Und dann brachen der Kadaver des Rinds und der Leichnam des Farmers in Flammen aus: grelle, bläuliche Flammen, die mit einer solchen Intensität brannten, dass wir zurückwichen und unsere Arme wegen der unerträglichen Hitze vor die Gesichter hielten. Doch die Flammen erloschen so schnell wie sie begonnen hatten. Die Umweltbedingungen in der Leichenhalle wurden umgehend wieder normal. Die Seziertische waren jetzt völlig leer. Nur ein paar Ascheflocken schwebten über ihnen in der Luft.
»Verdammt«, meinte Honey. »Jemand wollte wirklich keine Spuren hinterlassen.«
»Was impliziert, dass jemand uns beobachtet hat und wahrscheinlich immer noch beobachtet«, sagte Walker. »Drei unerwartete neue Faktoren, die das geplante Experiment gefährden.«
»Also war das eine Warnung an uns, dass wir uns nicht einmischen sollen«, sagte Honey.
Ich musste grinsen. »Die kennen uns wohl nicht sehr gut, was?«
Und dann fuhren wir alle herum, als wir feste, gleichmäßige Schritte im Korridor vor der Tür der Leichenhalle hörten. Sie kamen beständig näher, wurden lauter und schwerer, bis sie schließlich genau vor der geschlossenen Tür stoppten. Wir alle standen sehr still und lauschten. Das Schweigen wurde länger und länger. Bis schließlich Honey einen Satz in Richtung Tür machte, mit Walker und mir direkt hinter sich. Sie riss die Tür auf, wir stürzten auf den Flur - aber da war niemand. Der Korridor dehnte sich vor uns aus, ruhig; nein still. Und vollkommen leer.
»Das habt ihr doch auch gehört, oder?«, fragte Honey. »Er war doch genau vor der Tür!«
»Ich hab's gehört«, sagte ich.
»Ich hab euch gesagt, dass wir verfolgt werden«, sagte Walker.
»Das waren menschliche Schritte«, sagte Honey. »Nichts Außerirdisches. Also wo ist er hingegangen?«
»Ich sehe keinen anderen Ausgang«, meinte Walker.
»Könnte jemand in Roswell wissen, was hier vorgeht?«, fragte Honey. »Irgendein Verräter, der seine Mitmenschen für dreißig silbrige Stücke außerirdischer Technik verrät?«
»Es gibt noch andere Organisationen, die ein Interesse daran haben könnten, was hier passiert«, sagte Walker. »Black Air, die Vril-Gesellschaft, das Zarathustra-Protokoll - jeder von denen könnte zufällig über Hinweise gestolpert sein, aus denen sie schließen konnten, was hier passieren würde und daraufhin zuschlagen.«
»Nein«, lehnte ich kategorisch ab. »Keine Organisation auf diesem Planeten ist besser informiert als die Droods, wenn es um Aliens geht. Wenn jemand davon gewusst hat, dann meine Familie und damit auch ich.«
»Wirklich?«, fragte Honey. »Die Matriarchin erzählt dir also alles, ja?«
»Alles, was wichtig ist«, sagte ich.
»Naja«, sagte Honey. »Das würde ich an deiner Stelle auch sagen.«
»Kinder, Kinder«, murmelte Walker. »Wir müssen immer noch entscheiden, was wir tun wollen, solange wir noch Zeit haben.«
»Und davon haben wir weniger, als wir glauben«, sagte ich. Mein Torques war eiskalt. »Vorsicht, Leute. Da kommt was.«
Der Korridor vor uns änderte sich, wandelte sich, dehnte sich aus und sein anderes Ende verschwand in der Ferne. Die Art von Flur, den man bis ans Ende seiner Tage entlangreisen konnte, ohne je ein Ende zu erreichen. Die Art von Flur, die man endlos in Träumen entlangläuft, aus denen man in kaltem Schweiß gebadet aufwacht. Ein seltsames Glühen, intensiv und überwältigend, ersetzte das normale Licht im Korridor; ein Licht, das nicht für das Spektrum des menschlichen Auges geschaffen war. Selbst die Luft war anders, roch faulig, lag pelzig in meinem Mund und wurde so dünn, dass ich halb erstickte. Eine andere Art von Luft für eine andere Art von Wesen. Statik prickelte schmerzhaft auf meinem bloßen Arm und ich konnte etwas hören. Etwas, das von außen an den Wänden des Korridors kratzte und hereinzukommen versuchte.
»Ich erkenne das«, sagte Honey. Ihre Stimme war kratzig und angestrengt. Sie schien von weit her zu kommen. »Ich kenne das von Entführungsszenarios. Eine Invasion außerirdischer Elemente in unsere Welt. Die Aliens warten nicht ab, bis wir sie finden, sie kommen, um uns zu holen.«
»Lass sie kommen«, sagte ich und rüstete hoch. Sofort spürte ich mich viel besser, menschlicher, wieder ich selbst. »Bleibt dicht bei mir«, sagte ich zu Walker und Honey durch die gesichtslose Maske. »Die Nähe meiner Rüstung sollte euch helfen, den Verstand zu behalten, euch schützen und euch von den Wirkungen dieser alien-geschaffenen Umgebung zu isolieren.«
Ihre Mienen hellten sich auf, als sie dicht an mich herankamen; beide richteten sich auf, Kraft und Zuversicht waren wieder in ihren Gesichtern zu sehen.
»Ich kann sogar leichter atmen, jetzt, wo ich neben dir stehe«, sagte Honey. »Wie funktioniert das?«
»Verrätst du mir alle deine Geheimnisse?«, fragte ich, um den Fakt zu vertuschen, dass ich mir selbst darüber nicht im Klaren war. »Bleibt einfach dicht bei mir und haltet euch bereit, die Scheiße aus allem rauszuprügeln, das nicht einer von uns ist.«
»Guter Plan«, murmelte Walker.
»Keiner entführt einen Drood dahin, wohin er nicht will«, erklärte ich. »Oder seine Gefährten. Walker, warum stehen Sie hinter mir?«
»Weil ich nicht dumm bin«, antwortete Walker.
»Also, ich verstecke mich hinter niemandem«, sagte Honey herablassend.
»Ich wette, ich lebe länger als Sie«, erwiderte Walker.
Wilde Energien krachten jetzt den unmöglich langen Flur hinauf und hinab, brodelnd und heulend. Sie sprangen von Wand zu Wand, schnell wie Laserstrahlen, schalteten sich an und ab und hinterließen blasse grüne Spuren von Ionisation in der Luft. Bösartige Kräfte stießen nach vorn, um meine Rüstung anzugreifen. Ich hielt stand, Honey hielt sich an meinem goldenen Arm fest, Walker war direkt hinter mir. Die Energien wüteten zornig um uns herum, entluden sich mit blendenden Flammen und Blitzen, aber stoppten immer wieder plötzlich oder unterbrachen sich. Sie waren nicht in der Lage, meine Rüstung zu berühren oder auch nur in ihre Nähe zu kommen.
Als ob sie Angst davor hatten.
Blitze stiegen auf und fielen wieder herab, kamen von der einen und der anderen Seite, um einen Schwachpunkt in meiner Rüstung zu finden. Aber ich rührte mich nicht von der Stelle und plötzlich fielen die Energien wieder in sich zusammen, zogen sich in den Flur zurück und verblassten wie die Erinnerung an einen schlechten Traum. Ich konnte in der plötzlichen Stille Honeys und Walkers schweres Atmen hören. Ich bedeutete ihnen mit einer Geste, sich noch nicht von mir zu lösen. Das war noch nicht vorbei. Das konnte ich fühlen.
Und dann erschien das Alien. Kein Portal in der Raumzeit, keine Teleport-Effekte, es war einfach da, direkt vor uns, nicht mehr als drei Meter entfernt. Seine Erscheinung kam so plötzlich, dass Walker und Honey ein wenig zurückzuckten, und wenn ich nicht meine Rüstung getragen hätte, dann hätte ich das vielleicht auch getan.
»Das … ist ein wirklich richtig hässliches Teil«, sagte ich.
»Ich habe so etwas noch nie gesehen«, sagte Honey. »Walker? Haben Sie jemals so etwas gesehen?«
»Gott sei dank noch nicht. Eddie?«
»Nichts auch nur Annäherndes wie das da«, sagte ich. »Es ist ganz definitiv keine der dreiundfünfzig Alien-Arten, die derzeit von den Drood-Abkommen und -Verträgen abgedeckt sind.«
»Dreiundfünfzig?«, fragte Honey. »Es gibt dreiundfünfzig verschiedene Spezies von Aliens, die derzeit über unseren Planeten wandeln? Wann wolltest du uns anderen das sagen?«