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Tiefe Stille herrschte unter diesen Pflanzen. Kein Vogelsang oder Affenschrei, noch das Maunzen des Jaguars war zu hören.

»Hölle und Teufel!« rief Carmaux. »Wir scheinen über einen Kirchhof zu gehen!«

»Diese Feuchtigkeit dringt mir in die Knochen«, sagte Stiller. »Sollte das der Anfang eines Sumpffiebers sein?«

»Bah, wir haben ein dickes Fell!« tröstete Carmaux.

»Wenn wir nur etwas zu essen hätten!« bemerkte Mokko. »Hier gibt es aber weder Wild noch Früchte, nur Schlangen!«

»Aber Gevatter!«

»Donnerwetter! Wenn wir nichts anderes haben, kochen wir sie und denken, es seien Aale.«

»Puh!«

Auch unter diesen Gewächsen war die Hitze groß und entkräftend, so daß die Flibustier aus allen Poren schwitzten.

Der Weg wurde von Zeit zu Zeit durch breite Pfuhle unterbrochen, die voller Wasserpflanzen und schwärzlichen, übelriechenden Wassers waren. Oft mußten sie nach einem Übergang suchen. Es wimmelte hier von Reptilien, welche die Nacht erwarteten, um Frösche und Kröten zu jagen.

Nachdem sich die fürchterliche Hitze um drei Uhr etwas gelegt hatte, nahmen die Flibustier nach einer kurzen Rast ihren Marsch durch die von Myriaden Mücken umschwirrten Sümpfe wieder auf.

Zuweilen sanken sie tief in den Boden ein.

Manchmal hob sich der Kopf einer Wasserschlange aus den stehenden Gewässern heraus, oder es erschien eine Schildkröte mit dunkelbraunem, rötlich gesprenkeltem Panzer, um sofort wieder unterzutauchen.

Immer noch fehlten die Wasservögel, welche die gefährlichen Nebel nicht vertragen konnten.

Gegen Abend machten die Wanderer eine Entdeckung, die ihnen den Beweis lieferte, daß sie sich wirklich auf der Spur der Flüchtlinge befanden.

Sie entdeckten am Fuße einer Simarube, die sich einsam mit ihrer Blütenlast erhob, die Leiche eines spanisches Soldaten. Die Füße waren bereits von Schlangen oder Termiten angefressen. Das Gesicht war aschfahl, mit Blut bespritzt, das aus einer kleinen Wunde der rechten Schläfe floß.

Der Katalonier hatte sich über den Unglücklichen gebeugt.

»Pedro Herrera!« rief er bewegt. »O Herr! Es war ein tapferer Soldat und ein guter Kamerad!«

»Die Indianer werden ihn getötet haben!«

»Vielleicht nur verwundet, aber sein Mörder war eine Fledermaus. Seht Ihr nicht das kleine Loch an der Schläfe, aus der noch Blut fließt? Das ist von einem Vampir ausgesogen.«

»Wann ist der Soldat denn gestorben?« »Vielleicht heute früh. Wäre er schon seit gestern tot, hätten ihn die Termiten bereits aufgefressen!«

»Also ist unser Feind in der Nähe!« rief der Korsar. »Morgen wirst du hoffentlich dem Gouverneur die fünfundzwanzig Stockhiebe heimzahlen können! Jetzt ruht euch aus; wir werden nicht eher wieder rasten, bis wir van Gould erreicht haben!«

Carmaux, Stiller und der Spanier streckten sich unter einer Simarube aus und schwatzten noch eine Weile.

Der Kapitän lag abseits von ihnen und hörte sie nicht.

»Der Kommandant läßt uns ja wie die Pferde laufen«, sagte Carmaux.

»Er will doch so bald als möglich seine Rache vollziehen«, meinte der andere.

»Und seine ›Fólgore‹ wiedersehen!«

»Und die junge Herzogin!«

»Wahrscheinlich auch.«

»Schlafen wir, Carmaux!«

»Schlafen!... Hast du nicht gehört, was der Katalonier von den Vögeln erzählte, die das Blut aussaugen? ... Donnerwetter! ... Wenn wir um Mitternacht ganz ausgesaugt würden! Mit dieser Vorstellung werde ich nicht ruhig schlafen können.«

»Der Katalonier hat sich doch über uns lustig machen wollen, Carmaux!«

»Nein, Stiller! Auch ich habe von Vampiren sprechen hören.«

»Und was sind das für Wesen?«

»Es scheinen ganz häßliche Vögel zu sein. Hallo, Katalonier, siehst du nichts in der Luft? ...«

»Ja, die Sterne«, antwortete der Spanier.

»Ich meine, ob du Vampire siehst!« »Es ist noch zu früh. Sie verlassen ihre Verstecke erst dann, wenn die Menschen und Tiere behaglich schnarchen.«

»Was sind denn das für Wesen?« fragte Stiller.

»Das sind Fledermäuse mit langer, vorstehender Schnauze, großen Ohren und weichem Fell; auf dem Rücken sind sie rotbraun und auf dem Bauche gelbbraun. Ihre Flügel haben eine Länge von vierzig Zentimetern und mehr.«

»Und du sagst, daß sie das Blut aussaugen?«

»Ja, und das machen sie so zart und vorsichtig, daß man es nicht gewahr wird, da sie einen solch feinen, dünnen Rüssel besitzen, daß sie die Haut durchstechen, ohne einen Schmerz zu verursachen.«

»Ob welche hier sein werden?«

»Wahrscheinlich.«

»Und wenn sie auf uns herabkämen?«

»Ach, eine Nacht genügt nicht, um mir mein Blut auszusaugen. Das würde nur ein Aderlaß sein, der in diesem Klima mehr nützlich als schädlich wäre. Es ist aber wahr, daß die Wunden erst lang danach heilen.«

»Ist dein Freund nach einem Aderlaß in die andere Welt eingegangen?« fragte Carmaux.

»Na, wer weiß, wieviel Blut er schon vor der Verletzung verloren hatte! Gute Nacht, Caballero, um Mitternacht gehen wir weiter!«

Carmaux ließ sich ins Gras nieder; doch bevor er die Augen schloß, sah er lange nach den Zweigen der Simarube hinauf, um sich zu überzeugen, daß da nicht ein gieriger Blutsauger versteckt wäre.

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Die Flucht des Verräters

Der Mond war gerade hinter dem hohen Wald verschwunden, als der Schwarze Korsar sich wieder erhoben hatte, um die hartnäckige Jagd auf van Gould und sein Gefolge von neuem aufzunehmen. Er schien nicht eher ruhen zu wollen, bis er seinen Todfeind eingeholt hatte. Doch bald zwangen neue Hindernisse, den Gewaltmarsch nicht nur zu verlangsamen, sondern sogar aufzuhalten.

Sehr häufig stieß man auf Tümpel, in welchen sich alle Waldabfälle gesammelt hatten, dann wieder auf sumpfigen Boden mit Wasserlöchern. So mußte man Durchgänge suchen, große Umwege machen oder Pflanzen abschlagen, um Brücken herzustellen.

Seine Leute gaben sich die erdenklichste Mühe, doch waren sie schon von den langen, fast zehn Tage dauernden Märschen, den schlaflosen Nächten und der kärglichen Nahrung sehr erschöpft.

Bei Tagesanbruch mußten sie ihn um eine Ruhepause bitten, da sie sich kaum noch auf den Füßen halten konnten. Sie waren halb verhungert; Zwieback gab es nicht mehr, und Carmaux' Katze war schon seit fünfzehn Stunden verdaut.

Nun gingen sie auf die Suche nach Wild und Obstbäumen. Dieser sumpfige Wald jedoch schien nichts zu bieten. Man hörte weder Papageiengeschwätz noch Affengeheul, noch sah man irgendeine Pflanze, die eßbare Früchte bot.

Endlich war der Katalonier so glücklich, im Sumpfwasser eine Praira mit der Hand zu fangen, jedoch nicht ohne einen schweren Biß davonzutragen. Das sind in toten Gewässern in Überzahl vorkommende Fische mit scharfen Zähnen und schwarzem Rücken. Währenddessen versuchte Mokko einen anderen Fisch zu fangen, den Cascudo. Derselbe war ein Fuß lang und hatte ganz harte, oben schwarze und unten rötliche Schuppen.

Dieses magere Mahl, völlig unzureichend, um alle zu sättigen, war bald verschlungen. Nach einigen Ruhestunden machte man sich wieder auf den Weg durch den düsteren Wald, der kein Ende zu nehmen schien.

Die Flibustier versuchten, sich in südöstlicher Richtung zu halten, da sich an der äußersten Spitze des Maracaibosees die Festung von Gibraltar befand. Sie wurden jedoch durch die fortwährenden Sümpfe und schlammigen Strecken immer gezwungen, vom Wege abzuweichen.

So gingen sie bis Mittag, ohne eine Spur von den Flüchtlingen entdeckt oder einen Schrei oder Knall gehört zu haben. Gegen vier Uhr nachmittags fanden sie an den Ufern eines Baches die Reste eines Feuers, dessen Asche noch warm war.

War es von einem indianischen Jäger oder von den Flüchtlingen angezündet worden? Man sah keinerlei Fußspuren, da der Boden trocken und mit Blättern bedeckt war. Dennoch ermutigte diese Entdeckung die Verfolger.