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Carmaux nahm resigniert zu Füßen eines Baumes Platz und seufzte tief.

Nachdem der Spanier dem Kapitän das komische Abenteuer erzählt hatte, begab er sich mit dem Neger in den Wald und sammelte gewisse pfefferähnliche Kräuter. Diese legten sie dann zwanzig Schritt vor Carmaux entfernt nieder und zündeten sie an.

»Laßt Euch nur ordentlich ausräuchern!« sagte er lachend und entfloh wieder. »Wir erwarten Euch zum Frühstück!«

Ergeben setzte sich Carmaux dem dichten Rauch der Pflanzen aus.

Der Reisig strömte brennend einen so beißenden Geruch aus, als ob der Katalonier richtige Pfefferbeeren hineingestreut hätte. Obgleich die Augen des armen Flibustiers reichlich tränten, ergab er sich in sein Schicksal. Eine halbe Stunde später spürte er den Geruch nur noch wenig und entschloß sich, ins Lager zurückzukehren, wo die Gefährten soeben eine große Schildkröte zurechtmachten.

»Ist es erlaubt?« fragte er. »Ich hoffe doch, daß ich jetzt gereinigt bin!«

»Komm nur her!« rief der Korsar gutmütig. »Wir Seeleute sind ja an den scharfen Teergeruch gewöhnt, da werden wir auch dich ertragen können! Habt ihr im Walde geschossen?«

»Ich denke, daß man den Knall nicht weit gehört hat«, erwiderte der Spanier.

»Es wäre durchaus nicht von Vorteil, wenn die Flüchtlinge ahnten, daß sie verfolgt würden!«

»Ich glaube eher, daß sie davon überzeugt sind, Kapitän!«

»Woraus willst du das schließen?«

»Aus ihrem überstürzten Marsch!«

»Vielleicht drängt den Gouverneur noch ein anderer Grund zur Eile. Die Furcht, daß der Olonese Gibraltar überfällt!«

»Wollt Ihr denn Gibraltar angreifen?« fragte der Spanier unruhig.

»Vielleicht ... Wir wollen sehen!« erwiderte der Korsar ausweichend.

»Wenn das geschieht, kann ich nicht gegen meine Landsleute kämpfen«, sagte der Katalonier. »Ein Soldat darf die Waffen nicht gegen eine Stadt erheben, über deren Mauern die Fahne des Heimatlandes weht! Solange es sich um den Flamen handelt, helfe ich Euch. Aber mehr tue ich nicht. Ich lasse mich eher hängen!«

»Ich schätze deine Anhänglichkeit an das Vaterland«, erwiderte der Schwarze Korsar. »Sobald wir van Gould haben, bist du frei und kannst Gibraltar verteidigen, wenn du willst.«

»Ich danke Euch, Caballero, bis dahin stehe ich zu Eurer Verfügung.«

Sie setzten ihren Marsch am Ufer des Sumpfes fort. Die Hitze war entsetzlich, doch die Flibustier litten nicht sehr darunter, obgleich der Schweiß ihnen aus allen Poren drang. Außerdem blendete der Sumpf die Augen, so daß sie schmerzten, und gefährliche, das Sumpffieber erzeugende Miasmen stiegen auf.

Gegen vier Uhr nachmittags erreichten sie einen großen Wald. Da machte sie der Neger auf einen roten Fleck aufmerksam, der auf dem grünlichen Sumpfwasser schwamm.

»Ist das ein Vogel?« fragte Carmaux.

»Es scheint eher eine spanische Mütze zu sein!« rief der Katalonier.

»Vielleicht ein Mensch, der im Sumpf lebendig versunken ist!«

Bei näherer Untersuchung fanden sie in der Tat ein federgeschmücktes spanisches Seidenbarett und daneben eine bleiche Totenhand aus dem Schlamm ragen.

»Es ist ein Soldat von der Eskorte des Gouverneurs! Eine solche Mütze trug Juan Barrero! Also muß van Gould hier vorbeigekommen sein!«

»Wir sind nunmehr sicher auf den Spuren der Flüchtlinge!« sagte der Korsar und ging weiter.

Plötzlich hielten ihn seltsame Töne zurück, die aus dem Walde kamen.

»Sollten das Signale sein? Es klang jedesmal wie ein langer Pfiff!«

»Ich fürchte, daß es Indianer sind, die der Gouverneur auf uns gehetzt hat.«

»Also sehen wir uns die Leute dieses Landes einmal an«, meinte Carmaux ganz gemütlich. »Sie werden nicht besser und nicht schlechter als andere Indianer sein.«

»Hütet Euch, Caballero!« warnte der Spanier. »Die Rothäute Venezuelas sind Menschenfresser und werden sich freuen, Rostbraten aus Euch zu machen!«

»Na also, Freund Stiller, verteidigen wir unsere Rippen!«

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Menschenfresser im Urwald

Sie waren immer tiefer in den Wald hineingedrungen, an Tausenden von Palmen vorbei, mit stacheligen Stengeln, die den Durchgang fast unmöglich machten, und mächtigen Lianen, welche die Indianer zum Bau ihrer Hütten verwenden.

Zur Vermeidung eines Überfalls schritten sie behutsam vorwärts, nach allen Seiten hin lauschend und nach jedem Gebüsch spähend, hinter dem Indianer versteckt sein konnten.

Das Signal hatte man nicht mehr gehört, doch wies alles darauf hin, daß Menschen hier vorbeigegangen waren. Die Vögel waren verschwunden, ebenso die Affen wegen der Gegenwart ihrer Todfeinde, der Indianer: denn diese lieben das Fleisch von beiden Tieren und machen eifrigst Jagd auf sie.

Nach einem angestrengten Marsch hörten sie plötzlich Töne, wie sie die Indianer ihren Bambusflöten entlocken.

»Stiller!« wandte sich der Korsar an den Hamburger. »Bring den geheimnisvollen Spieler zum Schweigen!«

Der Seemann, ein tüchtiger Schütze, der mehrere Jahre Bukanier gewesen, richtete das Gewehr auf das Gehölz und versuchte, den Indianer zu entdecken oder eine Stelle zu erspähen, wo die Blätter sich bewegten, dann schoß er blindlings drauflos.

Dem übereilten Schuß folgte ein Schrei, der sich bald in ein Gelächter verwandelte.

»Teufel!« schrie Carmaux. »Du hast dein Ziel verfehlt!«

»Donnerwetter!« brüllte Stiller wütend. »Hätte ich nur ein Stückchen seines Schädels sehen können, würde der Hund nicht mehr lachen!«

»Das macht nichts«, sagte der Korsar. »Jetzt wissen sie, daß wir bewaffnet sind, und werden vorsichtiger sein.«

Der Wald wurde düsterer und wilder: ein Chaos von Bäumen, gigantischen Blättern und mächtigen Wurzeln, die kaum zu unterscheiden waren, da die Sonnenstrahlen in die dichten Laubwölbungen nicht dringen konnten. Es herrschte eine drückende, feuchte Wärme unter den Kolossen der Äquatorflora, die den tapferen Wanderern den Schweiß aus allen Poren trieb. Mit dem Finger auf dem Schnapper, mit offenem Auge und gespanntem Ohr, so schritten sie weiter. Instinktiv fühlten sie, daß der Feind nicht fern sein konnte. Kein Geräusch störte die tiefe Stille im Walde.

Sie befanden sich auf einem schmalen Pfad, als der Spanier sich plötzlich bückte und hinter einem Baumstamm Schutz suchte. Ein leichtes Schwirren durchdrang die Luft, dann flog ein dünner Stab durch das Laubwerk und blieb in einem Zweig in Manneshöhe stecken.

Carmaux ließ seine Muskete knallen.

Die Detonation war noch nicht verhallt, als ein langes Schmerzensgeheul im Gebüsch erscholl.

»Dich habe ich getroffen!« brüllte Carmaux triumphierend.

»Gebt acht!« warnte der Katalonier

Vier bis fünf Pfeile, jeder wohl einen Meter lang, pfiffen über die Flibustier hin, die sich schnell zu Boden geworfen hatten.

»Dort im Dickicht sind sie!«

Alle schossen gleichzeitig ihre Flinten ab, aber nichts erfolgte darauf.

»Sie scheinen genug zu haben«, meinte Stiller.

»Bleiben wir hinter den Bäumen versteckt«, rief der Katalonier, »denn jetzt raschelt es auf der andern Seite!«

»Wenn van Gould glaubt, er könne uns durch die Indianer aufhalten, so irrt er. Wir kommen trotz aller Hindernisse vorwärts.«

Wieder hörte man melancholische Flötentöne.

Der Korsar wurde ungeduldig: »Wir marschieren einfach weiter!« rief er entschlossen.

So schritten sie in einer Reihe hintereinander vor und feuerten, ohne Rücksicht auf die Munition, bald nach rechts, bald nach links. Dieses mächtige Getöse schien Eindruck auf die geheimnisvollen Feinde zu machen, denn keiner wagte, sich zu zeigen. Ab und zu pfiff wohl ein Pfeil über die Schar hin, doch ohne zu treffen.