Feric sehnte den Tag herbei, da Parteiparaden diesen Prachtboulevard in voller Breite und kilometerlang füllen würden, machtvolle Blöcke aus uniformierten Menschenleibern, die im Gleichschritt zur Marschmusik dahinzogen, überragt von einem Wald scharlachroter Parteifahnen. Bald würde dieser Tag kommen, dessen war er gewiß, doch einstweilen waren das massierte Dröhnen der Motorräder, das Blitzen von Chrom und Lack und das Knattern der Fahnen Schauspiel genug, um diesen prächtigen Boulevard mit lebendiger Energie zu füllen und Angestellte und Beamte aus den Gebäuden zu locken, daß sie die Durchfahrt der Kolonne bestaunten.
Diese brauste die volle Länge der Prachtstraße hinunter, gefolgt von einem wachsenden Kometenschweif von Fahrzeugen, um sich dann in nordwestlicher Richtung vom Stadtzentrum zu entfernen. Die Sonne näherte sich dem Horizont, und Ferics Plan sah die Durchquerung der westlichen Stadtteile vor, ehe die Kolonne gegen Sonnenuntergang — denn dies war unzweifelhaft die dramatischste Stunde für sein Vorhaben — an dem Platz in der Nähe des Stadtzentrums eintreffen würde, der für die erste Massenkundgebung vorgesehen war.
Diese Route führte den Konvoi durch ein weiteres belebtes Geschäftsviertel, dann durch eine Gegend geschmackvoller Wohngebäude; allmählich machten diese wohlunterhaltenen und sauberen Straßen und Häuser einer Nachbarschaft Platz, wo die Architektur zwar ähnlich war, die Fassaden jedoch unreparierte Schäden zeigten, die Straßen voller Unrat und Schmutz lagen, die Wände schmierig und bekritzelt und die Anlagen ungepflegt und zertrampelt waren. Hier trugen die Leute unsaubere und abgetragene Kleider und hatten mißmutige, gleichgültige Gesichter; stumm blieben sie stehen und starrten, als die Kolonne vorbeifuhr, ein ungesunder und insgesamt jämmerlicher Anblick, der nur zu geeignet war, trübe Erinnerungen an das stumpfsinnige Gesindel von Borgravia wachzurufen. Überdies witterte Ferics geübte Nase den Gestank von Dominatoren, der schwer in dieser Luft lag.
Feric beugte sich vorwärts und fragte Bogeclass="underline" »Was für eine Gegend ist dies?«
Bogel wandte den Kopf mit einer angewiderten Grimasse. »Diese fauligen Kaninchenbaue sind als Unterstadt bekannt. Es ist ein berüchtigtes Universalistennest; das Gesindel hier ist durch und durch infiziert mit der Pestilenz von Zind. In Abständen eruptiert es in aufrührerischen Umzügen aus diesem Pfuhl und verlangt Obszönitäten wie das Öffnen der Grenzen und die Zucht subhumaner Sklavengeschöpfe mit Hilfe der Berater aus Zind. Wenn unsere Farben erst allen bekannt sind, werden wir uns in dieser Gegend nicht blicken lassen dürfen.«
»Im Gegenteil«, widersprach Feric. »In naher Zukunft werden unsere Sturmtruppen das Viertel durchkämmen und die verborgenen Doms erschlagen, die für diesen schädlichen Einfluß auf wahre Menschen verantwortlich sind.«
»Es ist noch niemandem je gelungen, alle Doms aus diesem Labyrinth auszujäten«, sagte Bogel. »Sie sind überall und nirgends.«
»Dann müssen wir einfach so lange Schädel einschlagen, bis eine Verbesserung der Situation unwiderleglich beweist, daß wir sie alle ausgelöscht haben. Der einzige Weg zur Zerstörung fest etablierter Dominanzmuster ist rücksichtsloses Durchgreifen, selbst wenn dabei im Übereifer ein paar Unschuldige behelligt werden sollten.«
Während die Kolonne durch die schmutzigen Straßen brauste, vorbei an verwahrlosten Anlagen und heruntergekommenen Wohnhäusern, gelobte Feric, daß er so viele von diesen armen Teufeln den Krallen der Dominatoren entreißen und ihrem wahren Heldererbe zurückgeben würde, wie er irgend vermöchte. Was diejenigen betraf, die zu tief in die Dominanzmuster verstrickt waren, um sich daraus befreien zu lassen, so würde es in Anbetracht ihres gegenwärtigen Zustandes ein Akt der Barmherzigkeit sein, sie zu erschlagen.
Als die letzten Sonnenstrahlen die westlichen Hügel rosig und orangegelb entflammten und die Lichter der Stadt angingen, führte Ferics Motorwagen die Kolonne die breite Allee hinauf, die von Süden her zum Brammer Park führte. Hier, auf der abgeflachten Kuppe einer sanften Bodenerhebung im südlichen Teil des Parks, wollte Feric die erste Massenkundgebung der Söhne des Hakenkreuzes veranstalten.
Von der Allee war diese Bodenerhebung jetzt deutlich sichtbar, und Feric erblickte mit Genugtuung das acht Meter hohe flammende Hakenkreuz aus Reisigbündeln, das gleich einem stolzen Leuchtfeuer den Hügel bekrönte. Zu beiden Seiten dieses atemberaubenden Parteisymbols war ein mächtiger Halbkreis von drei Meter hohen Fackeln; als die Kolonne sich dem Park bis auf wenige hundert Meter genähert hatte, sah Feric auch die niedrige Rednertribüne vor dem brennenden Hakenkreuz, flankiert von riesigen scharlachroten Hakenkreuzfahnen. Die Mitglieder der Parteiführung standen in ihren schwarzledernen Uniformen rechts neben der Plattform, die gemietete Militärkapelle in den braunen Uniformen der Ritter zur Linken, Alles schien bereit.
Zurückblickend sah Feric die Zweierreihe der Motorräder mit flatternden Umhängen und Hakenkreuzfahnen; das Brüllen der Motoren erfüllte die Luft mit einem dumpfen Tosen, das sich aus der Ferne wie das Grollen eines aufziehenden Gewitters ausnehmen mochte. Hinter dieser Sturmtruppe konnte er eine enorme Ansammlung von Dampfwagen, Motorwagen, Dampflastwagen und Fahrrädern ausmachen, die sich wohl einen Kilometer weit über die Allee hinzog und die Fahrbahn von einer Seite zur anderen blockierte. Hinter diesen Fahrzeugen strömte eine gewaltige Menge von Heldern zu Fuß, die sich das große Schauspiel der Kundgebung nicht entgehen lassen wollten. Wahrhaftig, die Bühne war bereitet für einen Wendepunkt in der Geschichte!
Als Ferics Wagen zum Fuß der Bodenerhebung kam, führten die Ritter des Hakenkreuzes ein schneidiges Manöver aus: die beiden Reihen von Motorrädern beschleunigten, während Ferics Fahrer die Geschwindigkeit ein wenig verringerte, so daß der Kommandowagen nun zu beiden Seiten von einer Reihe motorisierter Sturmtruppen flankiert war. Als die Prozession einen Punkt etwa sechzig Meter unter dem riesigen flammenden Hakenkreuz erreichte, dessen Fackelumrahmung in kühnem Relief vor dem dunkelnden Himmel stand, wurde ein weiteres Manöver ausgeführt. Die zwei standartentragenden Motorradfahrer am Kopf der Kolonne fielen zurück und fuhren einwärts, so daß sie eine Ehrenwache unmittelbar vor dem schimmernden schwarzen Kommandowagen wurden. Gleichzeitig brausten die flankierenden Motorradkolonnen voraus, verließen die Straße und donnerten den grasbewachsenen Abhang hinauf, wobei sie gleichmäßige Abstände einhielten. Als die zwei führenden Motorräder bis auf zehn Schritte an die Rednertribüne herangekommen waren, hielten sie an; auch die anderen machten auf der Stelle halt, so daß die zwei Reihen der Motorräder eine Ehrengasse bildeten, die vom Fuß der Anhöhe bis zu ihrer Kuppel reichte.
Am unteren Ende dieses Korridors warteten die Standartenträger und der Kommandowagen, bis das Gros der Menschenmenge die Allee heraufgekommen war und den Kundgebungsort erreichte. Von seinem Platz konnte Feric Bluth, Haulmann, Decker und Parmerob sehen, die nebeneinander zur Rechten der Rednertribüne standen, eindrucksvoll in ihren gutgeschnittenen Parteiuniformen. Einige Schritte abseits von dieser Gruppe stand Stopa in seiner braunen Ritteruniform.
Es dauerte nicht sehr lange, bis die gesamte Allee hinter Ferics Wagen zum Schauplatz eines lärmenden Gedränges wurde. Zuerst trafen die Motorfahrzeuge ein und entließen ihre Passagiere, dann hielten die Radfahrer und stiegen ab, und schließlich brandete eine gewaltige Menge von Fußgängern heran, wenigstens zehntausend, welche die Fläche zu Füßen der Rednertribüne bis zur letzten Handbreit Bodens füllte. Alle riefen und redeten durcheinander und veranstalteten ein ungeheures Stimmengewirr, aber nicht einer wagte den Wiesenhang zu betreten, wo das Ehrenspalier der motorisierten Ritter auf den Motorrädern saß und hin und wieder die im Leerlauf drehenden Motoren aufbrüllen ließ, daß der menschliche Tumult für Augenblicke übertönt wurde.