Keiner wusste, wie oder warum Mab damals entthront und von Oberon und Titania ersetzt worden war. Es ist gefährlich, auch nur danach zu fragen.
Königin Mab sah auf mich und meine Begleiter herab wie ein Künstler, der erste Skizzen begutachtet und sich fragt, ob sie vernichtet werden sollen. Ihrem Blick zu begegnen war, als starre man in einen Suchscheinwerfer. Ein falsches Wort und sie würde mich mit einer einzigen Geste töten. Aber ich bin ein Drood, und mit uns ist nicht gut Kirschen essen.
»Na, Mab, wie geht's?«, sagte ich heiter. »Alles fit?«
Ein hörbares Murmeln ging durch die vielen Reihen der Elben hinter mir, und die vier Favoriten, die sich zu Mabs Füßen gruppierten, zischten ärgerlich. Sie fingen sogar an, aufzustehen und ihre klauenartigen Hände zu krümmen. Auf ein unhörbares Kommando ihrer Königin hielten sie abrupt inne. Sie sanken widerwillig zurück und rollten sich zu ihren Füßen wie schmollende Haustiere zusammen. Die Königin bewegte sich nicht, sah nicht weg und schien nicht einmal zu atmen. Aber ein anderer Elb trat hinter ihrem Thron hervor und schritt nach vorn zur Kante des Podests, um auf mich herabzusehen. Er war groß, mit langen Gliedern, in durchlässige Seide gehüllt, seine Haut so blass, dass sie fast durchscheinend war. Langstielige Rosen tauchten immer wieder in seine Haut und aus ihr hervor, die langen Dornen stachen immer wieder durch sein Fleisch. Sie wanden sich um seine Glieder und drangen immer wieder durch seinen Torso, von tief innen tauchten weitere Dornenspitzen auf, um wieder zu verschwinden und wieder aufzutauchen. Immer wieder drangen sie durch seine Haut. Goldenes Blut tropfte endlos daran herunter. Und eine große, weiße Rose blühte in seiner linken Augenhöhle auf und ersetzte das Auge komplett. Als ich weiter zusah, drückten sich die Dornenspitzen auch gegen die Unterseite seines Gesichts, erst bedrohlich dicht unter der Haut, dann wieder versinkend. Sie warteten ihre Zeit ab.
Ich konnte mir das Maß der Schmerzen nicht vorstellen, denen er ausgesetzt war, aber sein Schritt war sicher und fest, als er von dem Podest herunterstieg, um mir ins Gesicht zu sehen, und als er sprach, schwankte nicht einmal seine Stimme.
»Ich bin der Herold«, sagte er und fixierte mich mit seinem einen goldenen Auge. »Mabs Herold. Ich spreche für sie zu niederen Dingen. Und ja, ich wurde bestraft, für Sünden, die jenseits eures Verständnisses liegen. Oder eurer Wertschätzung. Dennoch, es ist gut, dich hier zu haben, Drood. Es ist sehr lange her, dass wir einen Menschen hier hatten, den wir foltern konnten.«
Ich rüstete auf und knockte ihn mit einem Schlag auf den Kopf aus. Sein Schädel brach hörbar unter dem Hieb meiner goldenen Faust. Er setzte sich so plötzlich hin, als hätte ihm jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich sage immer, fang so an, wie du vorhast, weiterzumachen. Die Elbenmassen rührten sich wieder und die vier Favoriten zischten vor Zorn, aber Königin Mab hob eine perfekte Hand und sofort war es wieder still. Alle schwiegen. Der Herold stand langsam auf, die Knochen seines Kopfes knirschten und krachten, als sie sich langsam wieder an ihren Platz schoben. Goldenes Blut rann gleichmäßig an einer Seite seines Gesichts herunter und tropfte vom Ohrläppchen des spitzen Ohrs. Der Hieb hätte jeden anderen getötet, aber Elben sind schwer umzubringen. Man könnte einen Elben auch mit einer Abrissbirne nicht umbringen. Nicht in ihrer eigenen Welt.
»Ich bin Edwin Drood«, sagte ich direkt zu Königin Mab und ignorierte den Herold. »Die Droods sind durch uralte Pakte und Abkommen an die Elben gebunden und die Elben an die Droods. Oder haben die Elben die Ehre verraten?«
»Die Elben sind Ehre«, sagte Königin Mab in einer langsamen schweren Stimme wie vergifteter Honig, als ob sie halb träumte. »Das ist mehr, als man von den Menschen sagen kann. Aber sei in unserem Land willkommen, Edwin Drood, und deine Gefährten auch. Halte sie unter Kontrolle. Wenn sie Schaden anrichten, dann werden Wir sie disziplinieren.«
»Sie sind mit mir hier«, sagte ich. »Deshalb fallen auch sie unter den Schutz der Drood-Protokolle.«
»Sprich«, sagte Königin Mab. Im Moment war sie weder gegen noch für meine Argumente.
»Ihr habt uns nicht über Eure Rückkehr informiert, Eure Majestät«, sagte ich vorsichtig. »Wir hätten Boten geschickt, um Euch zu Hause willkommen zu heißen.«
»Wir sind zurückgekehrt«, sagte Königin Mab, »auf dass alle Welten erzittern und alles Leben sich in Acht nimmt.«
»Naja«, meinte ich. »So in etwa. Also, was ist mit Oberon und Titania passiert?«
»Bist du gekommen, um das zu erfragen, Drood?«
»Nein, ich mache nur ein wenig Konversation.«
»Sie sind fort. Erwähne sie in Unserer Gegenwart nicht.«
»In Ordnung«, sagte ich. »Wo wart Ihr, Majestät? Ihr wart lange fort.«
»Oberon schickte Uns fort.« Ihr dunkelroter Mund verzog sich zu einem furchtbaren Lächeln. Sie sah aus wie der Teufel, der gerade eine neue Sünde ausbrütete. »Er hätte Uns wirklich töten sollen, aber er war immer sentimentaler, als gut für ihn war. Es dauerte eine lange Zeit, um Unseren Weg zurückzukriechen und die lang ersehnten Rachepläne an allen auszuführen, die Uns betrogen haben …«
»Wo hat er Euch hingeschickt?«, fragte ich ehrlich interessiert. »Wo konnte er jemanden mit so einer unzweifelhaften Macht wie der Euren hinschicken?«
»Wo alle schlechten Dinge hingehen, kleiner Drood. Er schickte Uns in die Hölle, verdammte Uns dazu, in die Schwefelklüfte hinabzugehen, um dort das ewige Inferno zu erdulden.« Sie lächelte immer noch ihr grauenhaftes Lächeln und ihre goldenen Augen fixierten mich. Und selbst in meiner undurchdringlichen Rüstung konnte ich die Schweißtropfen auf meine Stirn poppen hören. »Als Wir in der Hölle waren, kleiner Drood, während unseres Aufenthaltes in den Häusern der Schmerzen, haben Wir deine kostbare Hexe Molly Metcalf getroffen. So ein süßes kleines Ding. Sollen Wir dir von den Abkommen erzählen, all den schrecklichen Dingen, denen sie zustimmte, um ihre Macht zu erlangen?«
»Lasst uns ein Abkommen schließen, Eure Majestät«, sagte ich. »Ich werde nicht von Oberon und Titania sprechen und Ihr nicht von meiner Molly. Ja?«
»Also sprich, kleiner Drood«, sagte Königin Mab. »Sag Uns, was dich hier an Unseren wiederentdeckten Hof bringt, in Unsere edle Gegenwart. Sag Uns, was dich hierher bringt, mit dem Blut von so vielen Unserer edlen Cousins an den gerüsteten Händen, dass es immer noch nass von ihnen heruntertropft.«
»Ah«, sagte ich. »ich habe mich schon gefragt, wann wir dazu kommen. Sie haben mich angegriffen, Eure Majestät. Sie hätten es wirklich besser wissen müssen. Ich war zu dieser Zeit vielleicht vogelfrei, aber ich war immer noch ein Drood, und sie waren nur Elben. Selbst wenn sie von einem Verräter in meiner Familie mit fremder Materie ausgerüstet worden waren.«
Bohnenblüte zischte laut und begann wieder aufzustehen. Königin Mab warf ihm einen Blick zu. Er zuckte und kippte um, als hätte man ihn geschlagen.
»Haltet Eure Schoßtiere an der Leine, Eure Majestät«, sagte ich. »Oder ich könnte es für nötig befinden, sie zu disziplinieren.«
Die Königin wägte mich für einen unangenehm langen Moment schweigend ab. Kein Ton war am Unseligen Hof zu hören, abgesehen vom schweren Atem meiner Gefährten. Ich hätte in der Lage sein sollen, den gesammelten Atem der tausende zusehender Elben zu hören, aber da war nichts. Ich sah mich nicht um, aber ich wusste, dass sie den einzigen Ausgang versperrten, und es war höchst unwahrscheinlich, dass sie mir dieses Mal ohne Zustimmung Mabs den Weg freigeben würden. Nicht, wenn ich diese Diskussion mit der Königin nicht gewann, die Information bekam, die ich brauchte, und irgendeine Art von Abkommen aushandelte, das mir und meinen Gefährten einen freien Abzug gewährte, der uns unsere Organe an ihrem Platz behalten ließ. Die Chancen standen nicht sehr gut, aber ich bin ein Drood und wenn man da die goldene Rüstung trägt, dann machen die Chancen besser, was man will, solange sie wissen, was gut für sie ist. Am Ende nickte Königin Mab ein kleines bisschen, und ich fühlte, dass mir ein großer Stein vom Herzen fiel. Sie war wenigstens bereit, zuzuhören.