»Wenn ich das Schiff lenke, ja. Morgen bei Tagesanbruch geht es wieder hinaus.«
»Eben gelandet, wollt ihr Euer Haus schon wieder verlassen?«
»Ich liebe das Meer. Außerdem muß ich meinen Todfeind treffen!«
»Ist das Euer einziger Gedanke?« »Immer! Und dieser Gedanke stirbt nur mit mir.«
»Was ist jetzt Euer Ziel?« fragte die Flämin so angstvoll, daß es dem Korsaren nicht entging.
»Ich darf die Geheimnisse der Freibeuterei nicht verletzen. Ihr weiltet noch vor wenigen Tagen als Gast der Spanier in Veracruz und habt auch in Maracaibo Bekannte!«
»Mißtraut Ihr mir?«
»Das nicht!«
Honorata atmete auf. »Es würde mich auch sehr gekränkt haben.«
Bevor er ihr die Hand zum Abschied reichte, blieb er zögernd stehen.
»Sprecht, Cavaliere! Ihr habt noch etwas auf dem Herzen!«
»Ich wollte fragen, ob Ihr die Insel während meiner Abwesenheit zu verlassen gedenkt?«
»Und wenn ich das täte ...«
»Es würde mich schmerzen, Euch bei meiner Rückkehr nicht mehr hier zu finden! Wie gerne möchte ich noch einmal einen Abend wie den heutigen mit Euch verleben! Es würde mich für alles Leid, das ich seit Jahren trage, entschädigen.«
»Ich bekenne, daß auch ich glücklich sein würde, den Schwarzen Korsaren wiederzusehen«, antwortete die Herzogin.
»Ihr wollt also hier meine Rückkehr erwarten?« fragte stürmisch der Kapitän.
»Lieber möchte ich Euch um nochmalige Gastfreundschaft an Bord der ›Fólgore‹ bitten.«
Der Korsar machte eine heftige Bewegung. Dann sagte er festen Tons: »Das ist unmöglich!«
»Störe ich Euch?«
»Nein, aber es ist den Piraten untersagt, eine Frau bei ihren Unternehmungen mitzuführen. Ich bin zwar Herr auf meinem Schiffe, aber ...«
»Was aber ...?«
»Ich fürchte mich, Euch noch einmal an Bord der ›Fólgore‹ zu nehmen. Ist es die Vorahnung eines Unglücks? Ich weiß es nicht. Als Ihr mich eben darum batet, zog sich mein Herz krampfhaft zusammen, statt daß es aufjubelte!«
»O Gott«, rief die Herzogin voller Schrecken, »wenn Euch auf dieser Fahrt etwas Schlimmes bevorstände ...!«
»Wer weiß ... wer kennt die Zukunft! ... Laßt mich fort! Ich leide in diesem Augenblick um Eurethalben! Wenn mich und mein Schiff der Golf verschlingen sollte, wenn mich eine Kugel oder ein Dolch etwa treffen sollte, so vergeßt den Schwarzen Korsaren nicht! Lebt wohl!«
Mit raschen Schritten entfernte er sich, ohne einmal zurückzuschauen, als fürchte er, trotz seines Widerstands doch festgehalten zu werden.
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Die Vorgeschichte des Hasses
Kaum war die Sonne am nächsten Morgen aufgegangen, als unter Trommelwirbel und Pfeifentönen, unter den Gewehrschüssen der Bukanier auf der Tortuga und den lärmenden Hurrarufen der Flibustier die neue Expedition bei Flut den Hafen verließ. Sie stand unter dem Befehl des Schwarzen Korsaren, des Olonesen und Micheles, des Basken.
Das Geschwader setzte sich zusammen aus acht Schiffen, großen und kleinen, die mit sechsundachtzig Kanonen bewaffnet waren, von denen sich sechzehn auf dem Schiff des Olonesen und zwölf auf der »Fólgore« befanden. Die Mannschaft bestand aus sechshundertundfünfzig Leuten. Da die »Fólgore« der schnellste Segler war, fuhr sie dem Geschwader voran und diente zugleich als Kundschafter. Vom Großmast flatterte die schwarze Fahne mit den Goldfransen ihres Kommandanten und an der Spitze des Mastbaums das große rote Band der Schlachtschiffe. Ihr folgten die übrigen Fahrzeuge in zwei Reihen, aber so weit voneinander entfernt, daß sie frei manövrieren konnten, ohne Gefahr, aneinanderzustoßen oder sich gegenseitig den Weg zu verlegen.
Das Geschwader wandte sich draußen auf offener See nach Westen, um durch den Überwindkanal ins Karibische Meer einzulaufen. Das Wetter war herrlich, das Meer ruhig und der von Nordosten wehende Wind günstig, so daß alles auf eine ruhige, schnelle Fahrt nach Maracaibo schließen ließ. Um so mehr, als die Flibustier erfahren hatten, daß die Flotte des Admirals Toledo sich auf dem Wege nach den mexikanischen Häfen befände und gerade zu dieser Zeit an der Küste von Yukatan läge.
Nach zwei Tagen wollte das Piratengeschwader das Kap Engano umschiffen. Es war bisher noch keinem Fahrzeug begegnet. Da plötzlich signalisierte die »Fólgore« ein feindliches Schiff, das nach der Küste von San Domingo fuhr.
Der Olonese, der zum Höchstkommandierenden ernannt worden war, befahl sofort allen Schiffen, back zu legen. Er erreichte die »Fólgore«, die sich schon zur Verfolgung gerüstet hatte.
Jenseits des Kaps segelte ein Schiff an der Küste entlang, das an der Spitze das große Banner Spaniens und am Großmast das lange Band der Kriegsschiffe trug. Vielleicht hatte es die Seeräuberflotte bemerkt und suchte dort Schutz.
Der Olonese hatte es von seinen acht Schiffen umzingeln und zur Übergabe zwingen oder versenken können; aber diese stolzen Korsaren hatten eine so großmütige Gesinnung, daß sie es für unwürdig hielten, einen Feind mit stärkeren Waffen anzugreifen. Es widerstrebte ihnen, ihre Macht zu mißbrauchen.
Pierre gab darum dem Schwarzen Korsaren ein Zeichen. Er allein wollte zum Kampf vorgehn, indem er unbedingte Übergabe oder Krieg forderte. So ließ er vom Vorderdeck den Befehl verkünden, daß sich das Geschwader ruhig verhalten sollte, wie auch der Kampf ausginge.
Als die Aufforderung an die Spanier erging, ließ dessen Kapitän die Fahne festnageln, anstatt sie einzuziehen, und als Antwort seine acht Steuerbordkanonen auf das feindliche Schiff abfeuern als Zeichen, daß es sich nur nach hartnäckiger Gegenwehr ergeben würde.
Auf beiden Schiffen entbrannte nun eine heftige Schlacht. Das spanische Schiff besaß sechzehn Kanonen, aber nur sechzig Mann; der Olonese hatte ebensoviele Feuerschlünde, doch das Doppelte an Leuten, hauptsächlich Bukanier, also gute Schützen, die mit ihren unfehlbaren Schüssen bald das Schicksal entschieden.
Das Geschwader, das beigedreht hatte, griff nicht ein, gehorsam den Befehlen des Piraten. Seine Mannschaften, die in Reih und Glied auf Deck standen, sahen dem Schauspiel zu, in der Erwartung, daß sich das spanische Schiff bei dem ungleichen Kampf bald ergeben würde.
Obwohl die Spanier in der Minderzahl waren, verteidigten sie sich doch tapfer. Ihre Geschütze feuerten unverdrossen und versuchten, mit abwechselnden Ladungen das Piratenschiff seiner Masten zu berauben. Um nicht gerammt zu werden und so lange wie möglich die Berührung zu vermeiden, drehte der Spanier, indem er sein Vorderdeck dem Korsaren zuwandte. Er war sich der numerischen Überlegenheit des Gegners wohl bewußt.
Der Olonese war wütend und ungeduldig über den Widerstand, den er fand, und wollte schnell ein Ende machen. Er versuchte alle Mittel, um das Schiff zu entern, doch vergebens. Zeitweise mußte er sich sogar entfernen, um seine Leute vor dem Geschoßhagel zu schützen. Endlich wurde der Kampf zwischen den Geschützen beider Fahrzeuge entschieden. Er dauerte drei volle Stunden und fügte Segeln und Masten schweren Schaden zu, ohne daß die spanische Flagge niederging. Sechsmal waren die Piraten zum Angriff vorgegangen, und sechsmal von den sechzig tapferen Gegnern zurückgeschlagen worden. Erst beim siebten Male konnten sie auf dem feindlichen Schiff Fuß fassen und die Fahne herunterholen.
Dieser Sieg war ein gutes Zeichen für das bevorstehende Unternehmen. Er wurde von den Piraten des Geschwaders mit lärmenden Hurrarufen begrüßt.