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Kyle antwortete erst nach einer Weile. »Vielleicht«, sagte er. »Aber ich fürchte, das ist nicht alles. Die Energie muß sehr viel größer gewesen sein, als ich annahm. Es kann sein, daß die Grenze zwischen den Dimensionen niedergerissen wurde.«

»Die Grenze zwischen den Dimensionen ... so«, wiederholte Hartmann.

»Aber jetzt suchen Sie besser den Ausgang«, erklärte Kyle, der offensichtlich das Thema wechseln wollte. »Ich will Sie ja nicht beunruhigen, aber ...«

»Wissen Sie, was mich am meisten beunruhigt, Kyle?« fragte Hartmann, während er aufstand und sich vorsichtig herumdrehte, um nicht im Dunkeln gegen ein Hindernis zu stoßen. »Sätze, die mit Ich will Sie ja nicht beunruhigen anfangen.«

Kyle lachte gezwungen. Hartmann konnte hören, wie sich Net irgendwo ein paar Schritte entfernt von ihm bewegte; in Anbetracht der niedrigen Schwerkraft so vorsichtig und unbeholfen wie er selbst. Über den Grund dieser so drastisch reduzierten Anziehungskraft wollte Hartmann noch immer nicht nachdenken. Natürlich war es möglich, daß sie sich in einem Teil der Moroni-Welt befanden, in dem die Erdanziehung reduziert war. Aber es gab auch noch eine andere Erklärung, und die ...

Nein, über diese Möglichkeit weigerte er sich im Moment nachzudenken. Behutsam tastete er sich durch die Dunkelheit nach vorn, bis seine Finger auf Widerstand stießen.

Es dauerte eine gute halbe Stunde, die sie fast den gesamten Gasvorrat ihres Feuerzeuges kostete, doch am Ende entdeckten sie eine Tür - oder jedenfalls etwas, von dem Kyle behauptete, daß es eine Tür war.

Hartmann hatte da so seine Zweifel. Die Tür hatte keine bestimmte Form, sondern hätte ebensogut ein reichlich schlampig geflicktes Loch in der Wand sein können, wären ihre Ränder nicht sorgsam mit dicken Kunststoffdichtungen und Scharnieren versehen worden. Wer immer sie konstruiert hatte, mußte ein gründlich gestörtes Verhältnis zur euklidischen Geometrie haben - und ziemlich lange Beine, denn ihre Unterkante lag gut anderthalb Meter über dem Boden.

»Auf der linken Seite müßte eine Schalttafel sein«, sagte Kyle, nachdem ihm Hartmann von seiner Entdeckung berichtet hatte.

Hartmann hob das Feuerzeug. Die Flamme war kaum noch so groß wie sein Fingernagel und spendete kein nennenswertes Licht mehr.

»Haben Sie sie?« Hartmann ließ die Flamme erlöschen und tastete mit der anderen Hand über das glatte Metall vor sich. Er mußte sich auf die Zehenspitzen stellen, um die kleine Schalttafel zu erreichen. »Ja. Zwei Knöpfe. Sie sind ... eigenartig geformt.«

»Ich weiß«, antwortete Kyle aus der Dunkelheit heraus. »Wenn Sie den oberen drücken, müßte sie aufgehen. Falls die Automatik noch funktioniert.«

Hartmann streckte die Finger nach dem Knopf aus, drückte ihn aber noch nicht. »Was erwartet uns auf der anderen Seite?« fragte er mißtrauisch.

»Ich wollte, ich wüßte es«, antwortete Kyle. »Vielleicht nichts. Vielleicht auch der Tod.« Er lachte leise. »Probieren Sie es aus, Hartmann. Sie werden der erste sein, der es herausfindet.«

»Reizend«, knurrte Hartmann. »Machen Sie so weiter, Kyle, und ich bin nicht mehr sicher, ob Sie wirklich wünschen sollten, lebend hier herauszukommen.«

Kyle lachte abermals, und Hartmann schlug wütend mit der Faust auf den Schalter. Gleichzeitig sprang er zwei Schritte zurück und brachte sein Gewehr in Anschlag.

Sekundenlang geschah nichts, und Hartmann begann sich schon mit dem Gedanken abzufinden, daß nicht nur die Beleuchtung, sondern jedes technische Gerät in dieser Anlage ausgefallen war, dann hörte er ein lautes, trockenes Klack - und die Tür verschwand mit einem Schlag im Boden. Rotes Licht und ein Schwall stickiger, nach Eisen riechender Luft drangen zu ihnen herein.

Hartmann wich einen weiteren Schritt zurück, hob seine Waffe und duckte sich instinktiv. Nach der Zeit, die sie in fast vollkommener Finsternis verbracht hatten, machte ihn der matte Schimmer beinahe blind. Aber er konnte hören, daß sich dort draußen etwas bewegte.

Mit klopfendem Herzen wartete er, bis sich seine Augen an das Licht gewöhnt hatten. Erst dann wagte er es, sich der Tür zu nähern und hinauszusehen. Beinahe lautlos trat Net neben ihn.

Sie standen fast eine Minute da und starrten nach unten, bis Kyle fragte: »Was sehen Sie?«

»Das ist ... schwer zu beschreiben«, murmelte Hartmann. Sein Gaumen war mit einem Mal so trocken, daß er Mühe hatte zu sprechen. »Ich hätte ein passendes Wort dafür. Ich bin nicht sicher, ob Sie es verstehen.«

»Und welches?« fragte Kyle.

»Die Hölle«, antwortete Hartmann.

5

Der Rückflug nach Europa dauerte acht oder zehn Stunden, obwohl sie einen der Moroni-Gleiter benutzten. Aber sie konnten nicht die direkte Route über den Atlantik nehmen, sondern flogen einen geradezu aberwitzigen Zickzackkurs, der sie mit Ausnahme Neukaledoniens und Andorras wahrscheinlich über den gesamten Planeten fliegen ließ. Trotzdem wurde der Gleiter mehrmals angegriffen; und mindestens einmal geriet er dabei so sehr in Bedrängnis, daß er wahrscheinlich abgestürzt wäre, hätte sie nicht im letzten Moment eine von Jared kommandierte Staffel unterstützt.

Charity erfuhr all diese Dinge allerdings erst am nächsten Tag, denn sie hatte den Gleiter kaum betreten und die Schwarze Festung verlassen, da fiel sie auch schon in einen tiefen Schlaf, aus dem sie erst spät am Abend des darauffolgenden Tages erwachte; mit einem schlechten Geschmack im Mund, schmerzendem Kopf und der Erinnerung an wirre, sinnlose Alpträume, die sie geplagt hatten.

Vorsichtig setzte Charity sich auf; ihr Kopf schien wie in einem Schmerzkrampf zu pulsieren. Sie wankte, preßte Daumen und Zeigefinger so fest auf die geschlossenen Lider, daß sie bunte Sterne vor den Augen flimmern sah, und hielt den Atem an, bis der Schwindelanfall allmählich verebbte. Danach bewegte sie sich mehr als behutsam.

Zumindest fand sie sich in einer Umgebung wieder, die sie kannte; sie war in dem gleichen Zimmer unterhalb der Kommandoebene des Eifelbunkers, das sie schon zuvor bewohnt hatte, so daß sie sich weder den Schädel einrannte noch über irgendein unvermutetes Hindernis stolperte, als sie mit halb geschlossenen Augen ins Bad schlurfte. Ihr Kopf dröhnte, als säße hinter ihren Schläfen ein Zwerg, der mit wachsender Begeisterung auf einer Kesselpauke das Steptanzen übte. Sie brauchte fast eine Stunde, in der sie sich abwechselnd eiskaltes Wasser über Gesicht, Handgelenke und Nacken laufen ließ, bis sie das Gefühl hatte, wenigstens wieder halbwegs klar zu sein. Und diese Zeit machte ihr endgültig klar, wieso sie so rasch eingeschlafen und so lange danach erst wieder aufgewacht war. Es war nicht das erste Mal, daß man ihr ein Betäubungsmittel verabreichte. Allerdings das erste Mal, daß sie eine Dosis bekam, die ausgereicht hätte, einen argentinischen Zuchtbullen flachzulegen.

Der erste halbwegs klare Blick in den Spiegel brachte die nächste unangenehme Überraschung. Daß sie so schlecht aussah, wie sie sich fühlte, überraschte sie nicht einmal besonders, aber was sie schockierte, war ihr Haar. Sie hatte eine graue Strähne bekommen.

Eine Zeitlang musterte sie ihr eigenes Spiegelbild mißmutig, dann streckte sie ihm die Zunge heraus, drehte sich herum und verließ das Bad. Die Kleider, die sie bei ihrer Rückkehr getragen hatte, waren ebenso verschwunden wie der improvisierte Raumanzug und ihre Waffen, aber dafür fand sie etwas, dessen Anblick sie ebenso überraschte, wie es sie mit einer fast kindlichen Freude erfüllte: Auf einem Stuhl neben ihrem Bett lag säuberlich zusammengefaltet eine dunkelblaue Uniform der Space Force, in der richtigen Größe, mit korrekten Rangabzeichen und sogar einem winzigen Namensschildchen, auf dem: ›Laird, C. Cptn‹ zu lesen stand. Leider war der Waffengurt leer, und jemand hatte sich die Mühe gemacht, die winzige Atombatterie aus dem Körperschild-Generator auszubauen.