»Welch eine scheußliche Kloake genetischen Abfalls!« murmelte er.
Die Antwort des Kommandeurs war ein jähes entsetztes Keuchen.
Feric spähte in die Blickrichtung des anderen. Fünfzig Schritte voraus gewahrte er etwas, was ihm die Kehle zuschnürte. Ein mächtiger Hügel aus ungeformtem Protoplasma hatte sich auf die Straße geschoben und versperrte sie, eine pulsierende Amöbe aus grünlich durchscheinendem Fleisch, ungefähr drei Meter hoch und breiter als die Straße. Die Oberfläche dieses enormen Klumpens aus lebendem Schleim siedete mit Dutzenden von großen lippenlosen saugenden Mündern, in deren Hintergrund Reihen messerartig spitzer Zähne in unablässiger Bewegung waren; aus jeder dieser obszönen Öffnungen ringelte sich eine lange, runde rote Zunge. Damit nicht genug, bildete das Ungetüm mit unheimlicher Schnelligkeit einmal hier und einmal dort kraftvoll aussehende Fangarme aus, die es fast beliebig verlängern zu können schien, um sie dann genauso schnell wieder einzuziehen und an anderer Stelle neu zu bilden. Aus den Mundöffnungen kamen scheußliche, naß schmatzende Geräusche, in die sich ein anund abschwellendes scharfes Pfeifen mischte.
Der Panzerfahrer brachte sein Fahrzeug ungefähr dreißig Meter vor dem Ding zum Stillstand. Aus dieser Entfernung war der an verwesenden Fisch gemahnende Gestank des Ungeheuers beinahe überwältigend. Und der amöbenhafte Haufen von Protoplasma begann näherzufließen. Kein Wunder, daß die Wolacken diesen Ort mieden!
Aber feige Wolacken waren eine Sache, und rasseechte Helder eine ganz andere. Feric brachte seine Maschinenpistole in Anschlag und gab probeweise einen Feuerstoß auf das scheußliche Monstrum ab.
Die Kugeln fetzten wie eine Serie von kleinen Explosionen in das pulsierende Fleisch der amöbenartigen Kreatur und rissen schleimige grüne Stücke heraus, die in alle Richtungen davonspritzten. Eine schreckliche Folge langgezogener Kreischtöne kam aus dem Ding, als Dutzende von Saugmündern in blinder Agonie aufschrien. Eine gelbliche, zähflüssige Masse entströmte den Einschußwunden, und die abscheuliche Monstrosität geriet in furchterregende Zuckungen.
Feric nickte dem Panzerkommandanten zu. Dieser verschwand im Turm, richtete die Kanone an und feuerte, während Feric hinter dem Stahlkoloß Deckung suchte, aus nächster Nähe eine Sprenggranate in das Ungeheuer. Der Doppelschlag von Abschuß und Detonation zerriß die Luft, und in einer gewaltigen Eruption flogen schleimige Fetzen, Splitter und Rauch in die Höhe.
Als der Rauch abgezogen war, gab es nichts mehr, was das Vorrücken der Kolonne hätte aufhalten können; eine dampfende schleimige Lache und verstreute Fetzen stinkenden, zuckenden Protoplasmas waren alles, was zurückblieb.
Feric kletterte auf den Panzer zurück und nickte dem Kommandanten zu. »Soviel für die Trolle des Rouldeltas!« rief er ihm durch das Motorengedröhn zu.
»Kaum das richtige Übungsschießen für moderne Panzerkanonen«, sagte der Kommandant. »Ich hoffe, wir werden bald echte Aktion sehen, mein Führer!«
»Seien Sie unbesorgt, wir werden jetzt bald auf den Feind stoßen.« Damit zog Feric den Stahlkommandeur, hob ihn in die Höhe und führte die Kolonne vorwärts über die Rampe und hinaus auf die alte Brücke, die mit enormen Stahlkabeln an steinernen Türmen aufgehängt war, hoch über den lehmigen Wassern des Roul.
Auf halbem Weg hinüber vernahm Feric Maschinengewehrfeuer und kurz darauf das Krachen von Panzerkanonen. Zurückblickend sah er, daß weitere Monster aus dem Strahlungsdschungel hervorgekommen sein mußten, um die Kolonne anzufallen. Panzerkanonen und Maschinengewehre machten kurzen und blutigen Prozeß mit ihnen.
Als die Nachhut der Kolonne sicher das Ostufer des Flusses erreicht hatte, zog Feric die Panzer der Vorhut heraus und ließ sie in Stellung gehen und mit panzerbrechenden Granaten das Feuer auf die alten Brückentürme eröffnen. Wenige Salven genügten, und sie stürzten ein, und die Mitte der Brücke brach unter dem eigenen Gewicht zusammen und fiel in den trübe dahinziehenden Strom.
Dann ließ er die Kanoniere, einer nachträglichen Eingebung folgend, mit Brandgranaten nachladen und unter Berücksichtigung der vorherrschenden Windrichtung eine volle Salve in den Strahlungsdschungel feuern. Als die Kolonne ihren Vormarsch in südöstlicher Richtung fortsetzte, ließ sie dunkle Rauchschwaden und eine orangegelbe, sich ausbreitende Feuerfront zurück, wo das obszöne Geschmeiß des Strahlungsdschungels gewesen war.
Achtzig Kilometer vor Lumb mehrten sich die Anzeichen einer großen Schlacht. Nicht abreißende Flüchtlingsströme zogen nach Norden und Westen, der Sturmkolonne entgegen, die ungefähr dreißig Kilometer östlich des Roul und parallel zu seinem Lauf südwärts gegen die Hauptstadt vorstieß. Bastarde und Mutanten jeglicher Art zogen auf der Landstraße nach Norden und verstopften sie mit ihren ärmlichen Habseligkeiten, die sie auf Leiterwagen, Karren und Fahrrädern beförderten oder auf dem Rükken dahinschleppten. Es wäre möglich gewesen, diesen eklen Strom mit Gewalt von der Straße zu treiben oder mit den Panzern kurzerhand niederzuwalzen, was ihnen nicht Platz machte, hätte aber eine unliebsame Verzögerung mit sich gebracht, denn selbst aus dieser Entfernung konnte man die vom Feuerschein erhellten Rauchwolken über dem Südhorizont sehen und das Grollen entfernten Artilleriefeuers hören: ein sicheres Zeichen, daß Waffings Armeeabteilung bereits Feindberührung hatte, da die Wolacken nicht über eine derartige Feuerkraft verfügten und Zind kaum in einem solchen Umfang Geschütze gegen einen bereits geschlagenen Gegner einsetzen würde.
Daher führte Feric die Sturmtruppe über verstepptes mageres Ackerland, das jedoch trocken, eben und gut befahrbar war, nach Süden und mied die drei Kilometer östlich verlaufende überfüllte Landstraße, denn es war für das Gelingen seines Planes von ausschlaggebender Bedeutung, daß sie den Schauplatz erreichten, bevor die Horden von Zind in ihrer Gesamtheit den Fluß überquert hätten. Gelang ihnen der Übergang des ganzen Heeres, so wäre der Vorteil des Umfassungsmanövers verloren, Waffings Armee würde überrannt und die SS-Sturmdivision von allen Verbindungslinien zur Heimat abgeschnitten weit hinter dem vorrückenden Heer von Zind im feindlich besetzten Gebiet stehen.
Bald wurde aus dem fernen Grollen des Artilleriefeuers naher Donner, und im Süden, eindeutig auf dem Westufer des Roul, war ständiges Aufblitzen von Mündungsfeuer auszumachen; darüber hinaus vernahm man als Kontrapunkt zum Artillerieduell ein unglaubliches Knattern und Hämmern von massierten Maschinengewehren. Waffings Streitkräfte bekämpften die Horden von Zind in den westlichen Stadtteilen Lumbs; die einzige und zugleich entscheidende Frage lautete, wieviel vom feindlichen Heer noch östlich des Flusses stand. Davon mochte sehr wohl der weitere Gang der Weltgeschichte und das Überleben des wahren menschlichen Genotyps abhängen.
Als die Kolonne in die Außenbezirke von Lumb kam, war der Flüchtlingsstrom versiegt, und alles, was nicht gemauert oder in vielen Jahren zu Umfang und Stärke herangewachsen war, war vollständig platt getrampelt; ein klarer Hinweis darauf, daß die Horden von Zind hier durchgezogen waren, und vor nicht langer Zeit, wie es den Anschein hatte.
Feric ließ seine Streitkräfte in Gefechtsformation antreten. Es war eine Ehrensache für ihn, daß er mit dem Befehlswagen an der Spitze des Angriffskeils fuhr, flankiert und gefolgt von den vier Panzern der Vorhut und seiner hundertköpfigen SS-Leibwache auf Beiwagenmaschinen. Hinter dieser Speerspitze kam eine langgezogene, an den Flügeln zurückgebogene Linie von Panzern, durchsetzt vom Gros der Motorradabteilungen. Ihnen folgten die Lastwagen mit den Infanterieregimentern der SS-Sturmdivision. Weitere Panzer verstärkten Hügel und Flanken dieses Stoßkeils aus eisenharten Männern und stählernen Maschinen. Kein Zindgesindel würde in der Lage sein, den inneren Zusammenhalt einer derartigen Streitmacht aufzubrechen!