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Nein - was es ihm immer schwerer machte, einen entsetzten Schrei zu unterdrücken, herumzufahren und einfach in die Dunkelheit davonzustürzen, so weit er konnte, das war der Anblick der grotesken Kreatur, die in fünfzig oder sechzig Metern Entfernung am Rande dieses Schachtes hockte. Hartmann konnte sie nicht einmal wirklich erkennen. Das flackernde rote Licht und das Flimmern der überhitzten Luft verzerrte ihre Umrisse und ließ sie vermutlich größer und unheimlicher erscheinen, als sie war, und die ätzenden Dämpfe, die aus der Tiefe emporstiegen, trieben ihm die Tränen in die Augen, so daß er nur wie durch einen Schleier hindurch sah. Aber was er erkannte, war fast mehr, als er verkraften konnte.

Hinter dem monströsen Umriß bewegte sich eine Anzahl Ameisen, so daß er seine Größe zumindest ungefähr schätzen konnte. Es war gewaltig. Der aufgedunsene Leib, der sich nicht nur im Ganzen, sondern auf widerwärtige Weise auch in sich selbst unentwegt zu bewegen schien, hockte zwischen einem Paar gewaltiger, unentwegt pumpender Flügel, die dem schwarzen Giganten eine gewisse Ähnlichkeit mit einer monströs verkrüppelten Fledermaus verlieh. Sein Kopf war riesig und schien nur aus Augen und anderen Sinnesorganen zu bestehen. Dort, wo er das Maul erwartet hatte, entsprang ein ganzer Wald dünner, unentwegt zuckender Tentakel. Krallen blitzten im roten Licht.

»Was ist los?« drang Kyles Stimme in den Nebel von Furcht und Entsetzen, der sich über Hartmanns Denken gelegt hatte.

Hartmann antwortete nicht. So unbeschreiblich der Anblick des Titanen war, so sehr schlug er ihn auch zugleich in seinen Bann. Es war ihm unmöglich, wegzusehen. Es war ihm nicht einmal möglich, an irgend etwas anderes zu denken oder auch nur auf Kyles Frage zu reagieren. Mit einem Teil seines Bewußtseins, das keinen Einfluß mehr auf sein Handeln hatte, registrierte er mühsame, schleifende Geräusche hinter sich und begriff, daß Kyle auf die Tür zuzukriechen begann.

Erst als der Megamann endlose Minuten später neben ihm auftauchte und ihn an der Seite berührte, gelang es ihm, die Augen zu schließen und den fürchterlichen Bann abzuschütteln, in den ihn das Bild versetzt hatte.

Zitternd wie unter Schmerzen senkte er den Blick und sah auf den Megamann herab. Hartmann erschrak zutiefst. Kyles Gesicht war schweißüberströmt und fahl. In seinen Augen stand ein irres Flackern, und sein Atem ging so schwer, daß er zweimal ansetzen mußte, um überhaupt sprechen zu können. Erst jetzt begriff Hartmann, daß der Megamann sich nur auf Händen und Ellbogen durch den gesamten Raum geschleppt hatte.

»Helfen Sie mir«, sagte Kyle und streckte ihm eine zitternde Hand entgegen.

Hartmann half dem Megamann, sich halb aufzurichten, und stützte ihn, als er den Kopf über die Unterkante der Tür schob und den Schacht hinabblickte. Er suchte aufmerksam nach Spuren des gleichen Erschreckens in Kyles Gesicht, aber alles, was er sah, war eine tiefe, rein körperliche Erschöpfung.

Es dauerte eine Weile, bis Kyle ihm mit einem Nicken zu verstehen gab, daß er genug gesehen hatte. Hartmann lockerte seinen Griff, und Kyle sank erschöpft an der Wand entlang wieder zu Boden. Abermals verstrich beinahe eine Minute, bis er auch nur genug Kraft gesammelt hatte, um zu sprechen. Hartmanns Blick streifte seine verbrannten Beine. Er verstand nicht mehr, wieso Kyle überhaupt noch lebte, trotz der unvorstellbaren Veränderungen, die die Moroni mit seinem Körper vorgenommen hatten. Letztendlich bestand auch er nur aus Fleisch und Blut, und letztendlich war die Fähigkeit jedes lebenden Wesens, Verletzungen zu verkraften und Schmerzen zu ertragen, begrenzt.

»Er ist es«, murmelte Kyle.

»Wer?« flüsterte Hartmann. Der Klang seiner eigenen Stimme kam ihm fremd vor, und beinahe erschrak er selbst über die Furcht, die er darin hörte. Er hatte das Gefühl, die Antwort auf seine eigene Frage zu wissen.

»Der Herr der Schwarzen Festung«, murmelte Kyle. »Es waren zwei, Hartmann. Das ist der andere. Verstehen Sie?«

Hartmann blickte den Megamann einen Moment lang verwirrt an, dann machte er eine Bewegung, die eine Mischung aus Nicken, Achselzucken und Kopfschütteln war. »Ich fürchte ... nicht ganz«, sagte er.

Kyle schloß die Augen und blieb einen Moment reglos und mit zuckendem Gesicht sitzen. »Nein«, flüsterte er. »Wie könnten Sie auch.«

Hartmann ahnte, daß er im Moment nicht mehr von Kyle erfahren würde, und sah zu Net hinauf. Sie stand noch immer reglos da und starrte aus schreckgeweiteten Augen in die Tiefe; und sie reagierte auch nicht, als er sie an der Schulter berührte. Erst als er seinen Griff so weit verstärkte, daß er schon weh tun mußte, erwachte sie aus dem Bann, schloß mit einem kleinen, erschrockenen Laut die Augen und ließ sich neben Kyle in die Hocke sinken.

Auch sie blieb lange Zeit völlig reglos sitzen, ehe sie die Lider wieder hob. »Mein Gott«, flüsterte sie. »Was ist das?«

»Ich weiß es nicht«, gestand Hartmann. Er deutete mit einer Kopfbewegung auf den Megamann. »Er sagte irgend etwas vom Herrn der Schwarzen Festung. Aber ich bin nicht sicher, ob ich ihn wirklich verstanden habe.«

»Dieses ... Monster?« flüsterte Net entsetzt. »Du ... meinst, dieses Ungeheuer ist ... gehört zu der Macht, die Moron lenkt? Aber das ist doch nur ein Ungeheuer.«

Hartmanns Finger spielten nervös am Lauf seines Gewehrs. Er verstand sehr wohl, was Net mit diesen Worten meinte. Der Anblick der Kreatur war so entsetzlich, daß er vermutlich für sich allein ausgereicht hätte, manch anderen in den Wahnsinn zu treiben. Und es nutzte sehr wenig, wenn er sich selbst sagte, daß das Äußere eines lebenden Wesens nichts über seine Intelligenz oder seine Absichten verraten mußte; dieses Ding dort unten war ein Monster. Auch ihm war es nicht möglich, dieses Monster mit dem Vertreter eines Volkes zu identifizieren, das Hunderte von Planeten erobert und Dinge wie Transmitter, die Sternenschiffe und all die anderen technischen Errungenschaften Morons geschaffen hatte. Eine tiefe Angst erweckte dieser Anblick, von dessen Existenz er nie zuvor gehört hatte und das ihm doch nicht fremd war.

»Wir müssen es vernichten«, sagte Kyle plötzlich. Hartmann sah ihn nur an. »Wenn ... wenn es entkommt, dann war alles umsonst«, fuhr Kyle fort.

»Wieso?«

Kyle zögerte. Hartmann bemerkte, wie schwer es ihm fiel, die Frage der Wasteländerin zu beantworten. »Sie sind Moron«, sagte er. »Verstehst du?«

»Nicht ... ganz«, sagte Net hilflos.

»Die Arbeiter und Soldaten und selbst die Inspektoren«, erklärte Kyle langsam, als überlege er jedes einzelne Wort dreimal, ehe er es aussprach, damit ihm nicht etwas entschlüpfte, das er lieber nicht sagen wollte, »sind nur Werkzeuge. Sie sind wirklich nur große, starke Tiere. Ohne die Shait sind sie nichts. Wenn wir diesen einen dort unten vernichten, ist der Krieg vorbei. Wenn nicht, wird er vielleicht ewig weitergehen.« Hartmann reagierte immer noch nicht, aber Net nickte plötzlich verkrampft, schloß die Hände fester um ihre Waffe und machte Anstalten, aufzustehen. Auf ihrem Gesicht lag die gleiche unbeschreibliche Angst, wie sie auch Hartmann verspürte; aber auch eine fast ebenso große Entschlossenheit.

»Nein, nicht so.« Kyle hielt die Wasteländerin mit einer angedeuteten Handbewegung zurück. »Das hätte keinen Sinn.«