Выбрать главу

Ich muß weit ausholen in meiner Erzählung. Ihr wißt, daß im Jahre 1686 der Krieg zwischen Frankreich und Spanien um den Besitz Flanderns entbrannt war. Ludwig XIV. stand damals auf der Höhe seiner Macht. Da er seinen mächtigen Gegner, der schon viele Siege über die französischen Truppen davongetragen, vernichten wollte, drang er kühn in jene Provinzen ein, die einst der furchtbare Herzog Alba erobert und mit Feuer und Schwert unterdrückt hatte.

Ludwig besaß zu jener Zeit einen großen Einfluß auf Piemont. Als er den Herzog Viktor Amadeus II. um Beistand bat, konnte dieser ihm seine besten Regimenter, das von Aosta, Nizza und das der Marine, nicht verweigern. Bei letzterem dienten meine drei Brüder und ich als Offiziere. Der älteste war damals zweiunddreißig Jahre und der jüngste, der später als ›Grüner Korsa‹ bekannt wurde, erst zwanzig Jahre alt.

In Flandern hatten unsere Regimenter schon mehrfach siegreich gekämpft, wie beim Übergang über die Scheide, bei Gent und Tournay. Die verbündeten Armeen drängten die Spanier bis Antwerpen zurück, als eines Tages ein Teil unserer Marine, welche bis zur Mündung der Scheide vorgedrungen war, um einen vom Feind verlassenen Platz zu besetzen, plötzlich von einer so großen Anzahl Spanier angegriffen wurde, daß er sich innerhalb der Mauern verbarrikadieren mußte. Nur mit Mühe rettete er seine Geschütze.

Zu diesen Verteidigern gehörten wir vier Brüder. Vom französischen Heer abgeschnitten, von allen Seiten von einem zehnfach überlegenen Feind umgeben, der entschlossen war, die für ihn wichtigste Feste wiederzuerobern, da sie der Schlüssel zu einem Hauptarm der Schelde war, hatten wir nur eine Wahclass="underline" uns zu ergeben oder zu sterben. Von Übergabe sprach keiner; im Gegenteiclass="underline" Wir hatten geschworen, uns eher unter den Ruinen begraben zu lassen, als das glorreiche Banner der stolzen Herzöge von Savoyen zu senken.

Zum Befehlshaber des Regiments hatte Ludwig XIV., ich weiß nicht, aus welchem Grunde, einen älteren flämischen Herzog bestimmt, der ein tapferer, erfahrener Krieger sein sollte. Da er sich an dem Tage, an dem wir überrascht wurden, gerade bei unsern Kompanien befand, hatte er die Leitung der Verteidigung übernommen.

Der Kampf war auf beiden Seiten mit gleicher Wut entbrannt. Jeden Tag zerstörten die feindlichen Geschütze unsere Bastionen, aber am nächsten Morgen konnten wir jedesmal Widerstand leisten, da wir nachts die Schäden in aller Eile beseitigten. Vierzehn Tage und vierzehn Nächte lang folgte ein Angriff dem andern mit Verlusten auf beiden Seiten. Als Antwort auf die Aufforderung zur Übergabe ließen wir unsere Kanonen sprechen.

Mein ältester Bruder wurde die Seele der Verteidigung. Stolz, tapfer, in allen Waffen geschickt, leitete er die Infanterie und Artillerie, immer der erste bei den Stürmen. Die Tapferkeit des jungen Kriegers hatte sogar bei dem flamländischen Kommandanten Eifersucht entzündet, die uns allen später zum Unheil werden sollte.

Dieser Elende vergaß eines Tages seinen Treueschwur auf das herzogliche Banner und befleckte so seinen Adel, der seinem bürgerlichen Vorfahren einst verliehen wurde. Er verständigte sich nämlich heimlich mit den Spaniern, um sie durch Verrat wieder in den Besitz der Feste zu setzen. Die Stelle als Gouverneur in den amerikanischen Kolonien und eine große Summe Geldes sollte der Preis des schändlichen Paktes sein. Eines Nachts öffnete er mit einigen seiner Verwandten eins der Festungstore, um die Feinde, die sich insgeheim dem Fort genähert hatten, hineinzulassen.

Mein ältester Bruder, der nicht weit davon mit einigen Soldaten wachte, bemerkte die Ankunft der Spanier, stürzte sich ihnen entgegen und schlug Alarm. Jedoch erwartete ihn der Verräter mit Pistolen hinter der Ecke einer Bastion. Mein Bruder fiel, zu Tode verwundet, und die Feinde drangen in die Stadt ein. Wir kämpften in den Straßen, in den Häusern, aber vergeblich. Die Feste fiel. Kaum konnten wir uns mit wenigen Getreuen durch eiligen Rückzug bis Courtray retten.

Sagt selbst, würdet Ihr jenem Manne verzeihen?«

»Nein!« erwiderte Honorata.

»Auch wir verziehen nicht. Wir schworen, den Verräter zu töten und unsern Bruder zu rächen. Als der Krieg beendet war, suchten wir ihn lange, zuerst in Flandern, dann in Spanien. Als wir erfuhren, daß er zum Gouverneur einer der Festungsstädte in den amerikanischen Kolonien ernannt worden war, rüsteten wir, ich und meine jüngeren Brüder, drei Schiffe aus, segelten nach dem Großen Golf, von dem einzigen Wunsch beseelt, den Flamen früher oder später zu strafen.

Wir wurden Korsaren. Der viel heftigere, aber weniger erfahrene Grüne Korsar wollte das Schicksal versuchen, fiel aber leider in die Hände unseres Todfeindes und wurde wie ein gewöhnlicher Verbrecher an den Galgen gehängt. Dann versuchte es der Rote Korsar und hatte dasselbe Geschick. Es gelang mir, beide Brüder vom Galgen abzuschneiden und im Meer zu versenken, wo sie auf die Vollstreckung der Rache harren. So Gott mir hilft, wird der Verräter in wenigen Stunden in meiner Hand sein!«

»Und was werdet Ihr mit ihm machen?«

»Aufhängen!« erwiderte kalt der Korsar. »Sodann will ich alle diejenigen vernichten, die das Unglück haben, seinen Namen zu tragen. Er hat meine Angehörigen umgebracht; so werde ich auch seine Familie umbringen. Ich schwor es, und ich halte mein Wort.«

»Wo befinden wir uns? Wie heißt die Stadt, die jener Flame regiert?« fragte die Herzogin unvermittelt.

»Ihr werdet es bald erfahren.«

»Seinen Namen will ich wissen!« Angstvoll stieß sie es aus.

»Warum?«

Die junge Herzogin atmete kaum. Kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn.

»Ich weiß nicht«, sagte sie mit gebrochener Stimme. »In meiner Jugend erzählten mir einige Soldaten, die im Heere meines Vaters dienten, eine ganz ähnliche Geschichte. Nennt mir doch den Namen jenes Mannes!«

»Nun wohclass="underline" Es ist der Gouverneur van Gould!«

In demselben Augenblick erdröhnte ein Kanonenschuß. Der Schwarze Korsar stürzte aus der Kabine hinaus auf Deck.

»Der Morgen ist da!« rief er fast jubelnd.

Honorata hatte nichts getan, um ihn zurückzuhalten. Sie war lautlos, wie vom Blitz getroffen, zu Boden gesunken.

--

Der Sturm auf Maracaibo

Der Kanonenschuß war vom Olonesenschiff abgefeuert worden, das jetzt die Vorhut hatte und sich Maracaibo auf zwei Meilen Entfernung näherte. Es legte sich vor das auf einer Höhe gelegene Fort, welches zusammen mit zwei Inseln die Stadt verteidigte.

Einige Piraten, die schon damals mit dem Grünen und Roten Korsaren im Golf von Maracaibo gewesen waren, hatten dem Olonesen geraten, dort die Ochsenjäger zu landen, um das Fort, das den Anfang des Sees beherrschte, unter zwei Feuer zu nehmen. Daraufhin hatte Pierre das Zeichen zum Angriff gegeben.

Mit bewundernswerter Schnelligkeit wurden die Boote von sämtlichen Schiffen ins Meer gelassen und mit den Bukaniern und den zum Landen bestimmten Flibustiern bemannt.

Als der Schwarze Korsar die Brücke bestieg, hatte Morgan schon sechzig der verwegensten und kräftigsten Leute ausgesucht und in die Boote beordert.

Er wandte sich nun an Ventimiglia.

»Kommandant, es ist kein Augenblick zu verlieren! In wenigen Minuten beginnen die schon ausgeschifften Leute den Angriff auf das Fort, und unsere Flibustier sollen als erste den Sturm unternehmen!«

»Hat der Olonese irgendeinen Befehl gesandt?«

»Ja! Die Flotte hat sich nicht dem Feuer des Forts auszusetzen.«

»Gut! Ich übergebe Euch das Kommando über meine ›Fólgore‹.«