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Dann verebbten die Geräusche, und es wurde totenstill, obwohl sie die neuen Erschütterungen deutlich spüren konnte. Das Schiff fiel torkelnd dem Boden entgegen. Ein Hauch von Rauhreif bedeckte die Pulte und Bildschirme.

»Die Luft ist raus«, meldete Dubois über Bordfunk. Sie hatte Benders Konsole übernommen.

»Wie viele noch?« fragte Charity mit deutlicher Furcht in der Stimme.

»Zwei, aber sie sind schon an uns vorbei.« Dubois deutete auf den Bildschirm. »Ich habe diese Rakete hochgejagt, nach der dritten Explosion. Kann sein, daß der Strahlungsschock die Zünder gestört hat. Wir sind durch.«

Charity sah sich um. Das Innere der HOME RUN war ein einziges Chaos aus treibenden Behältern, losgerissenen Verstrebungen, zerbrochenen Tanks. Flüssigkeitstropfen schillerten in apartem Rosa. Nach der Farbe zu schließen, handelte es sich um Kohlenstoff-Schmiermittel oder um die kümmerlichen Reste einer an Bord geschmuggelten Flasche Rotwein. Das Zwischendeck hatte ein großes, unregelmäßiges, brandgeschwärztes Loch, dort, wo die Energiezelle hochgegangen war, und mehrere saubere, rechteckige Löcher dort, wo sich Bodenplatten gelöst hatten. Die Brücke pendelte frei im Raum, nur noch an zwei Seiten mit der Hülle des Schiffes verbunden, und abgerissene Kabel peitschten in das Vakuum, sprühten Funken, wenn sie einander berührten. Jedesmal, wenn das geschah, flackerten Kontrollampen und Bildschirme. Trotzdem konnte Charity auf der Computerdarstellung erkennen, wie sich die beiden letzten Container gleichmäßig von ihnen entfernten. Der Massetreiber, der sich wie eine langgezogene Landebahn vor ihnen streckte, hatte anscheinend seine Munition verschossen.

»Was war das?« fragte Skudder, die Stimme blechern über den noch immer gestörten Kanal.

»Sie haben die Container vermint«, erklärte Charity, und ihre Wut brach sich Bahn. »Ein paar kleine taktische Atomwaffen, die eigentlich keine Bedrohung für uns gewesen wären, und drumherum mehrere tausend Tonnen Uran und Abraum. Ein besseres Schrapnell kann man sich nicht vorstellen. Sie haben sie einfach in unsere Richtung katapultiert und platzen lassen.«

»Wir haben mehrere dicke Brocken abbekommen«, sagte Bender, der sich noch immer die Augen rieb. »Mindestens drei große Lecks, und ich glaube, die Hülle hat schweren Schaden erlitten.«

»Was ist mit dem Antrieb?« fragte Charity hastig.

»Keine Anzeige«, entgegnete Dubois lakonisch. Niemand sagte etwas. Charity blickte hinunter auf das rauchende Loch im Zwischendeck, dann auf den Bildschirm. Ihre Höhe betrug nur noch zwei Kilometer, und die Geschwindigkeit, die die HOME RUN noch hatte, war jetzt deutlicher zu erkennen. Sie trieben inzwischen ein gutes Stück seitlich über dem Massetreiber, der am Bildschirmrand aus dem Blickfeld geriet.

»Das heißt, wir werden eine unsanfte Landung erleben«, sagte Charity schließlich. »Sind wir wenigstens auch noch den Treibstoff losgeworden?«

»Die Tanks sind leer«, nickte Dubois. »Das heißt, wenn das Display noch funktioniert. Zumindest werden wir nicht explodieren, wenn der Reaktor zusammenhält.«

Die beiden Frauen sahen sich an.

»Einhundertachtzig Kilometer pro Stunde horizontal«, sagte Dubois einfach. »Den Vertikalanteil können wir vergessen, glaube ich.«

»Wir werden ein gutes Stück rollen«, faßte Charity tonlos zusammen. »Sofern wir nicht von einem wohlmeinenden Berg aufgehalten werden.«

»Keine Chance«, warf Skudder ein, der gebannt auf den Bildschirm starrte. Sein Gesichtsausdruck erinnerte an einen Passanten, der mitten in einen Verkehrsunfall hineingeraten war. »Die Gegend ist flach wie ein Bügelbrett.«

»Wurde ja auch Zeit, daß wir mal etwas Glück haben«, stieß Charity hervor. »Wie lange noch?«

»Neunzig Sekunden«, meldete Bender.

»Bender, sehen Sie zu, daß Sie die Fluglage von diesem Ding stabilisieren. Wenn wir unseren dick gepanzerten Hintern die größte Wucht schlucken lassen, haben wir eine Chance.« Sie löste entschlossen die Gurte und schnappte sich den Tornister, der unter dem Sitz am Boden angebracht war. »Los, die anderen weg hier. Die Brücke geht bestimmt zum Teufel. Sucht euch einen Platz in den Wandnischen, bevor es wieder losgeht, und haltet euch gut fest.« Sie stieß sich in den freien Raum ab. »Kommen Sie hinterher, sobald Sie fertig sind, Bender.«

»Verstanden«, kam die Antwort. Skudder, Henderson und Dubois bahnten sich hastig ihren eigenen Weg zu den Wandnischen, die ihren Inhalt ziemlich vollständig ins Innere ausgeschüttet hatten. Charity faßte mit der freien Hand nach einem Gurt, zog sich in die nächstgelegene Nische hinein und wickelte sich in die zerfetzten Reste eines Sicherungsnetzes, bevor sie damit begann, ihren Druckanzug an den Tornister anzuschließen. Kühle, saubere Luft ersetzte das schon leicht stickige Gemisch in ihrem Helm. Sie fand noch zwei weitere Gurtenden und schnallte sich fest. Skudder winkte ihr aus seiner Nische zu, eingewickelt wie ein kleines Kind. Zufrieden sah sie, daß Harris und zwei seiner Leute sich ebenfalls in Sicherheit gebracht hatten. Die Korrekturdüsen sprangen an, und nach und nach verschwand das übelkeiterregende Karussellgefühl. Aus den Augenwinkeln registrierte sie, wie sich Bender losschnallte und nach seinem Tornister bückte. Ihre innere Stimme warnte sie. Sie schaltete den Funk um und öffnete den Mund.

In diesem Moment begann die große Glocke wieder zu dröhnen, und die Welt brach auseinander. Nicht schon wieder, dachte sie noch, als ihr Hinterkopf ein weiteres Mal schmerzhaft Bekanntschaft mit irgendeinem harten Gegenstand schloß, dann wurde es endgültig dunkel.

4

Der Jared-Pilot hielt den Gleiter genau auf halber Höhe zwischen den Eismassen unter ihnen und der Wolkendecke über ihren Köpfen. An der Unterseite der riesigen Wolkenbänke war der Wind heftig, aber gleichmäßiger als oben in den Wolken, und die anhaltenden, stürmischen Regenfälle hatten die wenigen Erhebungen in der arktischen Eismasse abgetragen. Inzwischen war es heller geworden, da die Wolkendecke nicht mehr so dicht war wie in der Nähe des Wirbelsturms. Die Druckwelle, die aus der plötzlichen Vergrößerung des Lochs und dem Zusammenbruch des Sturmauges entstanden war, hatte auch hier ihre Spuren hinterlassen. An einigen Stellen schimmerten Wasserflächen in metallischem Grau, und inzwischen taute das Eis rascher, als Schmelzwasser und Regenwasser verdampfen konnten.

»Alles ruhig«, sagte Gurk, was eine deutliche Untertreibung war. Die Wolkenformationen bewegten sich auf dem Radarschirm nach Nordwesten, der Erdrotation vorauseilend. »Es sieht nicht so aus, als wenn sich das Ereignis so bald wiederholen würde. Zumindest nicht, bis wir aus diesem Unwetter heraus sind.«

Stone zog die Jacke enger um seine Schultern. Es war ziemlich kalt und naß geworden im Gleiter. Der Riß in der Hülle ließ sich nicht abdecken, und anscheinend gehörte auch die Kabinenheizung zu den Bordsystemen, die die Druckwelle nicht überstanden hatten. Der Gleiter hatte deutliche Schlagseite bekommen, und jedesmal, wenn Stone in einer heftigen Windböe das Gleichgewicht verlor, begann seine Nase wieder zu bluten.

»Was ist mit dem Loch?« fragte er.

»Es wächst und gedeiht«, antwortete Gurk. »Davon gehe ich zumindest aus. Auf diese Entfernung kann ich mit dem Radar nur erkennen, daß sich ein neues Auge gebildet hat, anderthalbmal so groß wie das alte.«

»Ich dachte, der Durchmesser des Lochs habe sich verdoppelt?«