»Bringt eine Waffe!« befahl Stopa. »Und bringt den Stahlkommandeur!«
Sieben stämmige Rächer verließen den Umkreis des Feuers und verschwanden in der Dunkelheit. Einer von ihnen kehrte gleich darauf mit einem zerschlagenen alten Knüppel von respektabler Länge und Stärke zurück, dessen Schaft aus rostfreiem Stahl etwas angelaufen war und die Narben von ungezählten Kämpfen trug. Diese ehrwürdige Waffe überreichte der Mann Feric. Bei näherer Untersuchung stellte Feric fest, daß dieser korrodierte Knüppel einst mit kunstvoll geätzten Darstellungen von Schlangen geschmückt gewesen war, und daß das Kopfstück, das auf den ersten Blick wie eine einfache Stahlkugel ausgesehen hatte, vormals mit Einlegearbeit aus Messing und Emaille verziert gewesen war, von der noch Reste vorhanden waren und die ein riesiges Auge dargestellt hatte. Feric ergriff die Waffe und wog sie in der Hand. Sie war viel leichter, als er gewählt haben würde, aber sie hatte gute Balance und war gut einen Meter lang. Er ließ die Waffe durch die Luft sausen; der Bogen schien richtig, Gewicht und Schwungkraft ausreichend, um mit einem direkten Schlag jeden Schädel zu zersplittern. Ein ziemlich mitgenommener, aber ehrenwerter Knüppel; er würde seinen Zweck erfüllen.
Nun zog auch Stopa seine Waffe und ließ sie einige Male durch die Luft wirbeln. Feric musterte sie mit eingehendem Interesse. Stopa schwang einen wahrhaft heroischen Knüppel. Er war volle fünfzehn Zentimeter länger als die Waffe, die man Feric gegeben hatte, und nach der Art der Handhabung zu urteilen, war er vielleicht um ein Viertel schwerer. Der stählerne Schaft war verchromt, und das Kopfstück zeigte das Totenkopfmotiv, welches Stopa zu bevorzugen schien. Der Handgriff war aus Holz, mit schwarzem Leder bezogen. Es wurde deutlich, daß Feric einen Knüppel erhalten hatte, der demjenigen seines Gegners weder in der Größe noch im Gewicht oder der Verarbeitung gleichkam. Ebenso klar war freilich, daß es ein Zeichen von unmännlicher Feigheit gewesen wäre, laut gegen die Benachteiligung zu protestieren.
Als Feric und Stopa ihre vorbereitenden Übungen beendet hatten, war ein mächtiges Schnaufen und Pusten zu vernehmen, das sich aus dem Nachtdunkel der vom Feuer erhellten Fläche näherte; dann kamen die anderen sechs Rächer in Sicht, ächzend unter dem nach allem äußeren Anschein unbedeutenden Gewicht einer hölzernen Pritsche, die sie gemeinsam auf den Schultern trugen.
Aber als sie die Stelle erreichten, wo Feric und Stopa einander gegenüberstanden, und die Pritsche zwischen ihnen auf dem Boden abstellten, stockte Feric vor Verblüffung der Atem, und er verstand alles.
Die Pritsche war mit fleckenlosem schwarzem Samt überzogen, und darauf ruhte in all seiner unglaublichen Glorie der Große Knüppel von Stal Held, das verschollene Reichszepter und Symbol königlicher Macht, der Stahlkommandeur!
Schon die bloße äußere Erscheinung des Großen Knüppels war atemberaubend. Der Griff war aus einem großen Stück jener altertümlichen milchigen Substanz geschnitzt, die als Elfenbein bekannt war, und nicht mit Leder gepolstert, sondern mit einem weichen, geheimnisvollen Stoff, der den Glanz und das Feuer von Rubinen hatte. Der Schaft war aus schimmerndem Metall, volle vier Fuß lang und dick wie der Unterarm eines kräftigen Mannes. Über und über mit feingeätzten Darstellungen von Blitzen bedeckt, die rot ausgefüllt waren und dem mächtigen Schaft das Aussehen verliehen, als sei er erst vor kurzem in Blut getaucht worden. Das Kopfstück war eine mächtige Stahlfaust, die überlebensgroße Faust eines Heroen. Am dritten Finger dieser Faust war ein Ring, der ein schwarzes Hakenkreuzsymbol in einem weißen Kreis zeigte, umgeben von rotem Feuer. Die Farben waren so lebendig, als wären sie statt vor Jahrhunderten erst vor Stunden aufgetragen worden.
Feric starrte in unverhohlenem Staunen auf die mystische Waffe. »Weißt du, was für eine Waffe das ist?« sagte er leise.
Stopa grinste selbstgefällig zurück, aber auch er konnte nicht verhindern, daß die Wildheit seiner Züge von Ehrfurcht gemildert wurde. »Das ist der Stahlkommandeur«, sagte er. »Früher bezogen die alten Könige von Heldon ihre Macht daraus. Jetzt ist er das Eigentum der Schwarzen Rächer!«
»Er ist das Eigentum von ganz Heldon!« rief Feric.
»Wir fanden ihn in einer Höhle tief im Wald, als ihr Würmer ihn für alle Zeit verschollen glaubtet!« entgegnete Stopa. »Jetzt gehört er uns!« Er lachte ironisch. »Wenn du ihn willst, Jaggar, warum nimmst du ihn nicht an dich und trägst ihn fort?«
Die versammelten Rächer lachten darüber, aber nicht ohne einiges Unbehagen; ihr einfacher, aber sicherer Instinkt sagte ihnen, daß der Stahlkommandeur und die uralten Künste, die ihn geschmiedet hatten, kaum ein geeigneter Stoff für Scherze waren.
Feric seinerseits verstand die Ironie von Stopas Bemerkung vielleicht besser als der Rächer selbst. Nach den legendären Überlieferungen hatte Stal Held die Waffe von einer im verborgenen lebenden Gemeinschaft gefangener Magier schmieden lassen, welche die Überlieferungen der Alten durch die Zeit des Feuers und weit darüber hinaus bewahrt haben sollten; sobald die Waffe fertiggestellt gewesen war, hatte Held diese gefährlichen Zauberer bis auf den letzten Mann erschlagen. Mit Hilfe einer verlorengegangenen Kunst hatten diese verderblichen Zauberer den Knüppel so gefertigt, daß nur Held selbst und seine direkten Nachkommen und wahren Träger seines Erbgutes ihn schwingen konnten. Die geheimnisvolle Legierung, aus der die Waffe geschmiedet worden war, verlieh ihr das Gewicht eines Felsblocks; kein gewöhnlicher Mensch konnte sie von der Stelle rücken, geschweige denn aufheben. Aber die Berührung durch eine Hand, die von den königlichen Genen geformt war, löste die Freisetzung einer unerschöpflichen Kraft im Innern des Großen Knüppels frei, so daß der Stahlkommandeur in der Hand eines Helden echter königlicher Abstammung so mühelos wie eine Weidengerte geschwungen werden konnte, obgleich er für jene, die seinen Zorn zu fühlen bekamen, immer noch die Masse eines tonnenschweren Blocks hatte. So war der Große Knüppel zugleich das Reichszepter des Königs von Heldon und die untrügliche Beglaubigung seiner rechtmäßigen Abstammung. Es gab Leute, die behaupteten, daß alles Unheil, welches seit dem Verschwinden des Großen Knüppels während des Bürgerkriegs über das Land gekommen war, das Ergebnis der Regierung von Männern gewesen sei, die unfähig waren, den Großen Knüppel zu schwingen. Nach dieser Ansicht war Sigmark IV. der letzte rechtmäßige Herrscher von Heldon gewesen. Darum wäre das Aufheben das Großen Knüppels in einem ganz realen und unmittelbaren Sinn gleichbedeutend mit dem historischen Recht auf die Herrschaft über Heldon. Von dieser Art war Stopas ironisches Ansinnen an Feric.
Seltsamerweise traf es sich mit einem verrückten Impuls in Feric selbst, genau das zu tun; die mächtige Keule schien etwas tief in seinem Blut anzurufen und sein Wesen mit den Vibrationen eines tiefen, fast kosmischen Verlangens zu erfüllen. Ohne Zweifel hatten in der Vergangenheit viele Menschen diese Empfindungen geteilt; es gab mehrere überlieferte Geschichten von vermessenen Helden, die versucht hatten, den Stahlkommandeur zu schwingen, und all diesen Geschichten war die Warnung vor den Lastern des Stolzes und der Selbstüberhebung gemeinsam.
»Kein Grund, ewig über einer Waffe zu träumen, die kein lebender Mensch handhaben kann!« sagte Stopa endlich und unterbrach damit Ferics mystische Andacht. »Du hast deinen Knüppel, und ich habe meinen, und das ist genug für Männer wie uns! Verteidige dich, Jaggar!«
Damit stürzte Stopa auf Feric los, die Keule hoch über dem Kopf, und brachte sie mit einem Schlag herunter, der einen Schädel wie eine Eierschale zerschmettert hätte.
Aber Feric war nach rechts ausgewichen, und als Stopas Knüppel pfeifend durch die Luft sauste, wo sein Kopf gewesen war, führte er einen streifenden Schlag gegen den Schaft, der für Stopa beinahe zum Verlust seiner Waffe geführt hätte. Das erste Klingen von Stahl auf Stahl brach das beklommene Schweigen und gab den Rächern Anlaß, von neuem in rauhes Gebrüll auszubrechen und mit den Jackein in der Luft herumzufuchteln.