Выбрать главу

Mit heulenden Triebwerken setzte der Gleiter zum Sinkflug an, und der Ring wuchs zu einer gleichmäßigen, glatten Barriere, die alles andere hinter sich verbarg.

»Die Jared haben sich ganz schön beeilt«, sagte Stone, der angesichts der hektischen Aktivität am Boden zum ersten Mal wieder so etwas wie Hoffnung empfand.

»Sie werden sich noch um einiges mehr beeilen müssen«, erwiderte der Zwerg geringschätzig.

*

Irgend jemand weckte sie, indem er begann, daumenlange Hufnägel in ihren Hinterkopf zu schlagen. In ihrer gegenwärtigen Verfassung hatte sie dagegen nicht viel einzuwenden, aber daß der unbekannte Plagegeist dazu eine Preßluftramme benutzte, war schlicht unverzeihlich.

»Nein«, stieß sie wütend hervor und wollte sich aufrichten. Ihr Kopf platzte gemächlich auseinander, und die Einzelteile tanzten einen verhaltenen Tango, bevor sie wieder zusammenfanden. Charity war sich nicht sicher, ob alle Teile wieder an ihrem ursprünglichen Platz angekommen waren, aber immerhin war ihr wenigstens der eigene Name wieder eingefallen.

Vorsichtig öffnete sie das linke Auge und schielte in die Richtung, die sie für oben hielt. Eine helle, weiße Scheibe schimmerte, nur eine Handbreit von ihrem Auge entfernt. Der Mond, dachte sie zusammenhanglos. Dann erkannte sie das Gesicht.

»Verdammter Mist«, murmelte sie.

»Alles in Ordnung?« flüsterte er, und ihre Trommelfelle wölbten in ihren Kopf und verwandelten ihr Gehirn in Kartoffelbrei. Sie schloß das Auge wieder und atmete ein Dutzend Mal tief ein. Dann hob sie die rechte Hand und schwenkte sie vorsichtig.

»Sieht aber nicht so aus.«

»Ruhe«, schnappte sie und öffnete beide Augen. Das Licht tat weh, aber als der Tränenschleier ihren Blick nicht mehr trübte, erkannte sie, daß es um sie herum fast vollkommen dunkel war. Sie lag in etwas, das sie nach längerer Betrachtung als einen wirren Haufen von Proviantrationen, Schlafsäcken, Ersatzteilen, Schußwaffen und Munitionskanistern identifizieren konnte. Ein verbogenes, längliches Ding links unterhalb von ihr erwies sich als ihr linkes Bein. Den Schmerzen nach zu urteilen hatte sie dort ein paar heftige Prellungen davongetragen, aber die Knochen waren intakt. Ob sie das auch von ihrem Kopf sagen konnte, war längst nicht so klar.

»Nicht zu fassen«, murmelte sie und stützte die Ellenbogen auf.

»Was?« fragte Skudder besorgt.

»Hör auf zu brüllen!« schnauzte sie und schloß gleich darauf wieder die Augen.

»Ich brülle nicht«, antwortete er beleidigt.

»Tut mir leid«, brachte sie schwerfällig heraus. »Ich fühle mich nicht besonders.«

»Das kommt bei Frauen immer wieder mal vor«, versetzte er mißmutig.

Sie schüttelte den Kopf in ihrem Helm und bereute es umgehend. »Nein«, sagte sie. »Du mußt einfach nur leiser atmen, und hör auf, mit deiner Haut zu knistern.«

Anscheinend war er ernsthaft in Sorge gewesen. Er lächelte sie erleichtert an.

»Da«, sagte sie und fragte sich flüchtig, wie sie wohl aussehen mochte. »Du machst es schon wieder. Hör auf zu grinsen.«

Er ignorierte sie, schloß sie wortlos in seine Arme und drückte sie an sich. Vermutlich zersplitterten dabei einige ihrer angebrochenen Knochen, aber seltsamerweise war ihr das gleichgültig. Sie erwiderte die Umarmung, so gut sie konnte, und ließ sich von ihm auf die Knie helfen. Ihre Beine zitterten zu sehr, als daß sie hätte aufstehen können.

Langsam sah sie sich um, und ihr Verstand weigerte sich, das Bild zu akzeptieren, das von allen Seiten auf sie herabzustürzen schien. Halb rechts von ihr hingen die auseinandergebrochenen Reste der Brücke aus der Dunkelheit herab, und ein Gewirr von Kabel, Schläuchen und Leitungen spannte sich wie eine Kreuzung aus Spinnennetz und Hängematte bis zu der in drei Teile gebrochenen Zwischendeck-Plattform. Über ihr erkannte sie nach einiger Zeit die schemenhaften Umrisse der tonnenschweren Maschinenblocks und Energiespeicher, die sich ursprünglich unter dem Zwischendeck befunden hatten. Einige der gewaltigen Aggregate aus dem Keller hatten sich aus ihren Verankerungen gelöst, hingen in einem Gewirr aus Trägerholmen und Spannseilen. Ein paar Lichter leuchteten noch, wo einige der Konsolen wie durch ein Wunder nicht von der Notstromversorgung getrennt worden waren. Eine dunkelblaue, dünne Flüssigkeit schwappte zwischen den Trümmerstücken, und Dampfschwaden zogen sich nach oben. Sie wollte gar nicht wissen, welche bizarre Substanz so lange brauchte, um sich ins Vakuum zu verflüchtigen. Ein paar Kanister schwammen in der seltsamen Brühe. Auf der anderen Seite erkannte sie undeutliche Bewegungen.

»Was ist mit den anderen?« fragte sie.

»Dubois und Harris sind drüben, bei Steiner und Estevez«, antwortete Skudder. »Die anderen beiden Soldaten sind unter einem Maschinenteil begraben worden.« Er sagte nichts weiter.

»Keine Hoffnung mehr.« Ein bitterer Geschmack lag auf ihrer Zunge. In letzter Zeit war es zu einer schlechten Gewohnheit geworden, daß sie ihre Begleiter überlebte. »Was ist mit Bender?«

Skudder schüttelte stumm den Kopf. Sie erinnerte sich daran, wie der Mann die Gurte abgeworfen hatte, unmittelbar vor dem Aufprall, und unterdrückte einen Anfall von Übelkeit. »Verdammter Mist.«

»Henderson ist draußen«, sagte Skudder in dem Bemühen, sie aufzumuntern. »Dieser Tolpatsch hat es ohne einen Kratzer überstanden.«

»Dann wollen wir hoffen, daß er sich nicht verläuft«, sagte sie. Mühsam rappelte sie sich hoch. Er mußte sie stützen, damit sie nicht das Gleichgewicht verlor. Trotz der geringen Schwerkraft schien es ihr im ersten Moment, als würde ein Tonnengewicht auf ihren Schultern lasten.

»Wir sind unten«, sagte sie dann. »Ich glaube nicht, daß wir noch weiter runter kommen könnten.« Später einmal sollte sie sich für diese voreilige Bemerkung selbst verfluchen. »Ich will hoffen, daß es für diese endlose Katastrophe wenigstens einen guten Anlaß gibt.«

»Wir sind am Rand von Grube I runtergekommen«, sagte Skudder. »Bisher ist alles ruhig geblieben. Es sieht ganz danach aus, als wenn hier draußen niemand wäre.«

»Wie weit sind wir vom Massetreiber entfernt?«

»Zwanzig, dreißig Kilometer«, antwortete er. »Henderson behauptet, daß er die Leitungstürme sehen kann. Warum?«

»Die Magnetschienen können Schlitten für Container transportieren, aber auch kleine Personenwagen. Falls die Moroni uns einsammeln wollen, dann werden sie wohl von dort kommen.« Sie humpelte versuchsweise einen Schritt weit. »Und wenn wir uns verdrücken wollen, haben wir dort die besten Chancen. Oder auf einem der Transportbänder, wenn eins in der Nähe ist.«

Skudder half ihr über den Berg aus Trümmern. Der kleine blaue Teich war inzwischen fast ganz verschwunden. Irgendwo in der Dunkelheit sah sie winzige, weiße Lichter, und es dauerte einen Moment, ehe sie die Umrisse des riesigen, langgezogenen Lochs in der Hülle erfaßte, das den Blick auf den Sternenhimmel freigab. Sie hatte den Anblick des Sternhimmels immer geliebt. Tatsächlich war es dieser Anblick gewesen, der ihr auf der Universität und später auf der Militärakademie in den harten Zeiten die Kraft gegeben hatte, durchzuhalten und weiterzumachen. Jetzt, als sie in einem Wrack über die zertrümmerten Überreste von Maschinen, Gerät und vielleicht auch Menschen humpelte, begann sie den Anblick zu hassen.

Ein Lichtkegel streifte sie. »Da sind Sie ja«, sagte Dubois. Sie hockte zwischen den beiden auseinanderklaffenden Hälften eines Maschinenblocks, dessen Zweck jetzt noch weniger zu erkennen war als vorher. Esteban, eine schlanke, hochgewachsene Frau, deren aufrechte und beinahe steife Haltung auch im unförmigen Druckanzug noch zu erkennen war, nickte ihr wortlos zu. Sie hatte irgendwo einen Schneidlaser gefunden und hantierte damit zwischen einem wirren Drahtspaghetti, das Charity schließlich als die Überbleibsel des Zentralachsen-Kabelschachts erkennen konnte. Der im Vakuum unsichtbare Laserstrahl zerschnitt ein Bündel von Leitungen, und irgendwo über ihr erloschen die letzten Lichter an einer der verbeulten Konsolen.