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»Natürlich.« Gurk nieste plötzlich und wischte sich ungeniert mit dem Ärmel seiner Jacke über das Gesicht. »Das Auge wächst weniger rasch als das Loch selbst. Noch ein oder zwei Sprünge, und der Wirbelsturm bricht in sich zusammen.« Er drehte sich zu Stone um. »Sie hängen sehr an dem Ding, was?«

»Bitte?« Er folgte dem Blick des Zwergs und erkannte, daß er noch immer die Tüte mit der linken Hand umklammerte. Er war nicht einmal dazu gekommen, sie zu benutzen.

»Ach so«, sagte er peinlich berührt und warf die zerknäulte Tüte weg. Erst jetzt bemerkte er, wie verkrampft seine Hände waren.

»Wieso plötzlich dieser Sprung?« fragte er hastig.

Gurk grinste. »Sie sind doch ein helles Köpfchen, Stone. Denken Sie nach.« Er winkte mit der Hand. »Na, lassen Sie es lieber bleiben.«

Der Gleiter taumelte wieder. Stone verzichtete auf einen Kommentar.

»Ich bin fest davon überzeugt, daß das nicht die erste plötzliche Erweiterung war«, meinte Gurk, plötzlich wieder ernst geworden. »Wir haben die anderen nur nicht bemerkt, vermutlich, weil sie sehr viel kleiner ausgefallen sind. Und wir haben die Schwarze Festung ziemlich eilig geräumt, nachdem unseren neuen Freunden hier das Malheur passiert ist.«

»Und woher kommt die Energie für diese Sprünge?«

»Das ist die spannende Frage.« Der Zwerg wippte auf seinem Sitz, dann hielt er inne und nieste wieder. »Haben Sie schon einmal einen Stein in eine Pfütze geworfen, Governor?«

»Wie bitte?«

Gurk schneuzte sich lautstark in seinen Ärmel. »Ob Sie schon einmal einen Stein in einer Pfütze geworfen haben.«

Stone nickte ergeben.

»Na, und was ist passiert?«

»Der Stein ließ Wellen entstehen«, antwortete Stone ungeduldig. »Was hat das mit Transmittern zu tun?«

»Sie kommen schon noch dahinter«, antwortete der Zwerg ungerührt. »Denken Sie an die Pfütze. Die Wellen laufen nach außen, und wenn der Rand der Pfütze langsam ansteigt, dann werden sie einfach verschluckt. Aber wenn die Pfütze von irgendeiner Wand begrenzt wird, von geraden, glatten Kanten, dann werden die Wellen dort reflektiert und laufen dahin zurück, wo sie entstanden sind. Einige Wellen sind früher wieder da als andere, und einige sind schwächer als andere ...« Gurk breitete die Hände aus. »Doch am Ende kommen sie alle zurück.«

Stone runzelte die Stirn. »Und?«

Eine Serie von heftigen Windstößen schüttelte den Gleiter wie eine leere Plastiktüte und hinderte den Zwerg minutenlang an der Antwort. Sie hielten sich an den Konsolen fest, während der Jared-Pilot sich die Kontrolle über den Gleiter erkämpfte. In der Zwischenzeit hatten sie gefährlich an Höhe verloren, und der Pilot setzte die Triebwerke unter Vollast, um Abstand zum Boden zu gewinnen.

»Nun, unser Stein war die Black-Hole-Bombe«, sagte Gurk, als es wieder ruhiger geworden war. »Was die Pfütze ist, das können Sie sich selbst ausrechnen.«

Tatsächlich, dachte Stone mit aufgesetzter Fröhlichkeit. Vor seinem inneren Auge entstand das Bild eines vielfach verzweigten und verästelten Geflechtes von Röhren und Tunneln, in dem plötzlich an einer abgelegenen Stelle ganz am Rand eine Granate gezündet wurde. Er hatte sich das Transmitternetz der Moroni immer wie eine überdimensionale Spinnwebe oder wie eine Art Kanalisation vorgestellt. Der größte Teil der Energie, die die Black-Hole-Bombe freigesetzt hatte, war in das Netz hineingegangen, und nur ein Bruchteil war bei der Orbitstadt, in der Schwarzen Festung und aus Hunderten kleinerer Transmitter im Sonnensystem wieder herausgekommen. Der größte Teil der Energie, die ausgereicht hätte, die Sonne in Stücke zu reißen, befand sich noch immer innerhalb des Hyperraumgeflechts, das die Transmittertore miteinander verband. Er konnte förmlich sehen, wie sich die einzelnen Verbindungsstränge dehnten und bis zum Zerreißen spannten, während die Schockwelle der Explosion sich im Netz ausbreitete. An einigen Stellen würde wie beim Nordpol vielleicht der Raum selbst aufreißen, und an anderen würden die Transmitter Hitze, Strahlung, Tod und Zerstörung ausspucken auf das, was auf der anderen Seite lag, so wie es bei der Orbitstadt geschehen war. Aber überall dort, wo die Transmitter abgeschaltet oder verschlossen waren, würde die Schockwelle zurückprallen, die Richtung umkehren und den Weg zurücklaufen, den sie gekommen war. Zurück zur Erde. Zurück zum Nordpol.

»Ich hatte nicht damit gerechnet, daß die ersten Rückschläge so schnell kommen«, sagte der Zwerg nachdenklich, »oder so heftig. Es hängt von der Entfernung zu den nächsten Durchgängen ab und ob diese verschlossen sind oder nicht.« Er zuckte die Achseln und warf dem Gouverneur einen Blick zu. »Es wird eine Weile dauern, aber die richtig schweren Rückschläge kommen erst noch. Wenn wir das Loch nicht vorher geschlossen haben, dann schaffen wir es nie.«

»Rückschläge«, wiederholte Stone verständnislos und dachte an den übermächtigen Mahlstrom, der zwei Gleiter zermalmt hatte, als wären es Fliegen, und den dritten Gleiter so zugerichtet hatte, daß er schrottreif war. Falls nur ein paar Prozent der Energie, die die Bombe in das Transmitternetz gepumpt hatte, zur Erde zurückgelangten, dann kam es nicht mehr darauf an, ob Moroni oder Jared den noch immer andauernden Krieg auf der Erdoberfläche und im Orbit gewannen. Die Erde würde einfach in einer unregelmäßigen Kette von Explosionen verschwinden, die zum Schluß die Sonne in eine Nova verwandeln würden.

Der Gleiter schwankte erneut, und Stone mußte sich wieder an seiner ausgefallenen Funkanlage festhalten. »Der Pilot könnte sich etwas mehr Mühe geben«, sagte er mißmutig, »und uns davor bewahren, über die Eisfläche zu schrammen.«

»Er tut seit einer Viertelstunde nichts anderes mehr«, erwiderte Gurk boshaft. »Seit die Triebwerke von einem Blitzschlag beschädigt worden sind.«

Stone schluckte mühsam. Die schmutziggraue Eisfläche unter ihnen schien plötzlich viel näher herangerückt zu sein. Falls der Gleiter in dieser Einöde abstürzen würde, würden sie es nie schaffen, dem Wirbelsturm zu entkommen. Die Wetterbedingungen und die Bodenverhältnisse hätten eine gut ausgerüstete, durchtrainierte und erfahrene Polarexpedition aufgerieben, ganz zu schweigen von einem Zwerg, einer Ameise und einem Mann mit Nasenbluten.

»Nur die Ruhe«, sagte Gurk, dem die Angelegenheit anscheinend ungeheuren Spaß machte. »Wir schaffen es.«

»Bis nach Köln?« fragte Stone ungläubig. »Diese Nußschale kommt nicht einmal bis nach Island zurück.«

»Bis zum Ring«, sagte Gurk. »Sehen Sie nach vorn.«

Er kniff die Augen zusammen und starrte in die angegebene Richtung. Ein schwarzer, gleichmäßig geschwungener Streifen trennte das dunkelgraue Eis vom nicht viel helleren Wolkenhimmel.

»Die Jared werden uns einen anderen Gleiter zur Verfügung stellen«, sagte Gurk.

»Hoffentlich.« Stone rückte näher an die noch intakten Sichtscheiben heran und spähte zum Horizont. Das schmale Band rückte rasch näher, und während sich die Entfernung verringerte, erkannte er Einzelheiten. Der Ring war gewaltig, dreimal so dick wie der Ring, der in der Schwarzen Festung gestanden hatte. Berücksichtigte man allerdings den tausendfach größeren Durchmesser, dann war dieser Ring in Wirklichkeit fragil und zerbrechlich, verglichen mit den anderen Transmittern, die die Explosion nicht hatten eindämmen können. Er fragte sich unwillkürlich, ob die Jared nicht schon daran scheitern mußten, daß sie trotz vieler Millionen Tonnen Material aus den zerstörten Großstädten und den abgerissenen Moroni-Festungen gleichsam nur einen Hauch von Metall um das Loch herum aufbauen konnten. Winzige Gebilde bewegten sich zwischen den Maschinenhallen, die Läufer genannten Schrottsammler, die verschiedene Bauteile an ihren Bestimmungsort bugsierten. Wie Libellen schwebten drei der mächtigen Transportgleiter über dem Ring. Hinter den Maschinen konnte er die Kuppeln der großen Kraftwerke erkennen, zu denen die Jared die erbeuteten großen Moroni-Gleiter umgebaut hatten. Baustelle reihte sich an Baustelle, von einem Rand des Blickfelds bis zum anderen, spannte sich über die gesamte Eisfläche hinweg.