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»Sie ist längst vorgezeichnet.«

Diese unbeirrbare Freundschaft erfüllte das Herz des Prinzen mit Freude. Doch würde er es verstehen, sich ihrer immer würdig zu erweisen? Ameni war jemand, der hohe Ansprüche stellte.

»Bist du bei deinen Nachforschungen vorangekommen?«

»Nein, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf. Und du?«

»Obwohl die Königin sich eingeschaltet hat, gibt es keine ernstzunehmende Spur.«

»Weil es einen Namen gibt, den niemand auszusprechen wagt«, meinte Ameni.

»Zu Recht, das glaubst du doch auch? Eine Anklage ohne Beweise wäre ein schweres Vergehen.«

»Das höre ich gern aus deinem Mund. Weißt du eigentlich, daß du Sethos immer ähnlicher wirst?«

»Ich bin sein Sohn.«

»Chenar ebenfalls, auch wenn man daran zweifeln möchte.«

Ramses war nervös. Wieso war Moses kurz vor seiner Abreise zum Harim Mer-Our in den Palast bestellt worden? Während der Expedition hatte der Freund keinen Fehler begangen. Im Gegenteil, Grubenarbeiter wie Offiziere waren des Lobes voll gewesen für den jungen Versorgungsbeamten und hatten ihn den anderen als Vorbild hingestellt. Aber üble Nachrede und Verleumdung gab es ja immer. Seine Beliebtheit hatte vielleicht einen hochgestellten Dummkopf in den Schatten gestellt.

Ameni schrieb unbeirrbar weiter.

»Bist du nicht besorgt?«

»Wegen Moses? Nein. Er ist von deiner Art: je mehr man ihm abverlangt, desto stärker wird er.«

Diese Behauptung vermochte Ramses nicht zu beruhigen. Der Hebräer hatte einen so ausgeprägten Charakter, daß er eher Eifersucht als Hochachtung weckte.

»Anstatt zu grübeln«, riet Ameni, »solltest du lieber die letzten königlichen Verfügungen lesen.«

Der Prinz machte sich mit Eifer an die Arbeit, konnte sich jedoch nur schwer konzentrieren. Immer wieder sprang er auf und lief auf der Terrasse hin und her.

Kurz vor Mittag sah er Moses aus dem Verwaltungsgebäude, wohin er bestellt worden war, herauskommen. Da er es nicht mehr erwarten konnte, rannte er die Treppe hinab und eilte ihm entgegen.

Der Hebräer wirkte fassungslos.

»Los, sag schon!«

»Man bietet mir den Posten eines Vorarbeiters auf den königlichen Baustellen an.«

»Dann ist es also aus mit dem Harim?«

»Ich werde von Stadt zu Stadt ziehen und unter Leitung eines Baumeisters die Arbeiten an Tempel- und Palastbauten überwachen.«

»Hast du angenommen?«

»Ist das denn nicht besser als das einlullende Dasein im Harim?«

»Dann ist es ja eine Beförderung! Acha ist in der Stadt, Setaou ebenfalls, also werden wir heute abend feiern.«

ACHTUNDZWANZIG

Die ehemaligen Schüler des Kap verbrachten einen angeregten Abend. Tänzerinnen vertrieben den jungen Männern die Zeit. Wein, duftende Braten und Süßspeisen wurden gereicht. Setaou erzählte ein paar Schlangenanekdoten und verriet, wie er schöne Frauen verführte, indem er sie vor einem Reptil rettete, das er zuvor selbst in ihre Privatgemächer eingeschleust hatte. Dieses, wie er selbst fand, etwas ungehörige Verfahren ersparte ihm endloses Vorgeplänkel.

Jeder erzählte, was ihm bevorstand: Ramses würde zur Armee gehen, Ameni die Schreiberlaufbahn fortsetzen, Acha Diplomat werden, Moses die öffentlichen Bauvorhaben überwachen, und Setaou würde sich weiterhin seinen geliebten Kriechtieren widmen. Wann würden sie sich wohl wiedersehen, so glücklich und siegesgewiß?

Setaou zog sich als erster zurück, in Begleitung einer nubischen Tänzerin, die ihm rührende Blicke zugeworfen hatte. Moses mußte noch ein paar Stündchen schlafen, bevor er nach Karnak aufbrach, wo Sethos ein riesiges Bauvorhaben geplant hatte. Ameni, der das Trinken nicht gewohnt war, schlummerte auf weichen Kissen. Die Nacht war erfüllt von Duft.

»Eigenartig«, sagte Acha zu Ramses, »die Stadt scheint so friedlich.«

»Sollte es denn anders sein?«

»Meine Reisen durch den Osten und Nubien haben mir die Augen geöffnet. Wir leben und wiegen uns in Sicherheit. Doch im Norden wie im Süden haben mehr oder minder furchterregende Völker nichts anderes im Sinn, als sich unserer Reichtümer zu bemächtigen.«

»Im Norden sind es die Hethiter, aber wer lauert im Süden?«

»Solltest du die Nubier vergessen haben?«

»Die sind doch schon seit langer Zeit unsere Untertanen.«

»Das glaubte ich auch, bis ich dorthin kam, mit dem Auftrag, den Stand der Dinge etwas genauer zu erforschen. Die Zungen lösten sich, und ich hörte, was hinter den Kulissen geredet wurde, und kam einer Wirklichkeit nahe, die ganz anders ist, als man hier bei Hof glaubt.«

»Du drückst dich recht rätselhaft aus.«

Der vornehme und elegante Acha schien so gar nicht geschaffen für lange Reisen durch unwirtliche Landstriche. Dennoch war er stets ausgeglichen, wurde nie laut und legte eine unerschütterliche Ruhe an den Tag. Seine innere Kraft und seine geistige Regsamkeit erstaunten einen jeden. Jetzt wurde auch Ramses klar, daß er niemals eine von Acha vorgetragene Meinung überhören durfte. Seine Vornehmheit war trügerisch, hinter dem Erscheinungsbild eines Mannes von Welt verbarg sich ein entschlossener und selbstsicherer Charakter.

»Weißt du, daß wir hier über Staatsgeheimnisse reden?«

»Das ist doch dein Aufgabenbereich«, sagte Ramses spöttisch.

»Diesmal bist du ganz direkt betroffen, und weil wir Freunde sind, meine ich, du solltest eine Nacht Vorsprung bekommen vor Chenar. Morgen früh wird er nämlich Mitglied des Rates sein, den der Pharao einberufen wird.«

»Solltest du mir zuliebe dein Wort brechen?«

»Ich begehe keinen Verrat an meinem Land, denn ich bin überzeugt, daß du in dieser Angelegenheit eine Rolle spielen wirst.«

»Könntest du dich etwas klarer ausdrücken?«

»Im Gegensatz zu den Fachleuten bin ich der Meinung, daß sich in einer unserer nubischen Provinzen ein Aufstand vorbereitet. Nicht einfach eine schlichte Unmutsbewegung, sondern ein richtiger Aufstand, der zahlreiche Opfer kosten dürfte, wenn die ägyptische Armee nicht schnell eingreift.«

Ramses war verblüfft.

»Hast du es gewagt, eine solch unglaubliche Ansicht vorzutragen?«

»Ich habe sie schriftlich ausgeführt und meine Gründe erläutert. Ich bin zwar kein Seher, aber hellsichtig.«

»Der Vizekönig von Nubien und die Generäle werden dich als Spinner hinstellen!«

»Das ist zu erwarten, aber der Pharao und seine Ratgeber werden meinen Bericht lesen.«

»Und warum sollten sie deine Ansicht teilen?«

»Weil sie der Wahrheit entspricht, und ist die Wahrheit nicht Leitstern unseres Herrschers?«

»Schon, aber…«

»Sei nicht ungläubig, bereite dich lieber vor.«

»Mich vorbereiten, worauf denn?«

»Sobald der Pharao beschlossen haben wird, den Aufruhr niederzuschlagen, wird er ganz sicher einen seiner Söhne mitnehmen wollen. Das mußt du sein, und nicht Chenar. Das ist die Gelegenheit für dich, deine Fähigkeiten als Soldat unter Beweis zu stellen.«

»Und wenn du dich geirrt hast…«

»Das ist ausgeschlossen. Finde dich frühzeitig ein im königlichen Palast.«

Ungewöhnliche Erregung herrschte im Seitenflügel des Palastes, wo der Pharao die »neun einzigen Freunde« sowie die anderen Ratsmitglieder, Generäle und einige Minister, versammelt hatte. Im allgemeinen beschränkte der König sich auf ein Gespräch mit seinem Wesir, wobei er sich Fälle, die er für entscheidend hielt, genauer vornahm. Aber an diesem Morgen war, ohne daß es Anzeichen dafür gegeben hätte, der erweiterte Rat zu einer Dringlichkeitssitzung geladen worden.

Ramses meldete sich bei dem Stellvertreter des Wesirs und ersuchte um eine Audienz beim Pharao. Man beschied ihn, sich zu gedulden. Da Sethos jedes Gerede zuwider war, würden die Verhandlungen sich nicht lange hinziehen. Das glaubte der Prinz jedenfalls, doch so war es nicht. Sie dauerten ungewöhnlich lange, über die Zeit des Mittagessens hinaus, bis in den frühen Nachmittag. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Teilnehmern mußten beträchtlich sein, und die Entscheidung des Königs würde erst fallen, wenn er sicher war, den richtigen Weg, den es einzuschlagen galt, zu erkennen.