»Sehen Sie, Feric, die Ausgabe ist wirklich lohnend«, sagte Bogel zum zehnten Mal. »Mit diesem Empfänger können wir jede öffentliche Fernsehsendung verfolgen; auf diese Weise lassen sich wertvolle Informationen gewinnen.«
Feric verfolgte mit zweifelnder Miene, wie der Finanzminister zu den Mittagsnachrichten einen weitschweifigen Bericht über die wirtschaftliche Lage gab. Der Sinn des Ganzen wollte ihm nicht recht einleuchten. Die öffentlichen Fernsehsendungen wurden gänzlich vom gegenwärtigen dekadenten Regime kontrolliert. Es gab keinen Zweifel, daß Fernsehnachrichten ein Propagandawerkzeug von immensem Potential waren, da sie über die öffentlichen Fernsehempfänger auf jedem öffentlichen Platz in Heldon einen großen Teil der Bevölkerung erreichte. Aber weil die Regierung die absolute Kontrolle über dieses Kommunikationsmittel hatte, schien es ausgeschlossen, daß die Partei jemals in der Lage sein würde, dieses neueste Wunder der heldonischen Wissenschaft für ihre eigenen patriotischen Ziele einzusetzen.
Plötzlich weiteten sich seine Augen in Verblüffung, als er sich selbst auf dem Bildschirm gewahrte, im Hintergrund das brennende Hakenkreuz. Aus dem Lautsprecher drang jedoch nicht seine Stimme, sondern die des offiziellen Berichterstatters: »... diese dritte Massenkundgebung der Söhne des Hakenkreuzes in ebenso vielen Wochen sollte in tragischer Gewalt enden ...«
Der Bildschirm zeigte nun die Smaragdpromenade von einer Straßenseite zur ändern angefüllt mit einem unübersehbaren Demonstrationszug. Alle Teilnehmer trugen Hakenkreuzarmbinden, viele führten brennende Fackeln mit sich. Hunderte von roten Hakenkreuzfahnen waren zu sehen, die triumphierend über den Köpfen der Kundgebungsteilnehmer flatterten.
»Die Dummheit dieses liberalen Regimes verblüfft mich, Bogel!« bemerkte Feric. »Es scheint, daß wir diesen Kretins nur Schaufeln in die Hände zu geben brauchen, damit sie sich mit Freuden ihr eigenes Massengrab ausheben.«
»Von ihrem Standpunkt aus gesehen, erziehen sie die Bevölkerung durch negative Nachrichtenauslese gegen eine Bedrohung dessen, was sie die freiheitliche Grundordnung des Staates nennen«, erwiderte Bogel. »Dabei tun sie ihr Bestes, um ganz Heldon auf unsere Existenz aufmerksam zu machen.«
Nun zeigte der Bildschirm eine geschlossene Formation von Rittern auf ihren blitzenden Motorrädern, gekleidet in die gutsitzenden braunen Uniformen und roten Umhänge.
»... nahm einen friedlichen Verlauf, bis die Demonstranten die Unterstadt erreichten, wo sie auf den Widerstand von Anhängern der Universalisten stießen, die ihnen den Durchmarsch verwehren wollten ...«
Nun kam die verwahrloste Unterstadt ins Bild, und man sah die Söhne des Hakenkreuzes durch die schmutzigen Straßen branden. Plötzlich drang ein Haufen Männer, alle schlecht gekleidet, schmierig und bewaffnet mit einem Sortiment von Keulen und Messern, aus einer Seitenstraße vor und brach in das Gedränge der unbewaffneten Demonstranten ein. Sofort warfen zehn bis fünfzehn Ritter ihre Maschinen herum und setzten diesem feigen Lumpenpack mit ihren langen Stahlknüppeln nach. Die wenigen Angreifer, die nicht innerhalb einer Minute niedergeschlagen waren, flohen heulend und mit blutigen Köpfen vom Kampfplatz.
Obgleich der Regierungskommentator fortfuhr, von Hakenkreuzbanden zu schwafeln, die ihre Meinungsverschiedenheiten mit Andersdenkenden zum Schaden der friedfertigen Bevölkerung und zu Lasten von Ruhe und Ordnung auf den Straßen austrügen, wußte Feric recht gut, daß die braven Helder, die das Spektakel auf den öffentlichen Plätzen überall im Land verfolgten, dem eigenen Augenschein mehr trauen würden als dem Gefasel eines von der Regierung bezahlten Tatsachenverdrehers, und was sie sahen, war der Triumph des Hakenkreuzes. So weit war die Fäulnis in den Schädeln der Rassenverräter fortgeschritten, daß sie Propaganda für das Hakenkreuz machten, während sie es zu bekämpfen vermeinten. Der Anblick einer diszipliniert marschierenden Menschenmenge unter dem Zeichen des Hakenkreuzes, feige Angriffe unsauberen Gelichters aus dem Hinterhalt energisch und ohne Panik abwehrend, sprach unmittelbar zum Herzen, wo die schalen Verdammungsurteile des oberlehrerhaften Berichterstatters den Fernsehteilnehmern bestenfalls die Galle überlaufen lassen konnten.
»Es muß einen Weg geben, diese Schwachköpfe dahin zu bringen, daß sie der Partei Sendezeit einräumen«, sagte Feric. »Wenn wir unsere eigene Propaganda aussenden könnten, daß sie auf jedem öffentlichen Platz im Land gehört und gesehen werden kann, dann müßte es gelingen, die entartete Verräterbande in ein paar Monaten aus der Regierung hinwegzufegen und in die Kloake zu spülen, wohin sie gehört.«
»Wie die Dinge liegen, haben wir zumindest noch die Möglichkeit, unsere Kundgebungen und Aufmärsche zu veranstalten«, sagte Bogel. »Damit haben wir in der Vergangenheit ein enormes Maß an Publizität erreicht.«
Feric nickte lächelnd. »Wenn nach einem Aufmarsch ein paar tote Universalisten in der Gosse liegen, ist die Fernsehübertragung so gut wie gesichert!«
Bogel hatte den Empfänger kaum ausgeschaltet, als Ludolf Best, schneidig in seiner gutgeschnittenen schwarzen Parteiuniform, das Büro betrat, auf Feric zuging, die Absätze zusammenschlug, den Parteigruß entbot und in strammer Haltung verharrte.
»Was gibt es, Best?«
»Mein Führer, Brigadegeneral Lar Waffing ist hier und ersucht um ein sofortiges Gespräch.«
»Was wissen Sie von diesem Waffing, Bogel?« fragte Feric.
»Er ist eine bedeutende Figur«, antwortete Bogel. »Während des Krieges befehligte er ein Flugzeuggeschwader und wurde als junger Held berühmt. Obwohl seine Familie sehr vermögend ist, blieb er nach dem Krieg beim Militär und machte erfolgreich Karriere, bis er schließlich aus Protest gegen die knieweiche Politik des gegenwärtigen Regimes als Brigadegeneral seinen Abschied nahm.«
Dieser Waffing schien ein wahrer Patriot und ein Mann von beträchtlichem Kampfgeist zu sein, dachte Feric. Unzweifelhaft hatte er noch immer großen Einfluß in militärischen und auch wirtschaftlichen Kreisen.
»Führen Sie ihn herein, Best«, befahl Feric. Er stand auf, ging durch den Raum und setzte sich der Würde zuliebe hinter seinen Schreibtisch.
Der Mann, den Best ins Büro führte, machte eine extravagante, wenn nicht komische Figur. Waffing war groß, mit ebenmäßigen Zügen, die höchste rassische Reinheit verrieten, und hatte ein gerades, herzhaftes, männliches Wesen. Doch hatte er seit den Tagen seiner fliegerischen Heldentaten beträchtlich an Gewicht zugelegt. Er trug einen grauen, freizügig mit Goldlitzen besetzten Anzug in militärischem Schnitt, dazu einen hellblauen Umhang; an einem gewöhnlichen Mann von Waffings Leibesumfang hätte dieser Aufputz lächerlich gewirkt, aber Waffing besaß eine hinreichende Ausstrahlung von Willenskraft und Männlichkeit, um sich darüber hinwegzusetzen.
Die beiden Männer machten vor Ferics Schreibtisch halt, und zu seiner freudigen Überraschung schloß Waffing sich dem Parteigruß des Adjutanten an und ließ ein durch und durch kerniges »Heil Jaggar!« ertönen.
Feric erwiderte den Gruß mit einem strahlenden Lächeln, schickte Best hinaus und lud Waffing ein, sich neben Bogel auf die vorderste Bank zu setzen. Etwas an Waffing sagte Feric zu, ganz unabhängig von dem Gebrauch, den man von einem Mann dieses Ranges möglicherweise machen konnte.
»Ich sehe, daß Sie ein gerader Kerl sind, mit dem ich offen reden kann, Jaggar«, sagte Waffing mit tiefer, kräftiger Stimme. »Ein Mann nach meinem Geschmack. Mir gefällt, was Sie machen. Wie ich selbst viele Male gesagt habe, ist die einzig richtige Behandlung von Feinden der genetischen Reinheit, daß man ihnen die Schädel einschlägt, und es freut mich zu sehen, daß es in Heldon endlich eine Partei gibt, die sich genau das vorgenommen hat. Mir gefällt auch, was Sie sagen, Jaggar; das meiste davon habe ich seit Jahren vertreten, aber ich bin nicht so wortgewandt wie Sie, und außerdem hatte ich nicht die Absicht, mich mit den Intrigen, Begeiferungen und Kleinlichkeiten von Wahlvorgängen zu beschmutzen. Aber Sie haben die Söhne des Hakenkreuzes offensichtlich zu einem Ausdruck des rassischen Willens gemacht, statt zu einem Verein zur Erzeugung heißer Luft, und darum habe ich das Vergnügen, Ihnen meine Dienste anzubieten.«