Выбрать главу

Wir gingen tiefer in die Stadt und die Überreste des harten Kampfs wurden immer extremer. Ganze Gebäude waren in die Luft gejagt worden und hinterließen jetzt Lücken in den Häuserreihen wie Zähne, die man aus einem Kiefer gezogen hatte. Die, die noch standen, waren ausgebrannt, bis sie von allein zusammenfielen. Wir überprüften einige der noch sicher aussehenden Ruinen von innen. Immer noch keine Leichen. In den Wänden gab es lange, gerade Risse, wie Krallenspuren, und klaffende Löcher wie Wunden. Es war etwas … Fremdes um das alles. Ich hatte meinen Teil an Kämpfen gesehen und auch den Schaden, den sie anrichten konnten, aber das hier war anders. Was hier passiert war, passte nicht zusammen, egal, wie lange ich auch darüber nachdachte.

Und dann kamen wir zu einer Straße, die völlig von getrocknetem Blut verkrustet war. Eher schwarz als rot, reichte der Fleck die ganze Länge der Straße entlang und in Wellen die Gebäudewände hoch, als sei ein wilder Strom Blut die Straße von einem Ende zum anderen entlanggeschwappt.

»So viel Blut«, sagte Honey nachdenklich. »Wie viele Leute sind hier gestorben?«

»Und wer hat sie umgebracht?«, meinte Peter und sah sich schnell um.

»Immer noch keine Toten«, sagte Walker, lehnte sich lässig auf seinen Regenschirm und betrachtete die Szene mit professionellem Interesse.

»Vielleicht hat jemand all die Leichen gefressen«, sagte ich. »Monster, schon vergessen? Irgendetwas ist immer noch hier. Ich kann's fühlen. Es beobachtet uns.«

»Ich hoffe, es sind keine Ratten«, sagte Peter plötzlich. »Ich kann Ratten nicht ausstehen. Mäuse mag ich auch nicht besonders.«

»Oh, Mäuse sind kein Problem«, sagte ich. »Als ich noch klein war, war eine meiner Aufgaben in Drood Hall, vor dem Frühstück eine Runde zu drehen und alle Mausefallen zu kontrollieren. Ich brachte die vollen Fallen zu den Toiletten und veranstaltete für die kleinen Leichen eine Seebestattung. Ich habe eine ziemliche Zeremonie daraus gemacht, wenn mir danach war.«

»Seht ihr?«, meinte Honey. »Schräg.« Dann unterbrach sie sich plötzlich und sah mich nachdenklich an. »Eddie, du sagtest vorhin, dass hier etwas Mächtiges tief unter dem Permafrost schliefe, nicht weit von hier. Könnte das nicht etwas mit dem zu tun haben, was hier passiert ist?«

»Nein«, sagte ich sofort. »Zuerst einmaclass="underline" wir haben es rund hundert Meilen von hier begraben. Und außerdem, selbst wenn es sich im Schlaf rühren würde, hätten wir das schon lange vor derartigen Ereignissen gewusst. Wenn dieses Ding darin verwickelt wäre, dann wäre das hier viel schlimmer.«

»Wie viel schlimmer?«, fragte Walker.

»Apokalyptisch viel schlimmer«, erwiderte ich.

Walker zuckte mit den Achseln. »So was habe ich schon mitgemacht.«

Ich fragte nicht weiter nach. Möglicherweise hatte er recht. Ich hatte mal darüber nachgedacht, die Nightside zu besuchen. Und hatte mich dann brav mit einer kalten Kompresse auf der Stirn ins Bett gelegt, bis diese Idee wieder verschwunden war.

»Könnte das … Ding, diese Person, was auch immer, irgendetwas mit dem Tunguska-Ereignis zu tun haben?«

»Nein«, sagte ich. »Meine Familie hat ihn dort schon vor Jahrhunderten begraben.«

»Etwas oder jemand so gefährliches?«, fragte Honey vorwurfsvoll. »Und ihr habt niemandem je davon erzählt?«

Ich wich ihrem Blick nicht aus. »Das war eine Drood-Angelegenheit. Das ging sonst keinen was an. Niemand anderes hätte etwas tun können. Damals und heute. Es gibt eine ganze Menge Dinge, die wir anderen nicht erzählen. Du würdest nämlich nie mehr gut schlafen, wenn du es wüsstest. Die Droods bewachen die Menschheit, in jedem Sinn des Wortes.«

Honey sah mich an, als wolle sie über diesen Punkt streiten, aber sie wusste, dass das jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war. Sie begnügte sich damit, mir ihren besten bösen Blick zuzuwerfen, und wandte mir dann ostentativ den Rücken zu, um die blutdurchtränkte Straße herunterzusehen.

»Also«, sagte sie. »Was wollten die Wissenschaftler von X25 erreichen? Etwas, das mit der Entschlüsselung der Rätsel und des Potenzials der menschlichen DNA zu tun hatte. Potenzial - vielleicht ist das das Schlüsselwort. Haben sie vielleicht psychische Gaben fördern wollen, wie telepathisches Befehlen? Während des Kalten Krieges haben beide Seiten doch viel Zeit und Geld in die psychische Forschung gesteckt - in der Hoffnung, Menschen zu schaffen, die man als Waffen verwenden könnte.«

»Genau«, meinte Peter und kicherte. »Ich habe diese Dokumentation gesehen. Sie haben versucht, Soldaten zu züchten, die so lange auf Ziegen starren, bis sie umfallen. Dann gab es da diesen General bei euch, der überzeugt war, er könne lernen, durch Wände zu gehen, wenn er sich nur richtig konzentriert. Und nicht zu vergessen dieses ganze Fernsicht-Fiasko …«

»Am Ende haben wir Resultate erzielt«, meinte Honey und sah sich immer noch nicht um.

»Ja«, antwortete ich. »Davon habe ich gehört. Das Problem war wohl, dass ihr sie nicht aus Pamela Andersons Schlafzimmer raushalten konntet. Oder aus George Michaels Badezimmer.«

Honeys starrer Rücken rauchte vor Wut, während Peter, Walker und ich ein Lächeln austauschten. Ich brachte es nicht übers Herz, Honey zu sagen, dass die Droods aus Prinzip alle Regierungsprojekte dieser Art sabotieren. Wir haben die besten Weitseher und Medien der Welt, und wir sind fest entschlossen, es dabei zu belassen. Allerdings haben wir uns bei diesem Männer-die-auf-Ziegen-starren-Blödsinn nicht eingemischt. Das war nicht nötig.

»Diese Stadt ist ziemlich groß«, meinte Walker. »Wir könnten tagelang hier herumspazieren. Aber diese Zeit haben wir nicht.«

»Und mir ist immer noch kalt und ich habe immer noch Hunger«, sagte Peter. Wir sahen ihn an. Er schnüffelte laut. »Is' doch so.«

»Wir hätten dich im Auto lassen sollen«, sagte Honey.

»Es muss einen Weg geben, schneller zum Ziel zu kommen«, sagte Walker. Und dann sah er mich streng an. Peter auch. Honey drehte sich endlich um, damit sie es den anderen gleichtun konnte.

Ich seufzte und rüstete auf. Die goldene Rüstung glitt in einem Augenblick über mich. Sofort fühlte ich mich konzentrierter, stärker, eher in der Lage, mit allem fertig zu werden. Ich hatte nicht bemerkt, wie sehr mir die Stadt an die Substanz gegangen war, bis mich die Rüstung vor ihrem bösartigen Einfluss schützte. Es war interessant - die Rüstung lag immer noch eng an mir wie eine zweite Haut, der dick wattierte Pelzmantel darunter war nicht zu bemerken. Interessant, aber ein Gedanke, den man ein andermal zu Ende denken musste. Ich sah mich um und konzentrierte meine Sicht durch meine gesichtslose Maske.

Sofort war die ganze Straße voller Geister. Männer und Frauen und Kinder, sie rannten und schrien und starben aus keinem erkennbaren Grund, alle gefangen in sich ewig wiederholenden Zeitschleifen.

Bilder, Echos aus der Vergangenheit. Panische Menschen, die wie Tiere heulten und starben - Bilder, die sich auf die Umgebung geprägt hatten und sich ständig wiederholten. Selbst mit meiner Sicht konnte ich nicht sehen, was ihnen so Angst gemacht hatte oder was sie umbrachte. Es war nur etwas, das am Rand meiner mentalen Sicht aufblitzte. Schnelle Eindrücke von etwas unaussprechlich Schrecklichem, das wie ein Unwetter über der Stadt hing, durch die Straßen fegte, in der Nähe, bedrohlich und absolut unaufhaltsam. Innerhalb meiner Rüstung bekam ich eine Gänsehaut.

Als sei der Teufel selbst nach X25 gekommen und würde direkt hinter mir stehen.

Ich schickte meine Sicht hinauf in den harten, grauen Himmel und sah meilenweit über die Wälder hinweg, wo das furchtbare alte Ding lag, tief unten im Permafrost. Ich konnte seine Gegenwart spüren, wie eine Wunde in der Welt, aber er schlief fest, hoffentlich bis zum Jüngsten Tag. Ich sah herab auf die Stadt, die sich unter mir ausbreitete, und meine Sicht erkannte sofort eine seltsame Ausstrahlung, die bis in den Himmel hinaufreichte. Sie kam aus einem unberührten Forschungsgebäude, das sich ungefähr ein Dutzend Straßen von unserem Standpunkt entfernt befand. Ein zitterndes, stakkatoartiges Glühen unnatürlicher Energien, die hinauf in den Himmel ragten wie ein stotternder Suchscheinwerfer. Pure psychische Energie, die aus einem einzigen Punkt hervorbrach, als wolle sie sagen: Hier bin ich!, für alle, die über die Sicht verfügten, es zu sehen. Also gab es in X25 doch wenigstens einen Überlebenden.