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Dieser war es, der dem Riesen seinen Speer in den Rüssel gerammt hatte, um ihn zu verwunden. Wie eine reife Frucht packte ihn jetzt die Rüsselspitze, schloß sich um seinen Leib und ließ ihn ein Weilchen in der Luft strampeln. Brüllend und fuchtelnd mühte der Mann sich, aus diesem Schraubstock freizukommen. Als der Riese ihn auf dem Boden absetzte, glaubte er sich gerettet, doch als er zur Flucht ansetzte, zermalmte ein riesiger Fuß ihm den Schädel. Ohne viel Aufhebens zerquetschte der Elefant den Mann, der ihm so viel Leid zugefügt hatte.

Ramses wandte sich an den großen Nubier, der sich nicht von der Stelle gerührt hatte. Mit über der Brust verschränkten Armen hatte er das Geschehen beobachtet.

»Bist du der Häuptling?«

»Das bin ich, in der Tat. Du bist recht jung und hast uns eine solche Lektion erteilt.«

»Die Ehre gebührt dem Pharao.«

»So hat er sich persönlich herbemüht. Das erklärt die Warnung der Zauberer, die prophezeit hatten, wir könnten nicht siegen. Wir hätten auf sie hören sollen.«

»Wo halten sich die anderen Aufständischen versteckt?«

»Ich werde es dir sagen, sie aufsuchen und ihnen raten, sich zu ergeben. Wird der Pharao ihnen dann das Leben schenken?«

»Das wird er entscheiden.«

Sethos gönnte seinen Feinden keinen Aufschub. Noch am gleichen Tag griff er zwei weitere Lager an. In keinem von beiden hatte der besiegte Häuptling mit seinem Aufruf zu Mäßigung Gehör gefunden. Die Kämpfe waren von kurzer Dauer, da die Nubier planlos vorgingen. Eingedenk der Voraussagen der Zauberer und angesichts der flammenden Augen Sethos’ fühlten viele von ihnen sich wie gelähmt. Wenn sie es recht bedachten, war der Krieg ohnehin schon verloren.

Sethos machte sechshundert Gefangene, und es kamen noch vierundfünfzig junge Männer, Sechsundsechzig junge Mädchen und achtundvierzig Kinder hinzu, die in Ägypten erzogen werden und dann nach Nubien zurückkehren sollten. Als Vermittler einer Kultur, die ihre eigene ergänzte und auf Frieden mit dem mächtigen Nachbarn ausgerichtet war.

Der König vergewisserte sich außerdem, daß auch die gesamte Provinz Irem befreit war und jeder Bewohner dieses an fruchtbarem Ackerland so reichen Bezirks wieder Zugang hatte zu den Brunnen, die die Aufständischen sich angeeignet hatten. Von nun an würde der Vizekönig von Kusch jeden Monat die Gegend inspizieren, um neuem Aufruhr vorzubeugen. Er würde sich die Forderungen der Bauern anhören und versuchen, ihre Wünsche zu befriedigen. Bei wichtigen Streitfragen würde der Pharao entscheiden.

Ramses war wehmütig gestimmt; Nubien zu verlassen machte ihn traurig. Er hatte nicht gewagt, seinen Vater um den Posten eines Vizekönigs zu bitten, für den er sich geschaffen fühlte. Er war zwar mit diesem Gedanken im Kopf vor ihn hingetreten, doch als er Sethos’ Blick sah, hatte er sich nicht mehr entschließen können, ihn auszusprechen. Der Pharao unterbreitete ihm seinen Plan: Den jetzigen Vizekönig wollte er im Amt belassen und tadelloses Verhalten von ihm fordern. Bei der geringsten Beanstandung würde der Mann seine Laufbahn als Festungsverwalter beenden.

Der Elefant strich Ramses mit dem Rüssel über die Wange. Obwohl viele Soldaten den Riesen gerne bei Paraden in Memphis gesehen hätten, hatte der Prinz entschieden, er solle dort, wo er geboren war, glücklich und in Freiheit leben.

Ramses streichelte dem Tier den Rüssel. Die Wunde vernarbte bereits, und der Elefant wies in Richtung Savanne, als wollte er den Königssohn auffordern mitzukommen. Aber die Wege des Riesen und des Prinzen trennten sich hier.

Ramses verharrte eine Weile völlig reglos. Der Verlust dieses überraschenden Verbündeten machte ihm das Herz schwer. Wie gern wäre er mit ihm gezogen, um unbekanntes Land zu erkunden und von ihm zu lernen. Doch der Traum zerfiel, die Schiffe warteten, es ging zurück gen Norden. Nach Nubien würde er zurückkehren, das schwor sich der Prinz.

Singend bauten die Ägypter das Lager ab. Die Soldaten sparten nicht mit Lob für Sethos und Ramses, die eine gefährliche Expedition in einen Triumph verwandelt hatten. Die Lagerfeuer wurden nicht gelöscht, die Eingeborenen sollten sich die Glut ruhig holen.

Als er an einem Gehölz vorbeikam, vernahm der Prinz eine klagende Stimme. Hatte man etwa einen Verwundeten zurückgelassen?

Er schob das Blattwerk auseinander und entdeckte ein verschrecktes Löwenjunges, das kaum mehr atmen konnte. Das Tier streckte die rechte Pfote von sich, sie war geschwollen, die Augen waren fiebrig. Ramses nahm das klagende Tier auf den Arm und stellte fest, daß das Herz ganz unregelmäßig schlug. Ohne Behandlung würde der kleine Löwe sterben.

Zum Glück war Setaou noch nicht an Bord gegangen. Ramses zeigte ihm das verletzte Tier. Die Untersuchung der Wunde ließ keinen Zweifel zu.

»Es ist ein Schlangenbiß«, erklärte Setaou.

»Hat er Überlebenschancen?«

»Sehr geringe, schau her: man sieht deutlich die drei Löcher, sie entsprechen den zwei Giftzähnen und dem zusätzlichen dritten, und auch der Abdruck der sechsundzwanzig Zähne ist erkennbar. Folglich war es eine Kobra. Wäre dies kein außergewöhnlich kräftiger Löwe, wäre er längst tot.«

»Außergewöhnlich?«

»Schau dir die Gliedmaßen an. Für ein so junges Tier sind sie riesig. Ausgewachsen wäre dieser Kerl gewaltig.«

»Versuch ihn zu retten.«

»Die Jahreszeit könnte ihm zu Hilfe kommen, denn im Winter ist das Kobragift nicht ganz so wirkungsvoll.«

Setaou zerrieb eine Schlangenholzwurzel aus der östlichen Wüste, streute das Pulver in etwas Wein und flößte es dem Löwen ein. Dann zerkleinerte er die Blätter dieses Strauchs, zerrieb sie in Öl und bestrich den Körper des Tieres, um das Herz zu stärken und die Atmung zu beschleunigen.

Während der ganzen Reise ließ Ramses den jungen Löwen nicht aus den Augen. Er war eingewickelt in ein Tuch mit feuchtem Wüstensand und Rizinusblättern; er rührte sich kaum mehr. Zwar gab man ihm Milch zu trinken, doch er wurde zunehmend schwächer. Aber sobald der Prinz ihn streichelte, schien ihm das zu belugen, denn in seinem Blick lag Dankbarkeit.

»Du wirst überleben, und wir werden Freunde sein«, versprach Ramses.

ZWEIUNDDREISSIG

Erst wich Wächter zurück, dann pirschte er sich heran. Furchtsam schob der Hund die Nase vor und erkühnte sich dann doch, den jungen Löwen zu beschnuppern, dem zum erstenmal ein so seltsames Tier vor Augen kam. Der kleine Wildfang, der zwar noch schwach auf den Beinen stand, wollte spielen. Er sprang auf Wächter zu und erstickte ihn mit seinem Gewicht. Der Hund kläffte laut, konnte sich auch befreien, nicht aber dem Hieb ausweichen, der sein Hinterteil traf. Das waren Krallen gewesen.

Ramses packte den kleinen Löwen am Genick und hielt ihm eine Strafpredigt; das Kerlchen spitzte die Ohren und hörte ihm zu. Der Prinz verarztete seinen Hund, der nur ein paar Kratzer hatte, und stellte die beiden Gefährten dann erneut einander gegenüber. Wächter, der ein wenig nachtragend war, versetzte dem Löwen, den Setaou »Schlächter« getauft hatte, nun seinerseits einen Hieb mit der Pfote. Gegen das Schlangengift und auch den Schatten des Todes hatte er sich behauptet. Der Name entsprach seiner ungeheuren Kraft und würde ihm Glück bringen. Ein riesiger Elefant, ein gewaltiger Löwe… hatte Setaou laut gedacht. War für Ramses nur das Große und das Außergewöhnliche gut genug? Hatte er keinen Blick für das Kleine und Schwache?

Sehr bald schon vermochten Löwe und Hund die Kräfte des anderen richtig einzuschätzen. Schlächter lernte sich zu beherrschen, Wächter unterließ es, ihn ständig zu reizen. Unverbrüchliche Freundschaft entstand zwischen beiden; sie spielten und sprangen herum, vereint in Lebensfreude. Und wenn sie gefressen hatten, legte der Hund sich zum Schlafen dicht an die Flanke des Löwen.