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Mit ihren scharfen Augen sahen sie die beiden Matrosen behutsam durch Laub und Lianen streichen. Sie waren schon an ihnen vorüber, als der eine stehenblieb: »Hast du nichts gehört, Diego?«

»Nein, Kamerad!«

»Mir war, als ob ich einen Atemzug vernahm!« »Es wird ein Insekt oder eine Schlange gewesen sein!«

Nach diesem kurzen Gespräch verschwanden die beiden im Schatten der Pflanzen.

Die drei Flibustier warteten noch einen Augenblick, dann schlichen sie weiter.

»Ich hätte keinen Heller mehr für unsere Haut gegeben«, bemerkte Stiller. »Einer von ihnen ist so nahe an mir vorübergegangen, daß er mich beinahe getreten hätte!«

»Das wird eine böse Überraschung, Carmaux, wenn sie nur Dornen und Steine finden!«

»So werden sie diese statt uns dem Gouverneur bringen!«

»Vorwärts!« mahnte der Korsar.

Der Abstieg erfolgte ohne Hindernis. Sie nahmen den Weg durch den Cañon, möglichst weit von der Karavelle entfernt. Noch vor Mitternacht gelangten sie an den Strand.

Vor ihnen lag eine der vier Schaluppen. Ihre aus zwei Matrosen bestehende Mannschaft war an Land gegangen und schlief, in Sicherheit gewiegt, an einem halberloschenen Feuer.

»Sollen wir die beiden Matrosen nicht töten?« fragte Carmaux.

»Nicht nötig«, antwortete der Korsar. »Schnell! Schiffen wir uns ein! In wenigen Minuten werden die Spanier unsere Flucht bemerkt haben.«

Mit einem leichten Stoß stießen sie die Schaluppe ins Wasser, sprangen hinein und ergriffen die Ruder.

Sie waren schon eine Strecke weit und hofften bereits, ohne Störung entfliehen zu können, als plötzlich Gewehrschüsse oben von der Kegelspitze ertönten. Die Spanier hatten das Lager erreicht.

Die beiden Matrosen erwachten jedoch von den Schüssen. Als sie sahen, daß ihre Schaluppe fort war, stürmten sie an den Strand und brüllten wie besessen: »Halt! Halt! Wer da!... Zu den Waffen!«

Dann knallten Gewehrschüsse.

»Der Teufel hole euch!« brach Carmaux los, als ihm eine Kugel das Ruder dicht am Bootsrand zerschmetterte.

»Nimm ein anderes Ruder!« rief der Korsar. »Siehst du denn nicht, es verfolgt uns schon ein Boot!«

Inzwischen wurde immer noch auf der Bergkuppe geschossen.

Die Schaluppe mit den Flibustiern durcheilte pfeilschnell das Wasser und hatte nur fünf bis sechs Meilen noch bis zur Mündung des Catatumbo. Die Entfernung war immer noch erheblich, doch bestand die Möglichkeit, den Verfolgern zu entfliehen, wenn die wachthabenden Mannschaften der Karavelle nichts von dem bemerkten, was am Südstrand der Insel vor sich ging.

Das Boot der Spanier hielt am Ufer, um die beiden Matrosen aufzunehmen, was für die Flibustier einen Gewinn von weiteren hundert Metern bedeutete.

Der Alarm am Ufer war auch auf der Nordseite der Insel gehört worden.

Zwei andere Schaluppen eilten herbei. Die eine war sogar mit einer kleinen Feldschlange bewaffnet.

»Wir sind verloren«, rief der Korsar, »aber wir wollen unser Leben teuer verkaufen!«

Drei mit vielen Matrosen bemannte Schaluppen kamen in immer bedrohlichere Nähe.

»Ergebt euch, oder wir bohren euch in den Grund!« rief eine Stimme. »Niemals!« erwiderte der Korsar.

»Der Gouverneur verspricht, euch das Leben zu schenken.«

»Hier meine Antwort darauf!« rief der Korsar.

Er hatte die Büchse erhoben und einen der Ruderer niedergeschossen.

Ein Wutgeschrei erhob sich aus den Booten.

»Feuer!« befahl eine Stimme.

Die Feldschlange entzündete sich mit großem Getöse. Einen Augenblick später neigte sich der Bug der verfolgten Schaluppe, und das Wasser drang in Strömen ein.

»Ins Meer hinein!« schrie der Korsar und warf die Flinte fort.

Die beiden Flibustier entluden noch ihre Gewehre gegen die Verfolger, dann stürzten sie sich ins Wasser. Die Schaluppe, deren Bug von der Geschützkugel zerschmettert worden war, hatte sich umgelegt.

»Nehmt die Säbel zwischen die Zähne!« rief der Kapitän. »Wir wollen auf dem Wrack sterben!«

Das Wasser drang in die Stiefelschächte und Kleider der drei Piraten, so daß sie sich nur mühsam an der Oberfläche halten konnten. Dennoch versuchten sie zu dem umgelegten Boot zu schwimmen.

Die Spanier wollten sie lebend fangen, denn sonst wäre es ihnen ein leichtes gewesen, sie im Schwimmen zu erschießen. So aber erreichten sie sie mit wenigen Ruderschlägen, trafen sie aber so ungeschickt mit dem Schiffsbug, daß die Flibustier untersanken.

Sofort wurden die Fliehenden aber mit einem eisernen Griffe erfaßt und an Bord der Schaluppe gezogen. Man band sie fest, noch ehe sie sich von dem Schlag erholen konnten, der sie unter Wasser gebracht hatte. Als der Korsar inne wurde, was geschehen war, befand er sich liegend am Hinterdeck der Schaluppe, die Hände rückwärts gebunden, während man seine Gefährten unter die Bänke des Bugs geworfen hatte.

Ein vornehmer Mann in kastilianischer Kleidung saß neben ihm, das Steuer in der Hand.

Der Korsar fragt erstaunt: »Ihr seid es, der mich verhaftet?«

»Ich, Herr von Ventimiglia!« antwortete lächelnd der Kastilianer.

»Hat Graf Lerma vergessen, daß ich ihn im Hause des Notars in Maracaibo hätte töten können, aber es nicht tat?«

»Ich habe es nicht vergessen«, erwiderte der Graf leise.

»Und doch habt Ihr mich zum Gefangenen gemacht und werdet mich zum flämischen Herzog führen. Erzählte ich Euch, daß van Gould meine beiden Brüder erhängt hat?«

»Ja, Cavaliere.«

»Wißt Ihr nichts von dem schrecklichen Haß, der zwischen ihm und mir herrscht?«

»Auch das weiß ich.«

»Und daß er mich erhängen wird?«

»O nein!«

»Ihr glaubt es nicht?«

»Möglich, daß der Herzog so bestimmt, aber es hängt noch von einem andern Willen ab, dem meinigen, den ich durchsetze. Wisset, die Karavelle gehört mir, und die Matrosen folgen mir!«

»Van Gould ist Gouverneur von Maracaibo, und alle Spanier müssen ihm gehorchen!«

»Er wird sehen, daß ich ihn befriedigt habe. Die späteren Ereignisse gehören mir. Wartet also ...!« sagte der Graf mit einem geheimnisvollen Lächeln. Dann beugte er sich zum Korsaren hinüber und flüsterte ihm ins Ohr: »Gibraltar und Maracaibo liegen weit voneinander entfernt. Ich werde Euch bald zeigen, Cavaliere, wie Graf Lerma mit dem Flamländer spielt. Ihr schweigt vorläufig!«

In diesem Augenblick hatte die von den beiden andern Fahrzeugen begleitete Schaluppe die Karavelle erreicht. Auf einen Wink des Grafen packten die Matrosen die Flibustier und brachten sie an Bord des Seglers. Da rief eine Stimme triumphierend: »Endlich habe ich auch den letzten Ventimiglia in meiner Hand!«

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Das Versprechen eines kastilianischen Edelmannes

Ein Mann stieg eiligst vom Achterdeck und verweilte vor der Gestalt des Schwarzen Korsaren, der von seinen Fesseln befreit war.

Es war ein Greis von imposantem Aussehen mit langem weißem Bart und kräftigen Schultern, trotz seiner fünfundfünfzig Jahre doch noch ein kräftiger Mann. Er sah wie einer jener alten Dogen der venezianischen Republik aus, welche die Galeeren der Meereskönigin gegen die Korsaren des Orients zum Siege führten.

Wie jene auch war er von einem glänzenden Stahlpanzer umschlossen. An seiner Seite hing ein langes Schwert, das er noch mit großer Geschicklichkeit zu handhaben wußte, und am Gürtel sah man einen Dolch mit silbernem Griff.

Sein Anzug mit den weiten Puffärmeln aus schwarzer Seide und den hohen Reitstiefeln aus gelbem Leder mit silbernen Sporen war spanisch.

Schweigend betrachtete er den Schwarzen Korsaren, mit Augen, die noch feurig loderten; dann sprach er langsam und gemessen:

»Ihr habt gesehen, Cavaliere, daß das Glück auf meiner Seite war. Ich habe geschworen, euch alle zu erhängen. Diesen Schwur werde ich halten!«