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Als Ventimiglia die Verwundeten jammern hörte, versuchte er, sowohl Korsaren als auch Spanier aus ihrer schlimmen Lage zu befreien. Mit Hilfe Mokkos und der beiden Flibustier schaffte er sie fort von den Leichenhaufen und ließ sie verbinden. Überall sprang er hilfreich ein.

Schon glaubten sie, beinahe allen Unglücklichen geholfen zu haben, als sie aus einer Ecke des Hofes, wo Spanier und Freibeuter übereinander lagen, eine Stimme vernahmen, die ihnen bekannt erschien.

»Wasser, Caballeros!« hörte man unter einem Haufen Toter rufen.

»Himmel!« rief Stiller. »Das ist ja der Katalonier.«

Sofort machten sie sich daran, den Ärmsten zu suchen. Zwei lange, magere Arme und ein mit Blut besudelter Kopf kamen zum Vorschein.

»Carrai!« rief der Mann, plötzlich seine Retter erblickend.

»Herzensfreund!« rief Carmaux freudig bewegt. »Wie freue ich mich, dich noch lebend zu treffen! Hoffentlich haben sie deine hagere Gestalt nicht allzu schlimm zugerichtet!«

»Wo bist du verwundet?« fragt der Korsar, indem er ihn aufrichtete.

»Man hat mir einen Säbelhieb auf die Schulter und einen ins Gesicht versetzt!«

»Fühlst du, daß deine Verwundungen gefährlich sind?«

»Sie haben mir große Schmerzen verursacht. Gebt mir zu trinken!«

»Nimm, Gevatter!« sagte Carmaux und reichte ihm ein Fläschchen hin. »Nimm, es wird dich stärken!«

Der Katalonier, der Fieber hatte, leerte es gierig.

Dann wandte er sich zum Schwarzen Korsaren: »Ihr sucht den Gouverneur von Maracaibo, nicht wahr?«

»Hast du ihn gesehen?«

»O Herr, Ihr habt die Gelegenheit verpaßt, ihn mit einem Halsband zu beehren, und ich, ihm die fünfundzwanzig Hiebe zurückzugeben!«

»Was heißt das?«

»Daß der Halunke, Euren Sieg voraussehend, hier gar nicht erst gelandet ist! Er ließ sich mit der Karavelle des Grafen Lerma, um Eure Schiffe nicht zu kreuzen, nach der Ostküste des Sees bringen. In Coro wollte er sich ausschiffen, um einen spanischen Segler zu besteigen.«

»Wohin?«

»Nach Porto Cavallo! Dort hat er Besitztümer und auch Verwandte!«

»Sind seine Angaben zuverlässig?«

»Gewiß, Herr.«

»Tod und Verdammnis!« schrie Ventimiglia. »Mir wieder zu entwischen! Sei es! Und wenn er in die Hölle führe, der Schwarze Korsar wird ihn selbst bis dorthin verfolgen!... Und müßte ich auch meine ganzen Reichtümer opfern – ich fahre ihm nach bis zur Küste von Honduras. Das schwöre ich zu Gott!«

»Und ich begleite Euch, Herr, wenn es Euch recht ist«, sagte der Katalonier.

»Hältst du eine Verfolgung für möglich?«

»In dieser Stunde dürfte er sich eingeschifft haben. Noch ehe ihr nach Maracaibo kommt, wird er an der Küste von Nicaragua sein.«

»Gut! Sobald wir auf der Tortuga sind, werde ich eine Expedition ausrüsten, wie man noch keine im Golf von Maracaibo gesehen hat!«

Nachdem er Carmaux und Stiller beauftragt hatte, sich des verwundeten Spaniers anzunehmen, ging er, nur von Mokko begleitet, in die Stadt hinunter, um den Olonesen aufzusuchen.

Die Straßen von Gibraltar, in welche die Korsaren, fast ohne auf Widerstand zu stoßen, eingedrungen waren, boten einen nicht minder trostlosen Anblick als das Innere des Forts. Alle Häuser waren geplündert. Überall hörte man noch das Weinen der Frauen, das Schreien der Kinder, Flüche und Gewehrschüsse.

Scharenweise liefen die Einwohner, von den Piraten verfolgt, durch die Gassen, um ihre kostbarste Habe in Sicherheit zu bringen. Blutige Gemetzel fanden zwischen den Plünderern und der unglücklichen Bevölkerung statt, die zur Herausgabe ihrer verborgenen Schätze gezwungen wurde.

Um Gold zu erlangen, scheuten die gefürchteten Seefahrer selbst vor dem Äußersten nicht zurück.

Einige leere Häuser brannten. Sie warfen Funkengarben in die Luft und gefährdeten die ganze Stadt.

Der Kapitän wandte sich angewidert ab, obwohl er an dieses Schauspiel gewöhnt war.

Auf dem Hauptplatz fand er, inmitten von Freibeutern und Bürgern, den Olonesen. Er war damit beschäftigt, das Gold zu wiegen, das seine Leute unausgesetzt von allen Seiten herbeibrachten.

»Beim Sande von Olone!« rief er, als er Ventimiglias ansichtig wurde. »Ich glaubte schon, du seist dabei, van Gould aufzuknüpfen. Aber ich sehe, du bist unzufrieden, Cavaliere! Warum?«

»Van Gould segelt zu dieser Stunde nach Nicaragua.«

»Also entflohen! Ist denn der Teufel mit ihm im Bunde?«

»So scheint es, er will sich nach Honduras flüchten.«

»Und was willst du tun?«

»Ich will nach der Tortuga zurückkehren, um ein neues Unternehmen ins Werk zu setzen.«

»Ohne mich?«

»Kommst du mit?«

»Ich habe es dir versprochen. In einigen Tagen ziehen wir hier ab, um dann mit einer neuen Flotte den alten Halunken zu suchen!«

Als drei Tage später die Plünderung beendet war, schifften sich die Flibustier in Schaluppen ein, die ihnen von dem am äußeren Ende des Sees befindlichen Geschwader zugesandt worden waren.

Außer zweihundert Gefangenen, für die sie früher oder später ein gutes Lösegeld zu erlangen hofften, führten sie eine große Menge Lebensmittel, Waren und Gold im Wert von zweihundertundsechzigtausend Piastern mit, eine Beute, die innerhalb weniger Wochen auf der Tortuga bei Banketten und Festen verjubelt werden sollte.

Die Fahrt über den See verlief ohne jeden Zwischenfall. Am folgenden Morgen bestiegen die Piraten ihre Schiffe und segelten auf Maracaibo zu. Es war ihre Absicht, dieser Stadt einen neuen Besuch abzustatten, um eine Kopfsteuer zu erheben.

Der Schwarze Korsar befand sich mit seinen Begleitern auf dem Schiffe des Olonesen, da die »Fólgore« nach dem Ausgang des Golfes vorgeschoben war. Sie sollte einen Überfall seitens des spanischen Geschwaders verhüten, das längs der Küste des Großen Golfs zum Schutze der zahlreichen Hafenplätze Mexikos segelte.

Die Einwohner von Maracaibo hatten sich, wie es die Flibustier vermuteten, in das Innere der Stadt zurückgezogen, in der Hoffnung, die Korsaren würden hier nicht zum zweiten Male ankern. Sie hatten eine vollständige Plünderung erlitten und vermochten nicht den geringsten Widerstand zu leisten. Aus Furcht vor einer neuen Beraubung und Feuersbrunst sahen sie sich gezwungen, einen Tribut von dreißigtausend Piastern zu zahlen.

Hiermit noch nicht zufrieden, benutzten die Freibeuter den Aufenthalt, um sich in den Kirchen zu bereichern. Sie entwendeten heilige Gefäße, Bilder, Kruzifixe, ja sogar Glocken. Das alles sollte später in einer auf der Tortuga zu errichtenden Kapelle Verwendung finden.

Am Nachmittag desselben Tages verließ das Korsarengeschwader endgültig diese Gegend und wandte sich mit vollen Segeln dem Ausgang des Golfs zu.

Das Wetter hatte sich verschlechtert, so daß alle sich beeilten, diese gefahrvolle Küste zu verlassen.

Seitwärts von Sierra di Santa Maria stiegen schwarze Wolken auf, welche die Sonne verdunkelten und sich über den ganzen Himmel verbreiteten, während die Brise sich in einen starken Wind verwandelte.

Die Wellen türmten sich hoch und schlugen gegen die Schiffsplanken.

Um acht Uhr abends, als es am Horizont zu blitzen begann und das Meeresleuchten eintrat, erblickte das Geschwader die »Fólgore«, welche vor der Punta Esapada lavierte.

Eine vom Olonesen abgeschossene Rakete gab der »Fólgore« das Zeichen, sich zu nähern, während die große Schaluppe mit dem Schwarzen Korsaren und seinen Begleitern, denen sich auch der Katalonier zugesellt hatte, hinabgelassen wurde.

Morgan, der das Signal und die Laternen des Geschwaders bemerkt hatte, steuerte dem Eingang des Golfs zu. Mit flotten Segeln und unter Kanonenschüssen erreichte das schnelle Schiff die Schaluppe und nahm seinen Kapitän auf.

Kaum hatte der Korsar das Deck betreten, da empfingen ihn schon begeisterte Rufe: »Es lebe unser Kommandant!«