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»Ich habe vier 390/96 und zwei 420/97 vorgefunden«, sagte der Würfel ehrfürchtig. »Die Anlagen sind in passiver Bereitschaft.«

»Kontakt herstellen.«

»Mit welchem Autorisierungs-Code?« fragte der Würfel pikiert.

Harris sah Charity fragend an. Sie zuckte die Achseln.

»Nimm irgendeinen«, sagte Harris.

»Wie bitte?« fragte der Taktikcomputer empört.

Charity beugte sich vor. »Wo liegt das Problem?«

»Wenn wir den falschen Code verwenden, wird wahrscheinlich die Leitung stillgelegt«, erklärte Harris. »Oder 370/98 bekommt elektronische Prügel.«

»Wir haben keinen gültigen Code«, erwiderte sie kurz.

»Probieren Sie aus, ob das System überhaupt eine Reaktion zeigt.«

»Mit welchem Code?« beharrte der Würfel.

»Magermilch«, sagte Charity ungeduldig und ignorierte Harris' erstaunten Blick.

»Wie Sie wünschen«, sagte der Würfel in einem Tonfall, der zeigte, daß er an ihrem Verstand zweifelte. »Magermilch.«

Sie warteten. Die Lampe an der Würfelfront flackerte unregelmäßig.

»Kein Autorisierungscode«, sagte er dann, und diesmal war der Tonfall lupenreine Überraschung.

»Natürlich ist Magermilch kein gültiger Code«, versetzte Charity mit beißender Stimme.

»Korrektur«, sagte der Würfel. »Es ist ein gültiger Code.«

»Was?«

»Um genau zu sein, jede Eingabe ist ein gültiger Autorisierungscode.« Der Würfel machte eine Pause, und seine Lampe wurde heller. »Das System ist offen«, platzte er heraus. »Alle Kontrollen sind heruntergefahren.«

»Das kann nicht sein«, sagte Charity und sah sich hilflos nach Skudder um. »Das hat es nie gegeben. Ich wußte gar nicht, daß so etwas überhaupt gehen könnte.«

»Wir leben in ungewöhnlichen Zeiten«, antwortete Skudder - was die Untertreibung des Jahrhunderts darstellte.

»Okay«, sagte Charity. »Das System ist offen. Was ist das, eine Falle?«

»Keine Aussicht«, erwiderte der Würfel selbstsicher. »Ich habe direkten Zugriff.«

»Irgendwelche Reaktionen?«

»Man hat uns erwartet«, kam die zögernde Antwort.

»Das habe ich gemerkt«, sagte Skudder bitter.

Charity warf ihm einen ungeduldigen Blick zu. »Was heißt das?«

»Ich finde klare Anweisungen vor, und meine Kontaktaufnahme hat ein paar Programme aktiviert, die in Bereitschaft gewesen sind.«

»Wie lange?«

»Seit sechzig Jahren«, sagte der Würfel. »Das ist eine Menge Rechenzeit.«

Charity lachte lauf. »Deine Kollegen haben sich gelangweilt, was?« Sie wurde wieder ernst. »Was für Programme?«

»Keine Ahnung«, gestand der Würfel nach ein paar Sekunden.

»Ich denke, du hast direkten Zugriff?«

»Die Programme sind ... komplex.«

»Zu komplex«, vermutete Charity.

»Ja«, sagte der Taktikcomputer kleinlaut. »In ein paar Tagen könnte ich ihnen mehr sagen, was den Zweck ...«

Urplötzlich leuchteten die Kontrollen und Skalen an den Pulten des Rings in voller Helligkeit, und abgeblendete Beleuchtungsröhren tauchten eng begrenzte Arbeitsflächen in ein neutrales weißes Licht. Überall um sie herum wurden Konsolen hochgefahren, und Schaltwände leuchteten in ihrem eigenen Licht auf.

»Danke«, sagte Charity trocken. »Ich rate lieber.« Weitere Lichter folgten. Die Pultreihen bildeten Kreise um den zentralen Ring herum, insgesamt zwölf hintereinander, wie die Stufen einer gewaltigen Treppe oder die Sitzreihen eines hochtechnisierten, vollautomatischen Amphitheaters. Die Kreise waren in sechs Sektoren unterteilt, und Sektor für Sektor zeigte heftige Aktivität. Bildschirme schimmerten wie weiße, blinde Augen, und ihr Streulicht zeichnete die Konturen der Schaltschränke und Computergehäuse nach. Charity legte unwillkürlich den Kopf in den Nacken und blickte zu den frei über den Pultreihen aufgehängten Kontrollgruppen auf, Scheiben von drei Meter Durchmesser, die über schmale Stege erreichbar waren und den koordinierenden Offizieren den Überblick über die Halle geboten hatten. Jede der Scheiben, die auf kranartigen Auslegern beweglich angebracht war, hatte ihre eigenen frei verschaltbaren Konsolen. Die Anordnung war so flexibel wie möglich ausgelegt worden, um wechselnden Anforderungen zu genügen. Notfalls konnten mehrere dieser Kontrollinseln zu einem Kartenspiel beieinander plaziert werden. Darüber schimmerte die leicht gewölbte Projektionsfläche, die den Himmel über MacDonald wiedergeben konnte, komplett mit radargestützter Zielmarkierung und computerberechneten Flugbahnen.

Die rote Wandbeleuchtung oben bei den Zugängen und Liftschächten schloß einen Ring gedämpfter Helligkeit um die Lichtervielfalt. Die Halle wirkte nun, als hätte jemand einen gewaltigen Christbaum über Boden und Wände verschmiert.

Charity musterte ihre drei Begleiter, die sich mit offenen Mündern umsahen. Vor sechzig Jahren hatten über zweihundert Menschen in dieser Halle gearbeitet, jeder mit genug Computerkapazität in der Hand, um ein Shuttle damit auszurüsten. Charity hatte diesen Raum niemals verlassen gesehen. Jetzt, wo das Licht und die Kontrollen wieder eingeschaltet worden waren, wirkte er noch gespenstischer auf sie.

Motoren wurden angeschaltet, und von der Decke schoben sich große, flache Bildschirme herab, einer davon mit zwei Metern Seitenlänge. Die Bildschirme glitten fast geräuschlos in Positionen, die verrieten, daß irgendein Teil der gewaltigen Maschinerie ihren Standort kannte und bei der Anordnung der Bildschirme berücksichtigt hatte.

»Zuvorkommende Programme«, sagte Charity laut. »Irgendein Kommentar, 370/98?«

»Ich bin beeindruckt«, sagte der Würfel säuerlich. Auf dem Bildschirm flackerte heller Schnee, und dann war schlagartig die räumliche, gestochen scharfe Wiedergabe eines Gesichtes zu erkennen. Charity fühlte, wie sich ihr Magen zusammenzog, und plötzlich war ihre Heiterkeit verschwunden.

Der Mann auf dem Bildschirm trug die Uniform der Space Force, die Rangabzeichen waren die eines Colonels. Er lächelte schief in die Kamera, und dieses Lächeln allein traf Charity wie ein Schlag und ließ ihren Adrenalinpegel in ungekannte Höhen schnellen.

»Willkommen«, sagte der Mann. »Wer immer Sie sein mögen.« Er lächelte wieder, und diesmal war es kein verlegenes Lächeln, sondern ein freudloses, resignierendes Lächeln. »Hier spricht Colonel David Jedediah Laird, zur Zeit kommandierender Offizier der Basis MacDonald. Wir haben seit drei Tagen keinen Kontakt mehr zur Erde und zu Tranquillitatis. Die letzten Berichte handelten von Bombenangriffen auf New York.«

Sie konnte die Stimme genausowenig ertragen wie das unrasierte Gesicht. Ihre Knie gaben nach, und irgendwie gelang es ihr, sich auf einen der Sitze fallen zu lassen.

»Die Invasion ist nicht aufzuhalten«, fuhr der Mann fort. »Der größte Teil des militärischen Personals ist bereits vor einer Woche abgezogen worden. Inzwischen haben wir auch den Kontakt zu diesem Kontingent verloren. Zur Zeit befinden sich noch vierundachtzig Menschen auf dem Gelände. Ich habe mich entschieden, die Basis MacDonald aufzugeben. Wir werden uns mit drei Lasttransportern auf den Weg zur Erde machen und versuchen, uns einer kämpfenden Einheit anzuschließen.« Er machte eine Pause. »Ich habe die Computer der Basis instruiert, in den nächsten zwei Jahren keinen Zugriff auf Programme und Datenbestände zuzulassen. Für diesen Zeitraum wird es keinen, ich wiederhole, keinen gültigen Autorisierungscode geben. Da nicht anzunehmen ist, daß die Invasoren während dieser Zeit oder später Zugang zu gültigen Autorisierungscodes haben werden, und da ich nicht sicher sein kann, daß wir noch in der Lage sein werden, einen von uns gewählten Code an irgendeine Dienststelle zu übermitteln, wird nach den genannten zwei Jahren jegliche Zugangskontrolle abgeschaltet.« Der Blick des Offiziers irrte nach unten, wo vermutlich seine Notizen lagen, und richtete sich dann wieder auf die Kamera. »Falls die Invasoren die Basis bis dahin noch nicht eingenommen haben sollten und falls es dann noch irgend jemandem möglich sein sollte, auf den Mond zu gelangen, steht ihm der Zugang über Funk wie über Datennetz offen.«