Das konnte ich nicht riskieren.
Nein. Meine einzige realistische Chance war die, die Operationsbasis der Aliens zu finden und auszuschalten, noch bevor sie mit irgendetwas begannen. Ein Mann gegen eine unbekannte Anzahl von Aliens und eine unbekannte Menge von außerirdischer Technologie. Für jeden anderen wäre das Selbstmord gewesen, doch ich war ein Drood, mit einer Droodschen Rüstung und dem entsprechenden Training. Und die Aliens würden schon rausfinden, was das bedeutete. Also würde ich es von der Seite anpacken. Wenn die Aliens also die Kommunikation behinderten, die aus Roswell heraus- und in die Stadt hineinging - dann ergab es Sinn, dass das Störsignal von einer Apparatur innerhalb der Stadt kam. Und ein Störsignal von der Stärke musste ganz schön energiereich sein und seine speziellen Spuren im örtlichen elektromagnetischen Spektrum hinterlassen. Natürlich geschützt vor der Entdeckung durch irdische Technologie.
Aber nicht vor mir.
Ich konzentrierte mich entschlossen auf meinen Torques, lockte und zwang ihn dazu, etwas ganz Neues zu versuchen. Bis er schließlich einen langen, dünnen Faden produzierte, der meinen Hals hinauf zu meinen Augen kroch und dort eine schicke neue Sonnenbrille formte. Ein absolut minimalistischer Gebrauch meiner Rüstung und hoffentlich nicht ausreichend, um irgendein Alien-Alarmsystem zu aktivieren. Ich konzentrierte mich auf meine Sicht, durch die goldene seltsame Materie vor meinen Augen hindurch, und sah die Stadt Roswell jetzt wirklich sehr klar. Teilweise - ich hatte meine Rüstung noch nie nur teilweise benutzt. Ich machte mir eine gedankliche Notiz, mit meiner Familie darüber zu reden, wenn ich zurückkam. Vorausgesetzt, ich kam überhaupt zurück, natürlich.
Meine verstärkte Sicht zeigte mir ein völlig neues Roswell. Dunkle Gestalten trieben durch die Straßen wie bewegte Schattenfetzen; hier und da berührten sie flüchtig Menschen, die sofort durch das vage Gefühl einer Bedrohung oder Unbehagen gestört wurden. Derartige elementare Geister werden immer von Standorten mit potenzieller spiritueller Zerstörung angezogen. Sie ernähren sich wie Geier von den grimmigeren und negativen Emotionen. Auf der anderen Seite standen auch Lichtwesen herum und beobachteten die Stadt. Sie bestanden aus schillerndem Licht und Energie, die sich menschliche Gestalt gegeben hatten, beinahe abstrakte menschliche Wesen. Ihre Erscheinung hier war gleichzeitig ein gutes und auch ein schlechtes Zeichen. Es bedeutete, dass etwas extrem Gefährliches hier passieren würde, bei dem viele Leben auf dem Spiel standen; es hieß aber auch, dass sie einen Agenten des Guten erwarteten, der für seine Seite kämpfen würde. Ich halte die Lichtwesen für eine Art grundsätzlich gutherziger und übernatürlicher Sportfans. Es gab auch Geister und halbdurchsichtige Erinnerungen von vergangenen Ereignissen, zusammen mit andersdimensionalen Entitäten und Wanderern, die einfach nur auf der Durchreise waren. Keiner von ihnen spielte eine Rolle. Ich sah mich langsam um und surfte dabei durch die verschiedenen Informationsquellen, die den örtlichen Äther durchdrangen, und schon fiel es mir auf. Eine seltsame außerirdische Energie, die von einem Ort direkt in der Stadtmitte aus sendete.
Ich hatte sie gefunden.
Ich ging auf die Quelle des außerirdischen Signals zu. Mir begegneten immer weniger Menschen, je näher ich ihm kam. Ich hatte sogar das Gefühl, dass die paar Leute, die noch auf der Straße waren, flüchteten. Ich hielt einige an und fragte, wovor sie flohen … und war nicht überrascht, dass sie mir das nicht sagen konnten. Sie wussten es nicht. Sie wussten nur, dass sie nicht dort sein sollten. Die Quelle selbst stellte sich als etwas heraus, das sehr wie ein riesiger über zehn Meter hoher und beinahe so breiter Termitenhügel aussah, der in einem verlassenen Hinterhof aus der Erde gebrochen war. Hier war niemand mehr, die umgebenden Straßen waren still und leer. Ich untersuchte den außerirdischen Hügel aus dem Schatten einer Seitengasse, meine verstärkte Sicht gab mir dabei alle Informationen, mit denen ich umgehen konnte. Der Hügel selbst war eine seltsame Mischung aus Technologie und organischen Materialien. Er war sowohl gewachsen als auch gebaut, seine immensen Flanken wogten langsam, klebrig und schwitzend, als ob er von flüchtigen Träumen beunruhigt würde. Es gab dunkle Eingangslöcher überall, die kein erkennbares Muster ergaben. Die trockene und gebrochene Erde um die Basis des Hügels herum ließ die Schlussfolgerung zu, dass er von unten nach oben geschoben worden war und dass unter der Oberfläche des Hinterhofs noch sehr viel mehr davon war. Was ich sah, war wahrscheinlich nur die Spitze einer Alien-Pyramide. Ich sah für eine ganze Weile nur hin, aber nichts kam heraus oder ging hinein.
Abgesehen von dem Störsignal sendete der Hügel auch ein starkes Vermeidungsfeld. Mehr als nur die üblichenGuck mich nicht an, hier gibt es nichts zu sehen, bitte gehen Sie weiter-Suggestionen; das war Bewusstseinsmanipulation, ein Feld, das stark genug war, dass Leute nicht einmal über den Alienhügel nachdachten oder irgendetwas Besonderes damit verbanden. Kein Wunder, dass alle in Roswell so unnatürlich ruhig und gelassen zu sein schienen: Das Alien-Signal tat alles, außer ihnen das Gehirn zu entfernen, um sicherzugehen, dass sie für das große Experiment auch ja an Ort und Stelle blieben. Vermutlich würde das Signal abgeschaltet, sobald der Aderlass begann, damit die Aliens das volle Spektrum menschlicher Reaktionen darauf, was man ihnen antat, beobachten konnten.
Meine Sicht drang ohne weiteres durch das Vermeidungsfeld, aber ich wusste, ich konnte das nicht allzu lang riskieren, ohne entdeckt zu werden. Es musste alle möglichen Beobachtungsvorrichtungen innerhalb des Hügels geben. Ich merkte mir soviel Informationen wie ich mit schnellen Blicken aufschnappen konnte, jederzeit bereit, meine Sicht beim ersten Anzeichen, dass ich entdeckt wurde, herunterzufahren. Ich konnte keine Alarmsysteme oder Annäherungsfelder oder Fallen entdecken - nur den Hügel, der sich im Hinterhof breitmachte; krank, arrogant und gelassen, wie ein Abszess in der Welt. Seiner eigenen Stärke und Überlegenheit der menschlichen Rasse gegenüber so sicher, dass sich für ihn gar nicht die Notwendigkeit ergab, sich zu schützen.
Idioten.
Ich sah auf die Uhr. Vierdreiviertel Stunden, und die Zeit lief.
Ich bekam auf einmal das Gefühl, dass ich beobachtet würde. Zuerst dachte ich, es sei der Hügel, dass irgendein außerirdisches Gerät endlich auf die Gegenwart meines Torques reagiert und sich auf mich eingeschossen hatte. Aber es fühlte sich eher so an, als sei es eine Person, weniger ein Etwas, die mich von hinten betrachtete. Dass dieser Jemand sich an mich herangeschlichen hatte, während ich mich auf den Hügel konzentriert hatte. Walker war überzeugt gewesen, dass uns jemand durch die Straßen von Roswell folgte - und wir hatten nie herausgefunden, wer das war. Gab es vielleicht eine unbekannte dritte Partei, die hier in Roswell arbeitete? Jemand mit eigenen Plänen? Wer auch immer das war, es fühlte sich so an, als sei er mir jetzt sehr nah. Ich ließ meine Hand beiläufig an den Griff meines Revolvercolts gleiten, nahm einen langsamen, tiefen Atemzug und wirbelte dann mit der Waffe in der Hand schnell herum.
Vor mir stand Walker, in gebührendem Abstand, und lehnte sich lässig auf seinen zusammengerollten Regenschirm.
»Hallo, Eddie, da bin ich wieder. Ich stehe schon eine ganze Weile hier und warte darauf, dass Sie mich bemerken.«
»Ich war beschäftigt«, sagte ich. »Damit, mich auf den Alien-Hügel zu konzentrieren.«