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Schnell legte er den Schlachtenpanzer an, den ein Maat für ihn bereithielt, und stieg in die große, von dreißig Leuten bemannte und mit einem Mörser bewaffnete Schaluppe, die ihn unter der Backbordtreppe erwartete.

Da schon der Morgen graute, mußte man sich mit dem Landen beeilen, noch bevor die Spanier ihre Truppen sammeln konnten.

Die Boote fuhren rasch auf einen bewaldeten Strand zu, der steil zu einem Hügel aufstieg. Seine Spitze beherrschte die Festung, ein solider Bau mit sechzehn Kanonen großen Kalibers und einer tüchtigen Anzahl Verteidiger.

Die Spanier, die durch den ersten, vom Olonesen abgefeuerten Kanonenschuß aufgeschreckt worden waren, hatten eiligst einige Abteilungen Soldaten hinuntergeschickt, um den Flibustiern den Weg zu verlegen und ein heftiges Geschützfeuer zu eröffnen.

Die Bomben hagelten nur so und schlugen ins Meer ein, so daß das Wasser um die Schaluppen hochspritzte; doch die Piraten wichen den Kugeln geschickt aus. Durch blitzschnelles Manövrieren und unerwartete Drehungen der Schiffe ließen sie den Feinden keine Zeit, sie aufs Korn zu nehmen.

Die drei Schaluppen mit dem Olonesen, dem Schwarzen Korsaren und Michele, dem Basken, befanden sich in der ersten Linie und hatten die kräftigsten Ruderer. Sie jagten dahin, um an Land zu gelangen, noch ehe die bereits in den Wäldern auftauchenden spanischen Schwadronen festen Fuß am Strande fassen konnten.

Die Korsarenschiffe hielten sich im Hintergrund, um sich nicht unnütz dem Feuer der sechzehn großen Festungskanonen auszusetzen. Aber die von Morgan befehligte »Fólgore« hatte sich auf tausend Schritt Entfernung dem Strand genähert und beschützte mit ihren beiden Verfolgungskanonen die Landenden.

Trotz der wütenden Kanonade landeten die ersten Boote nach fünfzehn Minuten. Ohne ihre andern Gefährten abzuwarten, stürzten die Flibustier und Bukanier, mit ihren Führern an der Spitze, in den Wald den spanischen Schwadronen entgegen.

»Zum Angriff!« schrie der Olonese.

»Alle Mann vor!« rief der Schwarze Korsar, der, mit dem Schwert in der Rechten und einer Pistole in der linken Hand, vorwärts drang.

Die im Hinterhalt liegenden Spanier ließen einen Kugelregen auf die Angreifer niederprasseln, der aber wegen der Bäume und des dichten Gestrüpps wenig Schaden anrichtete. Auch die Kanonen des Forts sandten unter betäubendem Lärm ihre schweren Geschosse nach allen Richtungen. Die Bäume barsten und fielen krachend nieder; die Zweige knickten rechts und links, und Haufen von Blättern und Früchten hagelten auf die Flibustier und Bukanier, ohne sie jedoch im Vorwärtsdringen zu hindern.

Wie ein verheerender Sturm fielen sie über die spanischen Schwadronen her, griffen sie mit ihren Enterpiken an und machten sie trotz hartnäckigem Widerstände nieder. Nur wenige Feinde entrannen dem Gemetzel. Sie fielen lieber mit der Waffe in der Hand, als daß sie wichen oder sich ergeben hätten.

»Los, auf die Festung!« brüllte der Olonese.

Vom ersten Erfolg ermutigt, erklommen die Korsaren den Hügel, aber immer darauf bedacht, sich in der dichten Vegetation vor dem Feind zu verstecken.

Inzwischen waren die andern Kameraden hinzugekommen, so daß sich ihre Zahl auf über fünfhundert belief. Aber das Unternehmen war nicht leicht. Es fehlte an Truppen. Außerdem verteidigte sich die aus zweihundertfünfzig tapferen Soldaten bestehende spanische Garnison mit großer Hartnäckigkeit und gab noch kein Zeichen zur Übergabe. Da das Fort ziemlich hoch lag, hatten die Kanonen leichtes Spiel; sie zündeten die Wälder an und drohten, die Angreifer zu vernichten.

Der Olonese und der Schwarze Korsar, die den verzweifelten Widerstand sahen, hielten Beratung ab.

»Wir verlieren zuviel Leute«, meinte Pierre. »Wenn wir nicht durch irgendein Mittel Bresche schlagen, mähen sie uns nieder!«

Ventimiglia schlug vor, eine Mine unterhalb der Bastionen sprengen zu lassen.

»Das wäre wohl das beste«, stimmte der Olonese zu, »aber wer wird sich dieser Gefahr aussetzen und das unternehmen?«

»Ich!« sagte eine Stimme hinter ihnen.

Sie wandten sich um und erblickten Carmaux mit seinem unzertrennlichen Freunde Stiller und seinem schwarzen Gevatter.

»Du bist's?« fragte der Korsar erstaunt. »Was machst du hier?«

»Ich will Euch helfen, Kapitän, und die Bresche schlagen. In einer Viertelstunde wird alles gemacht sein. Wir nehmen dreißig Pfund Pulver und eine gute Zündschnur!«

»Ich hoffe euch lebend wiederzusehen!« rief der Korsar den sich eiligst Entfernenden nach.

Inzwischen waren die Piraten weiter durch den Wald gedrungen und hatten versucht, mit ihren gut gezielten Schüssen die Spanier von den Zinnen zu verjagen und ihre Schützen abzuschießen.

Die Kerntruppe widerstand noch immer mit bewundernswerter Hartnäckigkeit und hielt ein höllisches Feuer aufrecht. Die Festung glich einem Krater in voller Tätigkeit. Riesige Rauchwolken stiegen von allen Bastionen auf und dazwischen die Feuergarben der sechzehn großen Kanonen. Ein Kugelregen ging auf das Dickicht nieder, in dem sich die Flibustier verborgen hielten, um im günstigen Augenblick zum Angriff vorzustürzen.

Plötzlich erfolgte oben auf der Spitze des Hügels eine furchtbare Explosion, die in den Wäldern und auf dem Meere langen Widerhall fand. Eine Riesenflamme stieg an der einen Seite des Forts empor, dann fiel ein Hagel von Eisenstücken auf die Bäume nieder, zerschmetterte Hunderte von Zweigen und tötete eine Anzahl Angreifer.

Da übertönte die metallische Stimme des Schwarzen Korsaren das Geschrei der Spanier, das Gedröhn der Geschütze und das Knallen der Flinten: »Seeleute! Zum Angriff vor!«

Als die Flibustier und Bukanier ihn und den Olonesen über das freigelegte Erdreich stürzen sahen, folgten sie ihm, überstiegen wie eine Welle die letzten Anhöhen und brachen in das Fort ein.

Die von Carmaux und seinen Freunden entzündete Mine hatte eine lange Bresche in eine der Hauptbastionen geschlagen. Der Schwarze Korsar drang hinein, überstieg den Schutt und die zertrümmerten Geschütze, und sein starker Degen schlug die ersten sich ihm entgegenstellenden Feinde zurück.

Die Piraten stürzten ihm nach mit ihren Enterpiken, heulten aus vollem Halse, um größeren Schrecken um sich zu verbreiten, warfen die ersten Spanier über den Haufen und verteilten sich über das Fort.

Die zweihundertfünfzig Soldaten, die es verteidigten, konnten solchem Ansturm nicht widerstehen. Sie verschanzten sich hinter den Wällen, wurden aber daraus vertrieben. Noch einmal versuchten sie, sich auf dem Hauptplatze um die Standarte Spaniens zu sammeln, damit sie nicht niedergeholt werde; aber auch da wurden sie auseinandergesprengt. Man verfolgte sie weiter ins Innere der Bastionen, wo sie fielen, aber sich nicht ergaben.

Als der Schwarze Korsar die Fahne sinken sah, wandte er sich eiligst gegen die jetzt unbeschützte Stadt. Er sammelte einhundert Mann um sich, stürmte den Hügel hinunter, in die bereits verödeten Straßen Maracaibos hinein. Fast alle Einwohner waren geflohen. Männer, Frauen und Kinder hatten sich mit ihren kostbarsten Habseligkeiten in die Wälder geflüchtet. Aber der Kapitän achtete nicht darauf. Er hatte die Expedition nicht unternommen, um die Stadt zu plündern, sondern um den Gouverneur gefangenzunehmen.

Um noch rechtzeitig den Palast van Goulds zu erreichen, trieb er seine Leute zu einem rasenden Lauf an.

Aber auch die Plaza de Granada war leer, und das Tor des Gouverneurspalast stand unbewacht offen.

»Sollte er mir entwischt sein ...?« fragte sich der Korsar zähneknirschend.

Als die ihn begleitenden Flibustier das offene Tor sahen, blieben sie stehen. Sie witterten Verrat. Der Korsar jedoch wollte unbeirrt weitergehn. Schon hatte er die Schwelle zum Hof überschritten, als sich eine Hand auf seinen Arm legte: »Nicht weiter, Kommandant! Erlaubt, daß ich vorgehe!«

Es war Carmaux, der, schwarz wie Pulver, mit zerrissenen Kleidern und blutigem Gesicht, aber lebendiger denn je, neben ihm stand.