Die Elben standen sehr still. Das war etwas ganz Neues, und die Elben gingen Änderungen immer aus dem Weg. Sie wussten nicht, wie man auf Neues reagierte.
»Sagt Guten Tag zum neuen Boss, der ein noch größeres Arschloch ist als der alte«, sagte ich zu Königin Mab. Meine Stimme war zu einem ohrenbetäubenden Brüllen verstärkt, das die ganze riesige Halle ausfüllte. Honey und die anderen wichen tatsächlich vor mir zurück, und Königin Mab saß wieder auf ihrem Thron.
»Wagst du es, Uns in Unserem eigenen Thronsaal, in Unserem eigenen Land zu drohen?«, sagte sie, aber sie klang nicht mehr ganz so sicher wie noch zuvor.
»Warum nicht?«, fragte ich. »Wer bist du denn?«
»Was bist du?«, flüsterte der Herold. »Was ist aus den Droods geworden?«
»Schamanen«, sagte ich. »Schützer des Stammes der Menschen. Wer die Menschheit bedroht, der bedroht uns. Wer einen von uns bedroht, der hat die ganze Familie, bereit zum Krieg, gegen sich. Ist es das, was du willst, Königin Mab? Krieg in den Anderen Landen zwischen den Deinen und all den Meinen? Dein Versprechen zu brechen, deine Ehre und alles, was du hier wiedererlangt hast zu verlieren, nur weil du einen Torques erobern willst, den du nicht benutzen könntest und eine Welt, in der du nicht leben könntest? Ist es das, was du willst?«
»Nein«, sagte Königin Mab langsam und widerwillig. »Aber sprich Uns nicht von Ehre, Drood. Deine Familie ist korrupt, verdorben von innen heraus, voller Verräter. Sogar hier haben Wir das gehört.«
»Wir räumen noch auf«, sagte ich. »Und dann sollten alle Welten erzittern und alles, was lebt, sich vorsehen.«
Ich erlaubte meiner Rüstung wieder, zu ihrer glatten und glänzenden menschlichen Form zurückzukehren. Klingen, Dornen und die anderen Waffen sanken nahtlos wieder in die goldene Oberfläche. Mein Teufelsgesicht war wieder zur gesichtslosen Maske geworden. Diese Schlachtform aufrechtzuerhalten kostete mich verflucht viel Kraft, so viel, dass ich im Training nie mehr als ein paar Minuten Kampf durchgehalten hatte, aber natürlich wusste Mab das nicht.
»Wir werden jetzt gehen«, sagte ich. »Wir haben erfahren, was wir wissen wollten. Öffnet die Tür für uns, unterstützt unsere Abreise, und dann schließt das Tor und versiegelt es hinter uns. Meine Leute werden das in regelmäßigen Abständen überprüfen, also stellt sicher, dass es geschlossen bleibt.«
»Warum sollten wir euch auch nur im Geringsten unterstützen?«, fragte Königin Mab. Es sollte eine Drohung sein, aber es klang eher wie die trotzigen, schmollenden Worte eines enttäuschten Kindes.
»Nun, lass es mich so sagen«, erwiderte ich. »Du würdest doch nicht wollen, dass wir noch bleiben und dir auch noch den Rest des Tages verderben, oder?«
»Geht«, sagte Königin Mab.
Wir segelten die Straße der Hoffnung durch die grünen Nebel zurück in unsere Welt und niemand versuchte, uns aufzuhalten. Wir alle jubelten, als die grünen Nebel hinter uns zurückblieben und sich auflösten, um den Blick auf einen wunderbar normalen Fluss und Himmel freizugeben. Wir alle sogen die scharfe, frische Luft tief ein, lachten und schlugen uns auf den Rücken. Honey hopste am Steuerrad auf und ab und drehte dann auf volle Kraft, um so viel Abstand wie möglich zwischen uns und das Tor zu bringen; nur für den Fall.
»Ich glaub das nicht!«, sagte sie. »Du hast Königin Mab niedergestarrt! Du standest Auge in Auge mit der psychotischen Königin aller Schlampen und sie hat zuerst geblinzelt!«
»Ich muss sagen, ich bin beeindruckt«, meinte Walker, der sich wieder bequem in seinem Ledersessel installiert hatte. »Elben zurückweichen zu sehen, mit nichts konfrontiert als Worten und Frechheit, das ist … beispiellos. Haben Sie geblufft, Eddie?«
»Das werde ich nicht verraten«, sagte ich und ließ die Brise zärtlich mein ungerüstetes Gesicht streicheln. Das fühlte sich gut an, irgendwie natürlich … alles, was die Anderen Lande nicht waren.
»Natürlich nicht, wirklich - wie bist du nur damit davongekommen?«, fragte Honey.
Ich seufzte. Ich war plötzlich sehr müde. »Weil die Elben nicht mehr das sind, was sie mal waren. Sie sind endlich alt geworden. Konntet ihr das nicht spüren? In der Luft, den Schiffen, den Gebäuden? Die Zeit holt sie langsam ein.«
»Aber sie sind doch - wenn schon nicht unsterblich, so doch verdammt nah dran«, sagte Walker.
»Habt ihr irgendwelche Kinder dort gesehen?«, fragte ich. »Irgendwelche Anzeichen für Kinder? Gerade weil er so selten war, waren die Elben immer besonders stolz auf ihren Nachwuchs und haben keine Gelegenheit versäumt, mit ihm anzugeben. Und wir haben nicht ein einziges Kind in der ganzen Stadt gesehen. Ich kann's nicht beweisen, aber ich spüre das in den Knochen: Die Elben, die wir heute gesehen haben, sind die einzigen, die es noch gibt. Ich glaube, sie haben völlig aufgehört, sich fortzupflanzen, als sie unsere Welt verließen. Deshalb wollen sie so verzweifelt zurückkehren. Weil sie in ihrem wunderbaren, sterilen Land aussterben. Und das ist eine Schande.«
»Eine Schande?«, fragte Honey und drehte sich tatsächlich von ihrem Steuerrad zu mir um.
»Ja«, sagte ich. »Denn dann würde es ein Wunder weniger in der Welt geben.«
Walker nickte langsam. »Sie sind sehr schön. Und man kann eine Rose nicht ohne Dornen haben.« Er hielt plötzlich inne und sah sich um. »Wo ist Peter?«
Wir suchten das Boot vom Heck zum Bug ab, aber er war nicht an Bord. Ich konnte nicht glauben, dass ich das nicht früher bemerkt hatte, aber Peter war nicht mit uns anderen zurückgekommen. Wir versammelten uns in der Kabine und betrachteten einander ernüchtert, als die Straße der Hoffnung dem Hafen von Philadelphia immer näher kam.
»Haben wir ihn zurückgelassen?«, fragte Honey. »Wir können ihn doch nicht im Elbenreich zurückgelassen haben! Das hätten wir doch gemerkt!«
»Hätten wir das?«, fragte ich. »Wann hast du ihn zuletzt gesehen? Hast du ihn an Bord gehen sehen, bevor wir abgelegt haben? Ich dachte, er sei bei uns, aber ich war mit den Gedanken bei anderen Dingen, wie zum Beispiel einem Hinterhalt in letzter Minute, angeführt von einer gehässigen Elbenkönigin.«
»Vielleicht hat Mab ihn behalten«, sagte Walker. »Als Bestrafung für Ihre Frechheit ihr gegenüber.« Seine Lippen pressten sich aufeinander, und er stand sehr aufrecht. »Wenden Sie das Boot. Wir müssen zurück. Wir können ihn nicht dort lassen.«
»Wir können nicht zurück«, erwiderte ich. »Die Elben haben das Portal hinter uns versiegelt, schon vergessen? Das war der Deal.«
»Wir wissen ja auch gar nicht, ob er überhaupt dort ist«, sagte Honey. »Er könnte überall verschwunden sein.«
»Und er hat sein Teleport-Armband«, sagte ich. »Er könnte einfach zur nächsten Aufgabe wieder auftauchen.«
»Wenn das in den Anderen Landen überhaupt funktioniert«, sagte Walker. »Wir müssen zurück! Es gibt andere Wege, andere Eingänge! Wir können ihn einfach nicht in den Händen der Elben lassen!«
»Nein!« Ich sagte das mit derartigem Nachdruck, dass beide mich entsetzt ansahen. Ich zwang mich, meine nächsten Sätze ruhig und vernünftig zu sagen. »Wenn sie Peter haben, und das heißt ›falls‹ - wir wissen das ja nicht -, dann werden sie uns erwarten. Er wäre der Köder in einer Falle. Wir müssten unseren Weg durch gut verteidigte Tore freischlagen, und das würde eine Kampfkraft erfordern, die der Feuerkraft der gesamten Drood-Familie entspräche. Das hieße Krieg zwischen den Elfen und den Droods, und das Schicksal der Menschheit wäre der Einsatz. Ich werde das nicht riskieren - nicht für ein ›Falls‹.«