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»Das war mir viel zu langweilig. Diese Natur ist überreich, ist üppig!«

»Wie zum Beispiel dieses gemordete Dorf?«

Setaou legte dem Freund die Hand auf die Schulter.

»Verstehst du jetzt, warum mir die Schlangen lieber sind? Ihre Weise zu töten ist edler, und außerdem liefern sie uns noch wirksame Arzneien gegen Krankheiten.«

»Der Mensch ist aber doch auch nicht nur ein solches Scheusal.«

»Bist du dir da so sicher?«

»Es gibt die Maat, und es gibt das Chaos. Wir kamen auf die Welt, damit die Maat regiere und das Böse besiegt werde, auch wenn es immer von neuem hochsteigt.«

»So denkt ein Pharao, du aber bist nur ein Kriegsherr, der sich anschickt, Schlächter zu schlachten.«

»Oder unter ihren Schlägen zu fallen.«

»Zieh nicht den bösen Blick auf dich, und trinke lieber diesen Kräutertee, den Lotos zubereitet hat. Er wird dich unbesiegbar machen.«

Sethos blickte düster drein.

Er hatte Ramses und die höheren Offiziere in sein Zelt befohlen.

»Was schlagt ihr vor?«

»Noch weiter vorzudringen«, riet ein Veteran, »über den dritten Katarakt hinaus bis nach Irem. Unsere Schnelligkeit wird unser Vorteil sein.«

»Wir könnten in eine Falle geraten«, gab ein junger Offizier zu bedenken, »weil die Nubier wissen, daß wir gern so verfahren.«

»Das stimmt«, bestätigte der Pharao. »Um nicht in einen Hinterhalt zu geraten, müssen wir zuerst die feindlichen Stellungen ausmachen. Ich brauche Freiwillige, Nachtkundschafter.«

»Das ist sehr gewagt«, bemerkte der Veteran.

»Das ist mir bewußt.« Ramses erhob sich. »Ich melde mich freiwillig.«

»Ich auch«, erklärte der Veteran, »und ich habe drei Kameraden, die genauso mutig sind wie der Prinz.«

EINUNDDREISSIG

Der Prinz nahm seine Kappe ab, sein ledernes Wams, seinen Paradeschurz und schlüpfte aus den Sandalen. Um in die nubische Savanne vorzudringen, wollte er sich den Körper mit Holzkohle schwärzen und nur einen Dolch mitnehmen. Bevor es losging, mußte er noch schnell in Setaous Zelt.

Der Schlangenbeschwörer köchelte ein gelbliches Gebräu, während Lotos roten Hibiskustee bereitete.

»Eine rotschwarze Schlange hat sich unter meine Matte geschlichen«, verkündete Setaou strahlend, »ein unverhofftes Glück! Noch dazu eine mir bisher unbekannte Art, und eine schöne Menge Gift obendrein! Die Götter sind mit uns, Ramses! Dieses Nubien ist ein Paradies, wie viele Arten es wohl birgt?«

Er hob den Blick und musterte den Prinzen.

»Wo willst du denn hin in diesem Aufzug?«

»Die Lager der Aufständischen auskundschaften.«

»Und wie willst du das anstellen?«

»Indem ich geradewegs nach Süden gehe. Ich werde sie schon finden.«

»Wesentlich ist, daß du zurückkehrst.«

»Ich vertraue auf mein Glück.«

Setaou nickte.

»Trink dies erst noch mit uns, dann hast du zumindest diesen köstlichen Geschmack im Mund, bevor du den Nubiern in die Hände fällst.«

Fruchtig und erfrischend schmeckte der rote, dickflüssige Trank; dreimal schenkte Lotos Ramses ein.

»Wenn du mich fragst«, erklärte Setaou, »begehst du eine große Torheit.«

»Ich tue allein meine Pflicht.«

»Erspar dir die hohlen Worte! Du stürmst kopflos vorwärts, ohne jegliche Aussicht auf Erfolg.«

»Im Gegenteil, ich…«

Ramses stand auf, er schwankte.

»Ist dir unwohl?«

»Nein, aber irgendwie…«

»Setz dich.«

»Ich muß gehen.«

»In diesem Zustand?«

»Es geht mir gut, ich…«

Ohnmächtig sank Ramses in Setaous Arme, dieser bettete ihn auf eine Matte neben der Feuerstelle und ging aus dem Zelt. Obwohl er auf die Begegnung mit dem Pharao gefaßt war, beeindruckte ihn Sethos’ Gestalt doch zutiefst.

»Danke, Setaou.«

»Lotos sagt, es sei ein ganz leichtes Betäubungsmittel. Ramses wird morgen früh frisch und munter aufwachen. Und was seinen Auftrag betrifft, der wird erledigt. Lotos und ich gehen an seiner Statt. Sie wird mich leiten.«

»Und was wünschst du dir für dich selbst?«

»Deinen Sohn vor Kopflosigkeit zu bewahren.«

Sethos entfernte sich. Setaou war stolz auf sich selbst: wie viele Wesen durften sich rühmen, vom Pharao Dankesworte gehört zu haben?

Ein Sonnenstrahl kroch unter das Zelt und weckte Ramses. Ein Weilchen fühlte er sich noch wie benebelt, und er wußte nicht mehr, wo er sich befand. Dann wurde ihm blitzartig klar, daß Setaou und seine Nubierin ihn betäubt hatten.

Wütend rannte er nach draußen und stieß mit Setaou zusammen, der in Schreiberpose dasaß und Dörrfisch aß.

»Sachte, sachte! Ich hätte mich ja beinahe verschluckt.«

»Und was hast du mir zu schlucken gegeben?«

»Ein Körnchen Weisheit.«

»Ich hatte einen Auftrag auszuführen, und du hast mich daran gehindert.«

»Gib Lotos einen Kuß und bedank dich bei ihr, denn dank ihrer Hilfe wissen wir jetzt, wo sich das Hauptlager des Feindes befindet.«

»Sie gehört doch zu denen!«

»Bei der Zerstörung des Dorfes wurde ihre Familie ermordet.«

»Ist sie ehrlich?«

»Du, der Schwärmer, bist plötzlich mißtrauisch? Ja, sie ist ehrlich, daher war sie ja bereit, uns zu helfen. Die Aufständischen gehören nicht zu ihrem Stamm und bringen Unheil über den fruchtbarsten Landstrich Nubiens. Wasch dich, iß und kleide dich als Prinz, anstatt hier zu jammern. Dein Vater erwartet dich.«

Den Anweisungen von Lotos vertrauend, setzte die ägyptische Armee sich in Marsch, an der Spitze Ramses, hoch oben auf seinem Elefanten. Während der ersten zwei Stunden trottete der Riese entspannt, fast unbekümmert dahin und angelte sich ganz nebenbei im Buschwerk seine Nahrung.

Doch dann änderte sich sein Verhalten; er starrte geradeaus, ging deutlich langsamer und vermied jedes Geräusch. Leicht und unglaublich behutsam setzte er die Füße auf. Plötzlich schwang er den Rüssel bis zur Spitze einer Palme empor, packte einen mit einer Schleuder bewaffneten Nubier, schmetterte ihn gegen den Stamm und brach ihm das Rückgrat.

Ob der Späher noch Zeit gehabt hatte, seine Leute zu verständigen? Ramses wandte sich um und harrte der Befehle. Das Handzeichen des Pharaos war unmißverständlich. Sie sollten ausschwärmen und angreifen.

Der Elefant stürmte los.

Kaum waren sie über die lichte Palmenpflanzung hinweg, da sah Ramses sie: Hunderte von nubischen Kriegern, tiefschwarze Haut, den vorderen Teil des Schädels rasiert, platte Nasen, wulstige Lippen, goldene Ringe in den Ohren, Federn im kurzen krausen Haar, die Wangen voller Ritualnarben. Die Soldaten trugen einen kurzen Schurz aus gefleckter Tierhaut, die Anführer weiße Hemden mit roten Gürteln.

Es war zwecklos, ihnen zuzurufen, sich zu ergeben. Sobald sie des Elefanten und der ägyptischen Vorhut ansichtig wurden, stürzten sie sich auf ihre Bögen und begannen zu schießen. Ihre Eile wurde ihnen jedoch zum Verhängnis, weil sie auseinanderliefen, während die ägyptischen Sturmwellen ruhig und entschlossen heranrollten.

Sethos’ Bogenschützen setzten die nubischen Krieger, die kopflos handelten und einander behinderten, schnell außer Gefecht. Dann stürmten die Lanzenträger das Lager von hinten und machten jene nieder, die gerade ihre Schleudern bestückten. Die mit Schutzschild ausgerüsteten Fußtruppen wehrten einen verzweifelten Ansturm mit Beilen ab und durchbohrten ihre Gegner mit dem Kurzschwert.

Die überlebenden Nubier warfen in Todesangst ihre Waffen von sich und fielen auf die Knie; sie flehten die Ägypter an, sie zu verschonen.

Sethos hob den rechten Arm, und sofort stockte der Kampf, der ohnehin nicht lange gedauert hatte. Den Besiegten wurden die Hände auf den Rücken gebunden.

Doch der Elefant war noch nicht fertig mit seinen Feinden; er riß das Dach von der größten Hütte und zerfetzte die Wände. Zwei Nubier wurden sichtbar, der eine groß und würdevoll, ein breites Band aus rotem Stoff zur Schärpe gebunden, der andere klein und drahtig, der sich hinter einem Strohkorb zu schützen suchte.